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EU-Umweltindikatoren

Auf dem Weltumweltgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro hatte sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, mehr für den Umwelt- und Naturschutz zu tun - unter dem Stichwort Nachhaltigkeit, was nichts anderes heißt, als dass die derzeitige Generation beim Handeln nicht an der Substanz zehren, sondern von den erwirtschafteten Zinsen leben soll. Zehn Jahre danach wird nun Ende August in Johannesburg Bilanz gezogen. Was ist erreicht worden? Die europäischen Staaten stellen sich gerne als Vorreiter im Umweltschutz dar. Doch ist ihnen eine saubere Umwelt auch wirklich wichtig? Nicht nur Umweltschützer haben da ihre Zweifel, sondern auch Umweltexperten des Europäischen Parlaments, wie sich auf einer Tagung in Brüssel zeigte.

von Ralph Ahrens | 22.02.2002
    Wie nachhaltig entwickelt sich Europa? Über diese Frage werden die europäischen Regierungschefs - unter ihnen auch Gerhard Schröder - auf ihrem Frühjahrsgipfel Mitte März in Barcelona diskutieren. Das sei im Jahr 10 nach dem Umweltgipfel von Rio auch angebracht, meint Martin Rocholl vom europäischen Umweltverband 'Friends of the Earth'.

    Bislang haben die Frühjahrsgipfel ja immer einen Fortschrittsbericht gemacht - zum Thema, wie steht es eigentlich sozial und ökonomisch. So sind die wichtigen Themen Arbeitslosigkeit oder zum Beispiel die Frage, entwickeln wir uns zu einer Informationsgesellschaft, gibt es in jeder Schule einen Internetanschluss und solche Fragen. Inzwischen sagt man, sollte man eigentlich einen breiteren Blick haben und auch die Frage 'Umwelt' in diese Fortschrittsberichte mit einbeziehen. Es wird jetzt der Fortschritt der Europäischen Union nach sozialen, ökonomischen und Umweltgesichtspunkten angeschaut. Das heißt, es ist wirklich ein Nachhaltigkeitsbericht.

    Das war jedoch nicht selbstverständlich, erinnert sich Alexander de Roo von den niederländischen Grünen und Vizepräsident des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments.

    Die wollten eigentlich nur über soziale und ökonomische Entwicklung sprechen. Und wir haben gesagt, 'Nachhaltigkeit', das geht nicht ohne Umweltthemen. Zum Beispiel hat die Kommission ursprünglich vorgeschlagen, 30 Indikatoren - 15 für Soziales, 15 für Wirtschaft und Null für Umwelt - und dann haben wir Druck gemacht, und jetzt sind auch Umweltindikatoren hinzugefügt.

    Ein Indikator ist der Energieverbrauch, ein anderer das Abfallaufkommen. Dennoch werden Umweltaspekte im Fortschrittsbericht der Europäischen Gemeinschaft weiterhin unterrepräsentiert sein, da es bislang nur sieben solcher Umweltindikatoren gibt. Das sind für Martin Rocholl zu wenige.

    Weitere Indikatoren oder Bereiche, die bisher nicht abgedeckt worden sind, sind zum Beispiel Wasserqualität, das Thema Artenvielfalt - ist ja nach wie vor so, dass in Europa mehr Arten verschwinden -, Frage Landschaftsverbrauch. Und für uns ganz wichtig, wieviel Ressourcen verbraucht eigentlich Europa in Form von Metall, Kohle, Energie, um seinen Wohlstand zu erzeugen. Denn eine nachhaltige Gesellschaft sollte es eigentlich lernen, mit immer weniger Ressourcen denselben Wohlstand zu erzeugen.

    Ob die Regierungschefs das auch so sehen, wird sich erst in Barcelona erweisen. Umweltschützern geht es aber nicht nur um die richtigen Indikatoren, um Nachhaltigkeit messen zu können. Sie wollen falsche Entscheidungen verhindern. So haben die Umweltexperten des Europäischen Parlaments diese Woche den neuen spanischen Wasserbewirtschaftungsplans angeprangert. Die Mehrheit im Umweltausschuss, so auch Alexander de Roo, hält das für ein unsinniges Projekt.

    Das kostet 22 Milliarden Euro. Da soll Europa acht Milliarden zahlen, um Wasser über tausend Kilometer zu verfrachten. Es ist billiger, Wasser aus dem Mittelmeer zu nehmen und das mit Photovoltaik zu entsalzen und das als Trinkwasser zu benutzen. Und die Regierung argumentiert, das ist für die armen Bauern, aber die Hälfte ist für die Hotels, für die Touristen. Die sollen einfach lernen in Spanien, ein bisschen normal mit Wasser umzugehen. 25 Prozent des Wassers wird sowieso verplempert, wenn das Wasser transportiert wird. In meinem eigenen Land ist das weniger als fünf Prozent.

    Und sie fordern vom Frühjahrsgipfel der Regierungschefs in Barcelona mehr als nur schöne Worte.

    Wenn wir über dauerhafte Entwicklung reden, und Spanien und die Europäische Union finanzieren so was, wie das Wasserprojekt, dann sind wir nicht mehr glaubwürdig.