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EU-Urheberrechtsreform
Angst um das freie Internet

In der kommenden Woche will das Parlament in Brüssel endgültig über die neue Europäische Urheberrechtsrichtlinie entscheiden. Vor allem junge Internetnutzer befürchten, dass die geplanten Regelungen ihre Freiheit im Netz einschränken könnten. Sie gehen zu Tausenden auf die Straße.

Von Peggy Fiebig | 22.03.2019
Eine junge Demonstrantin protestiert in Berlin gegen die EU-Urheberrechtsreform. Sie trägt einen Mundschutz, auf dem "Artikel 13" steht.
Vor allem junge Menschen protestieren gegen die neue EU-Urheberrechtsreform - insbesondere wegen des umstrittenen Artikels 13 (Imago / IPON)
"Na ich glaube nicht, dass das Internet von heute auf morgen kaputtgeht, aber ich kann mir vorstellen, dass viel nicht mehr so frei ist. Es kann dann ja alles gefiltert werden. Dann hat man einmal so einen Uploadfilter und dann werden Meinungen zensiert und so. Davor habe ich Angst."
"Weil ich das Konzept nicht gut finde – Artikel 13. Und dass die ganzen Memes, Youtube, Tiktok – alles Mögliche halt – nicht mehr wirklich funktioniert und dann ausstirbt."
Memes, also kurze Videosausschnitte aus Filmen oder Serien, die bestimmte Situationen parodieren sollen, Youtube mit seinem Angebot an Künstlern oder Tiktok, mit der Nutzer ihren Alltag filmen und kreativ darstellen können, seien Kulturgut - sagen einige Nutzer.
"Es wird, ich sage mal, arm."
Axel Voss als Feindbild
Die Jugend ist in Aufruhr. So wie hier Anfang März in Berlin gehen auch in anderen Städten Jugendliche und Kinder, aber auch viele Erwachsene zu tausenden auf die Straße. Auch das deutsche Wikipedia, selbst nicht betroffen von Artikel 13, beteiligt sich am Protest - diese Woche war die Seite für einen Tag abgeschaltet. Der Stein des Anstoßes: Brüssel will das europäische Urheberrecht neu regeln.
Für viele von denen, die jetzt auf der Straße und im Internet protestieren hat der Unmut ein Gesicht: Axel Voss, Abgeordneter der Europäischen Volkspartei EVP im Europaparlament, Mitglied der CDU und zuständiger Berichterstatter für die geplante Urheberrechtsrichtlinie.
Er sagt folgendes: "Wir haben hier eine Situation, mittlerweile bei den Plattformen, wo die einzelnen Nutzer Beiträge hochladen können, die dann weltweit quasi sehbar sind. Und hier müssen wir natürlich irgendwelche Wege finden, um zu sagen, wie werden wir hier den urheberrechtlich geschützten Werken auch entsprechend gerecht. Deshalb müssen wir irgendwie zu einem Verfahren kommen, wo es dann heißt, ihr Plattformen müsst irgendwie auch mehr Verantwortung dafür übernehmen, was eigentlich auf euren Plattformen stattfindet. Und wenn es dort urheberrechtlich geschützte Werke gibt, die ihr da drauf belassen wollt, dann müsst ihr auch Lizenzen abschließen. Und wenn es dort Werke gibt, die ihr eigentlich nicht haben wollt, dann dürfen die auch von vornherein gar nicht erst auf die Plattform kommen."
Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss 
Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss (Imago / C. Hardt / Future Image)
Denn bisher waren die Plattformen fein raus. Sie hafteten durch die E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 nur sehr eingeschränkt für widerrechtliche Inhalte, die Nutzer hochladen. Nach dem so genannten "notice and take down"-Prinzip müssen sie rechtswidrige Inhalte erst entfernen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Schadenersatzforderungen oder ähnliches haben sie nicht zu befürchten.
Wort "Uploadfilter" kommt im Text nicht vor
Das soll jetzt geändert werden. Künftig könnten die Plattformen für Urheberrechtsverletzungen haften. Nicht eintreten würde dies, wenn die Plattformen sich mehr um Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern bemühten. Das steht in den ersten drei Absätzen des umstrittenen Artikels 13 der EU-Urheberrechtsreform. Denn dann würde es gar nicht erst zu Rechtsverletzungen kommen. Wenn Werke trotz aller Anstrengungen nicht lizensiert werden, weil die Rechteinhaber beispielsweise nicht wollen, dass sie auf Youtube oder ähnlichem laufen, müssen die Plattformbetreiber sicherstellen, dass diese Werke gar nicht erst verfügbar sind.
Kritiker meinen, dass diese Regelung ohne technische Werkzeuge nicht durchsetzbar sei – sprich, man brauche so genannte Uploadfilter. Die müssten dann Urheberrechtsverletzungen automatisch erkennen und die entsprechenden Inhalte, noch bevor sie hochgeladen werden, blockieren. Das Argument, der Begriff "Uploadfilter" komme in der Richtlinie gar nicht vor, lässt Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei im Europäischen Parlament und heftige Gegnerin der jetzigen Regelung in Artikel 13, dabei nicht gelten.
"Die Verhandler haben sich sogar sehr große Mühe gegeben, das Wort Uploadfilter im Text zu vermeiden, weil sie ganz genau wissen, dass in dem Moment große Proteste losgehen. Aber in den Verhandlungen war völlig klar, dass es um gar nichts anderes gehen konnte. Da wurde teilweise panisch das Wort 'Technologien' durch das Wort 'Mittel' ersetzt, damit niemand weiß, wovon die Rede ist. Aber es ist völlig klar, dass Artikel 13 ohne Uploadfilter nicht umsetzbar ist."
Die Piraten-Politikerin Julia Reda
Die Piraten-Politikerin Julia Reda hat sich mehrfach gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform ausgesprochen (dpa / CTK Photo/Ondrej Deml)
Vorwurf: Lebenswirklichkeiten nicht wirklich abgebildet
Uploadfilter- Der Begriff bestimmt die Diskussion um die Europäische Richtlinie. Für den Berichterstatter Axel Voss von der CDU und viele Befürworter der Richtlinie stehen sich hier vor allem zwei Parteien gegenüber: Die großen Plattformen, allen voran Google mit Youtube auf der einen Seite, und die Urheber, deren Werke unerlaubt mithochgeladen werden, auf der anderen Seite. Vergessen haben sie dabei allerdings die Millionen, meist jugendlichen Nutzer, für die Youtube ein wichtiger Teil ihres Alltags ist. Für viele von ihnen ist es die wichtigste Informationsquelle. Sie fühlen sich in der Debatte um die Urheberrechtsrichtlinie von der Politik ignoriert.
"Ich glaube tatsächlich, dass das Europäische Parlament, das hat ein Durchschnittsalter von 54, der jüngste Kollege ist 29 Jahre alt, an der ein oder anderen Stelle Lebenswirklichkeiten nicht wirklich abbildet. Und das sehen wir bedauerlicherweise in dieser Diskussion. Und ich glaube, ehrlich gesagt, dass Politik sich auch damit beschäftigen muss, was eine Gesetzesänderung für junge Menschen bedeutet."
sagte Timo Wölken in der ARD. Der Abgeordneter des Europäischen Parlaments ist gegen die Regelung in Artikel 13. Er befürchtet, genauso wie die vielen Demonstranten, dass bei einer faktischen Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern viel zu viel gelöscht würde. Einerseits, weil die Software möglicherweise nicht allzu genau arbeitet oder aber, weil der Kontext eines Werkes technisch nicht erkennbar ist. Beispielsweise dürfen urheberrechtlich geschützte Werke in einer Satire oder als Zitat benutzt werden - Uploadfilter können aber nicht erkennen, dass es sich nicht mehr um das eigentliche Werk handelt.
Mehr Lizensierungen, mehr Bezahlung
Denn die Technik ist, zumindest hier, oft doch nicht so schlau wie ein Mensch, erklärt Frank Pallas von der Technischen Universität Berlin.
"Je nachdem, wie der Mechanismus dann gestrickt ist, der Algorithmus, der dahinter dann steckt, kann es zum Beispiel darauf hinauslaufen, dass er nur bestimmte Noten erkennt. Und dann kann es durchaus passieren, dass die gleichen Noten oder sagen wir mal irgend so eine ähnliche Repräsentation erkannt wird – bei einer Gartenparty oder bei irgend einer Großveranstaltung, wo Musik gespielt wird – und dann kann so etwas passieren, dass ein Algorithmus erkennt, oh hier ist in der Tonspur ein Lied, für das Anspruche angemeldet wurden, und jetzt muss ich das mal blocken."
Deutlich weniger Probleme mit dem Einsatz von Uploadfiltern hat Gerhard Pfennig. Er ist Sprecher der Initiative Urheberecht. Diese vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von 140.000 Urhebern und ausübenden Künstler. Wichtiger als die Filter aber ist für Gerhard Pfennig dass die Richtlinie auf die großen Plattformen Druck ausübe. In Zukunft müssten mehr Werke als bisher lizensiert werden, dafür müssten die Plattformen dann auch deutlich mehr zahlen.
Laufen soll das über so genannte Verwertungsgesellschaften. Diese nehmen auch jetzt schon die Interessen von Urhebern wahr, sammeln Geld von den Verwendern urheberrechtlich geschützter Werke ein und verteilen es dann an die Urheber und Rechteinhaber. Verwertungsgesellschaften gibt es für viele Bereiche: Am bekanntesten ist die Gema, die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte". In ihr haben sich Komponisten, Textdichter aber auch Musikverleger zusammengeschlossen.
Die Internetseiten der Musikverwertungsgesellschaft Gema und YouTube
Mit Verwertungsgesellschaften wie der GEMA sollen Plattformen wie Youtube aus Sicht von Initiative-Urheberrecht-Sprecher Pfennig neue Lizenzverträge schließen (dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand )
Ansonsten gibt es Verwertungsgesellschaften - kurz VG aber auch für andere Bereiche: Es gibt die VG Wort, die VG Bildkunst, die VG der Film- und Fernsehproduzenten, eine VG für Werbefilme und noch viele mehr. Gerhard Pfennig, der Sprecher der Initiative Urheberecht:
"Verwertungsgesellschaften sind treuhänderische Einrichtungen, die sind in Deutschland lang bewährt, die stehen unter der Kontrolle des Deutschen Patent- und Markenamtes, die müssen ihre Finanzen offenlegen, sind nicht gewinnorientiert. Also das sind sozusagen Selbsthilfeorganisationen, die die Urheber sich selbst geschaffen haben, für die Zwecke, die sie dort wahrnehmen wollen."
Urheberrechtsanwalt ist skeptisch
Mit diesen Verwertungsgesellschaften sollen die Plattformen Lizenzverträge über von Nutzern hochgeladene Inhalte schließen, so stellt es sich jedenfalls Gerhard Pfennig vor.
Der Berliner Urheberrechtsanwalt Till Kreutzer ist sehr skeptisch, dass das tatsächlich funktioniert.
"Wenn das so funktionieren würde, dann wäre das möglicherweise im Sinne der Urheber. Aber das funktioniert so natürlich nicht. Es gibt nicht für jede Art von Inhalt eine Verwertungsgesellschaft, wo jetzt ein Plattformanbieter diese Rechte einholen könnte. Artikel 13 sieht auch keine Pflicht vor, diese Rechte über Verwertungsgesellschaften wahrnehmen zu lassen, sondern das wäre eine Option. Aber ob das so kommt oder nicht, das steht völlig in den Sternen."
Die Logos der US-Internetkonzerne Google (l-r), Amazon und Facebook sind auf dem Display eines iPhone zu sehen.
Große US-Anbieter können mit den Verwertungsgesellschaften verhandeln - aber was tun Betreiber kleinerer Internet-Plattformen? (Stefan Jaitner / dpa )
Abgesehen davon gibt es zwar für viele Bereiche, aber eben nicht für alle, eine Verwertungsgesellschaft. Und selbst wenn, viele von ihnen können die Rechte gar nicht flächendeckend geltend machen.
Außerdem: Sicher können Google, Facebook und Co. und auch andere große Plattformen mit den Verwertungsgesellschaften verhandeln. Viele kleinere Plattformen und vor allem kleinere Foren können das aber nicht, sie können sich letztendlich die Lizenzgebühren auch nicht leisten. Das befürchtet zumindest eine Initiative, in der sich die Betreiber und Administratoren von fast 400 Diskussionsforen zusammengeschlossen haben.
Auch Susanne Scho aus Dresden ist Teil dieser Initiative. Seit fast 15 Jahren, das ist deutlich länger als die dreijährige Ausnahmeregelung ist Scho die Administratorin von Nymphensittich-Forum.net. Hier tauschen sich Halter und Liebhaber dieser Papageienart aus. Etwa 7000 Mitglieder haben sich registriert, es nutzen weit mehr.
Jeden Post und Kommentar überprüfen?
"Also die meisten kommen ins Forum, weil sie Fragen oder Probleme mit ihren Nymphensittichen haben. Die gehen nicht zurück in die Voliere, oder die schreien, die beißen. Dann stellen die ihre Vögel vor und zeigen die mal: Hier das sind meine, so sehen die aus."
Vor Urheberrechtsverletzungen ist natürlich auch ein solch kleines Nischenforum nicht gefeit.
"Und da werden dann schon auch mal Bildchen gepostet, wo man sich fragen kann: Sind das die eigenen oder sind die von anderen Seiten. Und wir fragen dann in der Tat auch, und entfernen die, wenn das keine eigenen Bilder sind."
Jeden neuen Post oder Kommentar kann Susanne Scho nicht auf eine mögliche Urheberrechtsverletzung überprüfen. Zumal diese in der Regel nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Die Vogelliebhaberin sieht die geplante Urheberrechtsrichtlinie mit großer Sorge:
"Also im ersten Moment als ich erfahren habe, dass unser Forum betroffen ist, da war ich erst mal entsetzt."
Dann kamen die Fragen: Hafte ich jetzt selbst für jede Urheberrechtsverletzung? Müssen wir diese Uploadfilter einsetzen? Wie teuer sind die? Können wir uns das überhaupt leisten? Denn es gibt auf der Seite nur wenige bezahlte Anzeigen und die decken gerade mal die Serverkosten. Deshalb kommt auch der Erwerb kostenpflichtiger Lizenzen für Susanne Scho nicht in Frage. Zwar gibt es im Text der Urheberrechtsrichtlinie eine Angemessenheitsklausel, wonach unter anderem die Art der Plattform, ihre Größe und auch die Kosten für die Betreiber berücksichtigt werden sollen, wenn beurteilt wird, ob Plattformbetreiber ihre Verpflichtungen erfüllt haben. Die ist aber sehr vage. Wie viele Regelungen im Richtlinienentwurf. Das kritisiert auch der Berliner Urheberechtsanwalt Till Kreutzer.
"Für jeden, der jetzt kein großes Unternehmen hat, wo Juristen arbeiten, die sich in solche Dinge ganz tief eingraben können, und ermitteln können, was könnte das denn alles bedeuten, ist das wahnsinnig schwierig anzuwenden. Ich halte diese Reglung für absolut übertrieben komplex. Da gibt es die Ausnahme, der Ausnahme der Ausnahme. Und das noch zu überschauen ...., also Rechtssicherheit ist da ein absolutes Fremdwort und die wird es auch nicht geben. Über Jahre und Jahre wird es Rechtsstreitigkeiten geben, über die Frage, wie diese Reglungen auszulegen sind. Und das ist natürlich absolutes Gift für ein innovatives und dynamisches Internet."
"Das ist eine Lex Youtube"
Ein Beispiel: Es sollen nur Plattformen haften, deren Hauptzweck ist, dass "eine große Menge" urheberrechtlich geschützter Werke gespeichert und zugänglich ist. Was aber ist "eine große Menge"? Auch bei Susanne Scho dürfte sich in ihrem Forum über die Jahre einiges angesammelt haben. Sind hundert urheberrechtlich geschützte Fotos schon eine Menge? Oder tausend? Oder Millionen? Der Richtlinientext lässt das offen.
Das Problem liegt für Till Kreutzer darin, dass der Europäische Gesetzgeber hier nur Google und die Google-eigene Plattform Youtube vor Augen hatte.
"Das ist eine Lex Youtube. Die aber natürlich, wenn sie denn in Kraft treten sollte, auf ganz viele andere Arten von Diensten auch anwendbar wäre. Dieser Blick auf Youtube, der verstellt natürlich total den Blick auf die Realität. Youtube ist ein riesiges Unternehmen mit hunderten von Mitarbeitern, die können alles Mögliche leisten. Das ist auf andere Arten von Diensten und vor allem auch andere Betreiber von solchen Diensten überhaupt nicht übertragbar. Deshalb ist es eine ganz schlechte Idee, an einem einzigen Role Model, an einem einzigen Beispiel eine so generelle und einschränkende Regelung für das Internet zu machen."
Das Logo des Videoportals YouTube auf einem Smartphone 
Der besondere Blick auf Youtube durch den Europäischen Gesetzgeber verstellt aus Sicht von Urheberrechtsanwalt Kreutzer "total den Blick auf die Realität" (imago / ThomasTrutschel)
Das pikante an der Sache: Youtube verwendet bereits seit Jahren ein technisches Filtersystem, das die Zahl der Urheberrechtsverletzungen vermindern soll - es heißt Content ID. Kritiker befürchten, dass Google in dem Punkt sogar von der Urheberrechtsreform profitieren könnte. Eine Möglichkeit: Wenn Google die Software an kleinere Unternehmen verkaufen würde, die eine solche Software nicht selbst entwickeln können.
Wie Googles Content-ID-System funktioniert erklärt Ralf Bremer, der Pressesprecher des Unternehmens.
"Wir haben mit Content ID eine Technologie entwickelt, die Rechteinhaber in die Lage versetzt, ihre Inhalte auf Youtube selbst zu kontrollieren. Das funktioniert wie folgt: Wir können auf Basis eines sogenannten digitalen Fingerabdruckes feststellen, wenn urheberrechtlich geschütztes Material, also zum Beispiel Filme oder Musik, auf Youtube hochgeladen werden. Der Rechteinhaber hat dann drei Möglichkeiten: er kann den Inhalt dort belassen, er kann ihn sperren lassen und er kann ihn monetarisieren, also Werbung im Umfeld dieses Videos schalten."
Bisher allerdings ist Google nicht verpflichtet, ein solches System vorzuhalten. Und auch die Regeln dafür, wer das System nutzen kann und wie viel Geld dafür ausgeschüttet wird, legt im Wesentlichen Google selbst fest. Jahrelang hat das Unternehmen mit der Verwertungsgesellschaft für Musik, der GEMA, um ein faireres Vergütungssystem gestritten. Erst 2016 kam es zu einer Einigung. Wie genau die eigentlich aussieht, weiß keiner. Verschwiegenheit ist ein Teil des Deals.
"Kein Grund, zu sagen, das ganze System ist schlecht"
Ein grundsätzliches Problem bei Content ID und ähnlichen Filtersystemen: Sie funktionieren im Wesentlichen nur für Musik und Video. Und selbst dabei kommt es immer wieder zu Fehlern, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Inhalte werden geblockt, obwohl deren Verwendung eigentlich erlaubt war. Zwar heißt es ausdrücklich in der Richtlinie, dass sichergestellt sein muss, dass rechtmäßige Inhalte nicht geblockt werden. Das gilt insbesondere für erlaubte Nutzungen, wie Zitate, Satire und ähnliches. Technisch allerdings dürfte das schwer umzusetzen sein. Denjenigen, deren Inhalte zu Unrecht geblockt wurden, bleibt dann nichts weiter übrig, als sich bei der Plattform zu beschweren. Die Mitgliedsstaaten sollen deshalb künftig die Plattformen verpflichten, entsprechende Beschwerdekanäle einzurichten. Das gibt es auch schon heute, erläutert Gerhard Pfennig von der Initiative Urheberrecht.
"Wenn jetzt dieser Uploadfilter oder dieses technische Gerät verwechselt, dass ihr Bild nicht in einem kommerziellen Sinn hochgeladen wurde, sondern dass es ein Zitat ist, dann kriegen Sie das ja mit, weil es nicht mehr auf der Plattform steht. Dann können Sie der Plattform sagen, du hast zu Unrecht mein Bild runtergenommen und in einem Tag ist es wieder oben."
Ob das wirklich so schnell geht, ist allerdings mehr als fraglich. Aber Gerhard Pfennig meint auch: "Es sind ganz viele Sachen überhaupt nicht so relevant, wie sie jetzt gemacht werden. Das heißt, vielleicht ist es auch gar nicht so schade, wenn irgendwas aus Versehen verschwunden ist. Wenn es ihm wichtig ist, kann er es wieder hochladen. Und wenn es ihm nicht so wichtig ist, dann ist es vielleicht auch weg. Aber das ist eigentlich kein Grund, zu sagen, das ganze System ist schlecht."
Koalitionsstreit um die Filter
In die Schar jener, die etwaige Filter nicht ganz so entspannt sehen, hat sich jetzt auch überraschenderweise die CDU eingereiht.
Mitte März wurde ein Papier mit Vorschlägen für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht veröffentlicht. Es soll danach eine Art Pauschallizenz für alle hochgeladenen Inhalte eingeführt werden, für die die Plattformbetreiber dann auch zahlen müssen. Auf diese Weise sollen die Uploadfilter verhindert werden. Der Blogger und Journalist Sasche Lobo hält von dem Vorstoß gar nichts. Im MDR-Hörfunk sagte er vor wenigen Tagen:
"Das, was die CDU fordert, ist eine Augenwischerei. Ein trojanisches Pferd, möchte ich fast sagen. Das ist technisch aus meiner Sicht gar nicht möglich. Es ist nur, um Menschen zu beruhigen, die sich irgendwie wegen Uploadfiltern Sorgen gemacht haben. Ich glaube nicht, dass der Vorschlag durchdacht ist, er ist mit heißer Nadel gestrickt. Und er ist für sich genommen, technisch nicht möglich."
Die CDU solle auf europäischer Ebene gegen die Regelungen stimmen, fordert die SPD. Uploadfilter würden zudem gegen den Koalitionsvertrag der beiden Parteien verstoßen. Nächste Woche entscheidet das Europaparlament über Artikel 13. Viele, vor allem jugendliche Demonstranten, hoffen, dass das Gesetz nicht kommen wird.