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EU-Verfahren
"Es wird ziemlich eng werden für Google"

Mit der Wettbewerbsbeschwerde bekomme Google zu spüren, dass man den Internet-Konzern in Europa wirklich regulieren wolle, sagte der Buchautor Torsten Fricke ("Die Akte Google") im Deutschlandfunk. Das Unternehmen werde argumentieren, dass Google Shopping den Markt nicht behindere. Die Zahlen widersprächen dieser Darstellung allerdings.

Thorsten Fricke im Gespräch mit Sandra Schulz | 16.04.2015
    Das Google-Logo ist durch ein Brillenglas auf einem Bildschirm zu sehen.
    Im Visier der EU-Kommission: Der Google-Konzern (dpa / picture alliance / Martin Gerten)
    Dirk-Oliver Heckmann: Lange schon ist der EU-Kommission die alles beherrschende Marktmacht von Google suspekt. Nun hat sie die Gangart verschärft und hat ein offizielles Verfahren eingeleitet. Der Vorwurf: Wenn ein Nutzer ein Produkt über Google sucht, dann zeige ihm die Suchmaschine immer die eigenen Angebote ganz oben an. Torsten Fricke hat ein Buch mit dem Titel „Die Akte Google“ geschrieben und mit ihm hat meine Kollegin Sandra Schulz gesprochen. Sie wollte von ihm wissen, wie gefährlich der Vorstoß der EU-Kommission für Google ist.
    Torsten Fricke: Google merkt, glaube ich, dass es in Europa ein Umdenken gibt und dass die EU-Kommission jetzt wirklich ernst machen will, dass Google in Europa reguliert wird.
    Sandra Schulz: Was muss Google jetzt genau tun, um einer Strafe zu entgehen?
    Fricke: Google hat jetzt Zeit, erst mal Stellung zu nehmen. Google hat ja schon ein paar Hinweise gegeben, wie man argumentieren wird, nämlich dass Google-Shopping nicht den Markt behindert. Die Zahlen, die man allerdings sieht, widersprechen dem. Und Google wird versuchen, sicherlich viel Lobbying zu machen und wieder die alte Karte zu spielen, dass man doch für die Welt da ist, don’t be evil, dieses, was man auch schon in den letzten Jahren gesagt hat. Aber ich glaube, es wird diesmal ziemlich eng werden für Google.
    "Google hat ein hervorragendes Produkt gemacht"
    Schulz: Es geht auch um die Dominanz des Betriebssystems Android. Was genau ist da das Problem?
    Fricke: Google ist ja überall. Das ist ja das Problem, dass Google in den Handys ist, in den Mobile Devices, dass es die Suche dominiert, dass es bei YouTube ist, dass es GMail-Konten anbietet. Das heißt, der einzelne Service ist vielleicht noch nicht mal das Problem, aber die Masse, die Summe ist es, dass man seine gesamten Daten als Verbraucher bei einem Konzern ablagert und der tiefste Einblicke hat in das Wesen des Menschen und daraus Profile entwickeln kann.
    Schulz: Warum gehen die Nutzer denn nicht auf andere Suchmaschinen?
    Fricke: Google hat es verstanden, ein hervorragendes Produkt zu machen. Es gab ja andere Suchmaschinen ganz am Anfang. Google ist gar nicht der Erfinder der Suchmaschine. Aber sie haben sie sehr, sehr schnell gemacht und sie haben ein anderes Geschäftsmodell. Sie haben gesagt, wir wollen erst mal sozusagen Masse machen, wir wollen erst mal den Markt dafür begeistern und dann schauen, wie wir damit Geld verdienen, und diese Strategie ist aufgegangen. Google hat in Europa einen Marktanteil von über 90 Prozent. In Deutschland ist es sogar noch mehr. Das heißt, das Produkt ist natürlich hervorragend. Aber Google ist wie Zucker. Es ist sehr süß, also sehr, sehr gut, aber leider in der Masse nicht unbedingt zu empfehlen.
    "Das sind die ersten Gefechte"
    Margrethe Vestager, neue EU-Wettbewerbskommissarin
    Margrethe Vestager, neue EU-Wettbewerbskommissarin (dpa / picture alliance / Jens Noergaard Larsen)
    Schulz: Und wenn wir jetzt unterstellen oder vielleicht hoffen, dass Google das macht, was die Kommission hier fordert, was konkret wäre denn dann gewonnen für den Verbraucher?
    Fricke: Ich glaube, das sind natürlich die ersten Gefechte, die es hier gibt wegen der Marktmacht von Google. Es geht ja unter anderem, Sie hatten das schon gesagt, um das Betriebssystem, aber auch um Google Shopping. Das sind natürlich nur kleine Bereiche. Grundsätzlich, muss man einfach sagen, ist Google ein Problem aufgrund der großen Marktdominanz und weil sie mit dieser Dominanz ihre anderen Geschäftsfelder vorantreiben können, und deshalb glaube ich nicht, dass dieses Verfahren die letzte Lösung ist, sondern dass man noch sicherlich mehr machen muss.
    Man muss auch, glaube ich, mal sehen, dass Google, was Google immer wieder bestreitet, ein großes Medienunternehmen ist. Google transportiert Nachrichten, Videos und ist damit das größte Medienunternehmen in Deutschland, muss sich aber nicht an die Regeln halten, an die sich deutsche Medienunternehmen halten müssen, und ich glaube, das ist zum Beispiel ein Grundfehler. Es ist irgendwie auch nicht nachvollziehbar, wieso ich im Fernsehen bestimmte Bilder nicht sehen kann und sie dann aber auf YouTube anschauen kann und warum bestimmte Rechte geschützt werden von Menschen, sie aber auf Google-Plattformen nicht geschützt werden, obwohl das doch die gleichen, sage ich mal, Endkonsumenten sind, eben die Verbraucher zum Beispiel in Deutschland.
    Schulz: Das heißt aber: An der Datensammelei - und das ist, wenn ich es richtig verstanden habe, ja auch Ihr Hauptvorwurf an Google -, daran wird sich auch mit diesem Wettbewerbsverfahren erst mal nichts ändern?
    Fricke: Nein. Da geht es jetzt ja nur um Google Shopping. Im Prinzip hat Google ein Vergleichsportal aufgebaut, hat das selber angeboten, zunächst kostenlos, dann die Daumenschrauben angezogen, und präsentiert das besser als die Konkurrenz. Es gibt auch deutsche Unternehmen wie zum Beispiel Ladenzeile.de. Google hat natürlich die Möglichkeit, dadurch, dass es ja der Eigentümer der Suchmaschine ist, dieses alles besser darzustellen, mit Fotos darzustellen und damit natürlich die Klickzahlen zu erhöhen. Google macht das allerdings erst bei ein paar Produkten, also noch nicht bei allen. Deshalb kann auch Google jetzt durch die Gegend rennen und sagen, man habe doch den Markt noch gar nicht gedreht. Das ist sicherlich richtig. Man hat gerade erst angefangen, ihn zu drehen, und so wie man Google kennt, wird das am Ende auch erfolgreich sein, wenn nicht die Politik hier auch mal die Regeln klar setzt.
    Ich glaube, wir bewegen uns in einer Welt wie damals im Mittelalter, als jemand eine Brücke hatte, und Google ist im Prinzip diese Brücke und Google bestimmt, wer über diese Brücke darf, sozusagen zu neuen Ufern, wie viel man dafür bezahlen muss und in welcher Reihenfolge man über diese Brücke marschieren kann. Google hat da eine unheimliche Macht, die sie sich natürlich auch, das muss man auch sagen, selbst erarbeitet haben.
    Heckmann: Torsten Fricke war das, Autor des Buchs "Die Akte Google". Die Fragen stellte meine Kollegin Sandra Schulz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Tweet: Jetzt im Interview zum EU-Verfahren gegen #Google: Der Autor Thorsten Fricke ("Die Akte Google"): http://srv.deutschlandradio.de/themes/dradio/script/aod/index.html?audioMode=2&audioID=4
    Das Gespräch können Sie in Kürze hier nachlesen