Freitag, 19. April 2024

Archiv

EU-Verkehrskommissarin zur Maut
"Auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf"

Die neue EU-Verkehrskommissarin Violetta Bulc ist mit den bisherigen Entwürfen der deutschen Pkw-Maut noch nicht zufrieden - Hauptkritikpunkt ist immer noch die Gleichbehandlung von Fahrern aus dem In- und Ausland. Deswegen spricht sie heute mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt - allerdings reist sie mit begrenztem Handlungsspielraum an.

Von Jörg Münchenberg | 27.01.2015
    Die slowenische Kandidatin für die EU-Kommission, Violeta Bulc, am 18. September 2014.
    EU-Verkehrskommissarin Violetta Bulc. (Jure Makovek / dpa)
    Es ist ihre erste offizielle Reise als EU-Verkehrskommissarin nach Berlin. Und Violetta Bulc stehen heute in Deutschland schwierige Gespräche mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt bevor - seit Monaten sorgt die geplante Einführung der Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen für erhebliche Dissonanzen zwischen Berlin und Brüssel. Also übt sie sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erst einmal in Zweckoptimismus:
    "Ich freue mich sehr auf diesen Besuch. Denn Deutschland ist sehr wichtiger Partner bei der Umsetzung der Vision von einem einheitlichen europäischen Transportsektor. Deshalb hoffe ich jetzt sehr auf konstruktive Gespräche, wie wir dieses Ziel gemeinsam umsetzen können".
    Doch erst einmal muss sich die Kommissarin mit dem nationalen verkehrspolitischen "Kleinklein" auseinandersetzen. Das Bundeskabinett hat bereits die Mautpläne von Dobrindt verabschiedet: Der Verkehrsminister will ab 2016 eine Pkw-Maut einführen. Deutsche Autofahrer sollen jedoch nicht belastet werden.
    Deshalb soll es gleichzeitig eine Reform der Kfz-Steuer geben, bei der in Deutschland gemeldete Autohalter in Höhe der geplanten Maut entlastet werden sollen. Über die Aufspaltung in zwei Gesetze versucht Dobrindt, den Vorwurf der Ausländerdiskriminierung zu entkräften. Doch Bulc ist nach wie vor nicht überzeugt. Aus Sicht der Kommission gibt es bei den deutschen Plänen weiterhin zwei heikle Punkte:
    "Ein Punkt ist, dass die Pkw-Halter gleich behandelt werden müssen, egal, ob sie aus Deutschland oder dem Ausland kommen. Und der andere Punkt, auf den wir achten werden, sind die Preise, die für Kurz- und Langzeitvignetten verlangt werden. Diese Preise müssen verhältnismäßig sein."
    Doch nach Meinung einiger Kritiker kann davon bei den Dobrindt-Plänen keine Rede sein. So soll eine Kurzzeitvignette, die natürlich besonders für Ausländer infrage kommen dürfte, 10 Euro für zehn Tage oder 22 Euro für zwei Monate kosten. Der Preis der Jahresvignette liegt je nach Hubraum und Umweltverträglichkeit des Autos zwischen 24 bis 130 Euro.
    Appell an Dobrindt
    Offiziell hat die EU-Kommission noch keine Stellung bezogen - sie wolle erst einmal den Gesetzgebungsprozess abwarten, sagt die Slowenin im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, doch die Unzufriedenheit ist unüberhörbar.
    "Wir kennen jetzt den Gesetzesentwurf. Und demnach gibt es in jedem Fall noch Verbesserungsbedarf. Wir sind da in einem permanenten Dialog mit Deutschland. Wir haben auch rechtliche Hilfen angeboten von unseren Rechtsdiensten. Deshalb bin ich jetzt sehr gespannt auf das Gespräch mit Minister Dobrindt, um mehr über seine aktuelle Position zu erfahren".
    Gleichzeitig ist auch der Handlungsspielraum von Bulc begrenzt. Denn die EU-Kommission ist Hüterin der Verträge. Sollte sie am Ende die Mautpläne für unvereinbar mit europäischem Recht einstufen, wäre ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischem Gerichtshof unausweichlich. Und so wird sie auch heute an Dobrindt weiter appellieren, seine Pläne noch einmal zu überarbeiten:
    "Wir sind alle Mitglieder der europäischen Familie. Und wir haben alle das gemeinsame Interesse, dass die geltenden Verträge eingehalten werden. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir eine Lösung selbst in diesem Fall finden werden. Dass wir uns alle regelkonform verhalten".
    Alternativ hat die EU-Verkehrskommissarin jetzt die Einführung einer Maut für ganz Europa vorgeschlagen. Eine Vision, räumt sie ein, schließlich gibt es längst in vielen EU-Mitgliedsstaaten völlig unterschiedliche Mautsysteme, die dann entsprechend angepasst oder integriert werden müssten.
    Langfristig könnte eine solche Regelung, sofern sie denn umsetzbar ist, auch den Streit um die national erhobenen Straßenbenutzungsgebühren endgültig lösen. Bei dem schwelenden Konflikt mit der deutschen Pkw-Maut aber helfen solche Gedankenspiele wenig weiter - hier wird die Slowenin am Ende klar Position beziehen müssen.