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EU-Verordnung
Lebensmittelhersteller sollen sich an Kontrollkosten beteiligen

Mit einer neuen Verordnung will die EU-Kommission Lebensmittelhersteller an den Kosten für Kontrollen beteiligen. Über dieses Vorhaben diskutiert auch der Verband der Lebensmittelchemiker auf seiner Jahrestagung in Saarbrücken. Grundsätzlich stimmen die rund 1.000 Teilnehmer den Plänen zu, Kritik gibt es allerdings an der Umsetzung.

Von Tonia Koch | 10.10.2014
    Die Idee, die Lebensmittelkontrolle auf europäischer Ebene zu stärken, findet unter den etwa 1.000 Lebensmittelchemikern, die allein in öffentlichen Verwaltungen in Deutschland Dienst tun, ungeteilte Zustimmung. Probleme ergeben sich nach Auffassung der Experten lediglich über den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
    Die EU plant, die Lebensmittelüberwachung künftig über Gebühren zu finanzieren, die von den geprüften Unternehmen und Betrieben zu entrichten sind. Und überall da, wo in der EU bislang noch keine wirksamen Kontrollmechanismen aufgebaut seien, dürfe dieser Weg auch nicht verworfen werden, argumentiert der Bundesverband der Lebensmittelchemiker.
    In Deutschland allerdings werde ein Gebührensystem an dieser Stelle ihr Ziel verfehlen, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Birgit Bienzle.
    "Die Idee mit der Gebührenerhebung hat ihren Charme. Aber wenn man es sich durchdenkt bis zum Schluss, dann wird es am Ende so sein, dass man keinen Kontrolleur mehr einstellen kann."
    Birgt Bienzle ist davon überzeugt, dass die Behörden ihre Haushaltsansätze anpassen werden und das Aufkommen aus den Gebühren - sofern es sich überhaupt erzielen lässt - nicht dafür einsetzten werden, die Lebensmittelkontrolle personell zu stärken.
    "Wir sagen, dass der Aufwand für die Gebühren immens hoch ist und dass die Gebühreneinnahmen im Endeffekt gar nicht so hoch sind, dass tatsächlich sehr viel Kontrollpersonal oder -ressourcen rausspringen. Weil die Verordnung, so wie sie jetzt da steht, sehr viele Ausnahmen vorsieht, für Kleinbetriebe oder bestimmte Betriebskategorien, das ist eine Milchmädchenrechnung."
    Überdies sei es ungerecht, nur die großen Hersteller zu belasten. Augenblicklich wird auf europäischer Ebene darüber diskutiert, zum Beispiel Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern oder mit weniger als 2 Millionen Euro Umsatz im Jahr von der Gebührenpflicht zu befreien.
    Kein festgelegter Turnus
    Darüber hinaus folge die Lebensmittelkontrolle keinem festgelegten Turnus wie etwa der TÜV, der Autos in regelmäßigen Abständen begutachtet. Die Frage, wie oft ein Produzent von Lebensmitteln, Verpackungen oder Kosmetika überprüft werde, hänge vielmehr davon ab, wie hoch sein Risiko eingeschätzt werde, so Bienzle.
    "Nicht jedes Produkt wird flächendeckend untersucht. Nicht jeder Betrieb wird jährlich regelmäßig überprüft, sondern es gibt Betriebe, die teilt man ein in ein hohes Risiko.
    Zum Beispiel die fleischverarbeitenden Betriebe oder Betriebe, die Produkte herstellen, die sehr leicht verderblich sind, werden viel häufiger untersucht, als der Getränkemarkt um die Ecke, der möglicherweise nur alle 3-5 Jahre kontrolliert wird."
    Nadel im Heuhaufen
    Zuweilen suchten die Chemiker auch die Nadel im Heuhaufen. Und bei der heutigen Vernetzung der globalen Strukturen sei der kontrollierte Betrieb nicht immer dafür verantwortlich zu machen, dass sein Produkt belastet sei, ergänzt Detmar Lehmann.
    "Wir nehmen diese Sprossengeschichte. Was ist da für ein Aufwand betrieben worden bis überhaupt herauskam, dass es die Sprossen waren.
    Wer soll denn da zur Kasse gebeten werden, die ganzen Betriebe, die in Verdacht geraten sind, die Betriebe, die damals Gurken importiert haben, die dann in Verdacht geraten sind, dass sie kontaminiert waren? Und dann ist endlich ein Betrieb gefunden worden, in dem es passiert ist."
    Besserer Verbraucherschutz
    Lehmann arbeitet als Lebensmittelchemiker im hessischen Landeslabor. Dorthin gehen zum Beispiel die Proben der Lebensmittelkontrolleure, die vor Ort tätig sind.
    In aller Regel verfügen die Kontrolleure über keinen chemischen Sachverstand. Der aber sei nötig, um die immer komplexer werdenden Produktionsmethoden nachzuvollziehen. Lehmann plädiert daher für mehr Chemiker in den Reihen der Kontrolleure vor Ort.
    "Sie sind dann als Verbraucher besser geschützt."