Fotograf Danny Lyon

"Goebbels hätte Facebook geliebt"

Nahaufnahme eines alten Fotoapparates der Marke Agfa
Eine alte Kamera © imago/CHROMORANGE
Moderation: Stephan Karkowsky · 15.09.2017
Anfang der 1960er-Jahre fotografiert Danny Lyon die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die Unterdrückten der Gesellschaft werden zu seinem Lebensthema. Seine Arbeit soll Menschen zum Nachdenken anregen. Denn darin liege das Wesen der Demokratie.
Sein Vater wurde in Saarbrücken geboren, migrierte in die USA und fotografiert. Und auch der Sohn beginnt mit 20 Jahren die Welt um ihn herum festzuhalten.
"Da habe ich sozusagen das Fortgesetzt, was er angefangen hat."
Als Student an der University of Chicago ist Lyon dabei, als im Jahr 1963 die Bürgerrechtsbewegung in den USA auf die Straßen geht. Er wird – aus heutiger Sicht – zu einem ihrer wichtigsten Chronisten.
"Ich habe mich immer mit denen identifiziert, die sich auflehnen, die rebellieren. Das waren damals die Afro-Amerikaner. Im Englischen haben wir sie Black People, also Schwarze genannt. Aber die waren unterdrückt. Und damit habe ich mich identifiziert, mit diesem Aufruhr."
Später hat er dokumentiert, wie in New York alte Häuser verschwanden und die Stadt sich wandelte. Danny Lyon spricht von Zerstörung.

"Die Deutschen würden sowas wohl eher nicht tun."

"Dieses aufrührerisches, dies rebellische, das hat mich immer sehr interessiert. Ich habe mich immer auf die Seite derer geschlagen, die unterdrückt werden. Und ich habe mich für die Zerstörung der Kultur interessiert, weil die Amerikaner manchmal dumm und kulturlos sind und einfach Häuser abreißen. Die Deutschen würden sowas wohl eher nicht tun."
Dann Mitte der 1960er schließt er sich in Chicago einer Motorradgang an. "The Bikeriders" entsteht lange bevor der Film "Easy Rider" die motorradfahrenden Unangepassten der USA portraitiert und zum Mainstream macht.
Lyon dreht 1969 seinen ersten Dokumentarfilm "Soc. Sci. 127", ein Portrait des texanischen Tätowierers Bill Sanders.
Man könnte bei Danny Lyon vom Prototyp des "New Journalist" sprechen; einem, der immer dabei ist, und auch persönliche Freundschaften zu den Porträtierten entwickelt. Eine Arbeitsweise, die zeitaufwendig ist und auch finanziert werden muss.
"Ich bin damals überhaupt nicht bezahlt worden. Nichts von dem was ich getan habe ist in irgendeiner Form vorfinanziert worden. Aber als Künstler ist man auch irgendwo Fanatiker. Man hängt einer Sache an und tut sie."
In den 1960er-Jahren gehörte er dem Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC, ausgesprochen oft als "snick") an, die seine Arbeit mit 30 Dollar die Woche finanzieren. Auch ein kleines staatliches Stipendium sichert Lyon das Überleben. Sich von irgendwo vorfinanzieren lassen, hätte bedeutet, die Kontrolle über das eigene Werk aufzugeben. Das wollte Lyon nicht.
"Eigentlich hab ich dann einfach meine Bücher verkauft. Und dann kamen vielleicht 3.000 bis 4.000 Dollar zusammen. Und so habe ich jedes neue Buch mit den Einkünften aus dem vorhergegangenen Buch bezahlt."

Botschaft an die Zukunft

Sein neues Buch heißt genau wie die Ausstellung "Message to the Future" – Botschaft an die Zukunft.
"Der Titel entspricht in etwa dem, wie ich vor 50 Jahren gedacht habe. Natürlich hatte man damals ein Bewusstsein an die Zukunft mitzudenken. Aber ich wollte mich ja auch von gewissen Medien damals abgrenzen in meiner Arbeit. Also diese Hochglanzmagazine wie Life Magazine oder Look Magazine die habe ich wirklich gehasst, weil sie für mich für eine Form von Nachrichten stehen, die man heute als Fake News oder als Bullshit bezeichnen würde."
Er wollte immer zum Nachdenken anregen, das Bewusstsein der Menschen, die die Bilder sehen verändern. Denn darin sieht Lyon das Wesen der Demokratie, im Nachdenken.
"Wenn ich damals als junger Mensch dachte, dass CBS oder Life Magazine der Feind sind, dann kann ich heute nur noch müde lächeln, wenn ich an Google oder an Facebook denken. Das ist Beispiellos in der Geschichte der Menschheit, was sich da für Macht konzentriert hat. Goebbels hätte Facebook geliebt – als Propagandaminister. Er hatte ja damals nur das Radio zur Verfügung."

"Ich glaube nur meiner eigenen Erfahrung"

Zwei Milliarden Menschen seien heute bei Facebook, und er, der den Konzern zum Feind erkläre, werde als alter verrückter Mann abgestempelt. Die echten Probleme allerdings seien das hier und heute. Und das sei die Zukunft.
"Ich glaube nur meiner eigenen Erfahrung und ich glaube auch nur dem, was mir Menschen erzählen, wenn ich sie sehe. Ich glaube nicht unbedingt das, was ich im Fernsehen sehe. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es zwei Amerikas gibt. Und eines der Amerikas ist eben wie so eine Luftblase in der es nur Illusionen gibt, in der eine Welt vorgegaukelt wird, die nicht Real ist. Und das Fernsehen propagiert diese Welt der Luftblasen."
Und nun sei der amerikanische Präsident jemand, der an diese Welt glaubt und sie für real hält.
"Das ist ein Verrückter, der an eine Illusion glaubt."

"Es ist echt nicht meine Schuld."

Danny Lyon ist das aktuelle Amerika und seine Führung peinlich. Er hofft, das Land werde die kommenden dreieinhalb Jahre heil überstehen.
"Ich möchte mich hier ganz persönlich als Amerikaner dafür entschuldigen, dass wir so einen Mann in so einer hohen Position haben. Aber es ist echt nicht meine Schuld."

Heute Abend eröffnet im C/O Berlin im Amerikahaus die Ausstellung "Message to the Future" mit Fotografien des amerikanischen Fotografen Danny Lyon. Am 17. September werden im C/O Berlin zwei von Danny Lyons Dokumentarfilmen gezeigt.

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