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Eucharistiefeier als Provokation

1998 gaben sie ihr Priesteramt auf, um ihre Liebe offiziell leben zu können. Seither sind Christoph Schmidt und Norbert Reicherts "freiberufliche katholische Priester". Ende Mai wollen sie mit Protestanten, Geschiedenen und Homosexuellen anlässlich des Katholikentages das Abendmahl feiern - sehr zum Missfallen des Ex-Arbeitgebers.

Von Nadine Lindner | 11.05.2012
    Die Glocken des Kölner Doms - das dritthöchste Kirchengebäude der Welt, Anziehungspunkt für Tausende Touristen. Mittelpunkt des größten katholischen Bistums in Deutschland. Köln und der Katholizismus gehören eng zusammen.

    In Köln-Ostheim, einem Stadtteil auf der anderen Rheinseite, ist von den Domspitzen nichts mehr zu sehen. Hier arbeiten Christoph Schmidt und Norbert Reicherts. Zwei homosexuelle katholische Priester. Nein, Ex-Priester. Sie haben in einem Einfamilienhaus ein Seelsorgezentrum eingerichtet, es heißt "Lichtblicke der Seele".

    Schmidt und Reicherts taufen, trauen, beerdigen in Eigenregie und feiern, gegen das Verbot der Amtskirche, Gottesdienste.

    "Wir sind hier in der Kapelle, die Norbert und ich und viele Freunde mit Unterstützung aus einem alten Schuppen gebaut haben. Mit einem Kreis von Stühlen und auch der Möglichkeit, zu hocken. Auf dem Boden zu hocken."

    In der Hand von Christoph Schmidt vibriert die Klangschale mit einem langen Ton. In der improvisierten Altarecke steht auf dem Boden auch ein Weihrauchfass. Ein Relikt katholischer Gottesdiensttradition, auf das der ehemalige Priester nicht verzichten will. Wie vieles hier ist auch dies ein Spiel zwischen dem Aufgreifen, Umdeuten und Verwerfen katholischer Traditionen. Da steht die klassische Marienstatue neben einem Ölbild, das Maria als nach Befreiung suchende Frau zeigt. Reicherts hat es selbst gemalt.

    Christoph Schmidt und Norbert Reicherts sind beide Ende vierzig, sie tragen Jeans und Kapuzenpullover. Ende der 80er-Jahre wurden sie zu Priestern geweiht und haben im Ruhrgebiet als Kaplan und Pfarrer gearbeitet. Doch schon bei der Priesterweihe war ihnen klar, dass sie schwul sind.

    1998 legen sie ihr Priesteramt nieder – da sind sie längst ein Paar. Seit sechs Jahren sind Reicherts und Schmidt verheiratet. Norbert Reicherts:

    "Dadurch, dass es so ist, dass man mit der Priesterweihe Priester immer ist, das kann einem nicht genommen werden, haben wir uns jetzt überlegt, wie können wir unsere Arbeit so benennen, dass deutlich wird, dass wir eben nicht innerhalb der katholischen Kirche arbeiten."

    Deshalb nennen sie sich jetzt "freiberufliche katholische Priester" und wissen doch: dass sie damit gegen das offizielle Rechtsverständnis der katholischen Kirche handeln.

    "Das ist eine Grauzone, in der wir uns bewegen. Sehr."

    Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeitet Christoph Schmidt im Sozialdienst eines Hospizes, Norbert Reicherts betreut psychisch Kranke. Viele ihrer Gottesdienstbesucher seien kirchlich sozialisiert, könnten sich aber mit den fest gefügten Riten der katholischen Kirche nicht mehr identifizieren, erzählt Reicherts. Sie suchten nach Spiritualität und dem Gefühl, angenommen zu sein – auch wenn sie nicht dem Moralkodex der katholischen Kirche entsprechen.

    "Wir sagen, dass Gott einlädt. Und jeder Mensch, der eingeladen ist, der hat hier die Möglichkeit, da zu sein und sich einladen zu lassen."

    Einladen wollen Schmidt und Reicherts vor allem zur Eucharistiefeier, dem Abendmahl. Mitte Mai – pünktlich zum Katholikentag in Mannheim - werden die beiden schwulen Theologen gemeinsam mit evangelischen Christen, geschiedenen Wiederverheirateten und homosexuell liebenden Menschen das Abendmahl feiern. Eine bewusste Provokation, denn eingeladen sind genau diejenigen, die nach dem Verständnis der katholischen Amtskirche nicht an der Eucharistie teilnehmen dürfen.

    "Die Seele dieser Menschen ist aber tief gekränkt."

    Gegen dieses Ausgeschlossensein wollen die beiden schwulen Priester etwas tun.

    "Die Eucharistiefeier ist das Zentrum des katholischen Glaubens. Weil in ihr, wie in einem Brennglas zusammengefasst ist, worum es im katholischen Glauben und dem katholischen Gläubigen geht","

    betont Christoph Heckeley, Pressesprecher beim Erzbistum Köln. Er bezeichnet die Einladung des homosexuellen Paars zur Eucharistiefeier als Sünde.

    ""Der Ausdruck dieser Gemeinschaft ist ja, dass man sich um einen Tisch versammelt. Und jetzt, um in dem Bild zu bleiben, gehen da zwei hin und machen ihren Nebentisch auf. Wenn Sie dem Begriff Sünde auf den Grund gehen, dann kommt der von Absonderung, sich absondern. In diesem ganz ursprünglichen Sinne liegt auf der Hand, dass das eine Sünde ist."

    Der Pressesprecher des Erzbistums würde am liebsten gar nichts über sie sagen, um sie nicht noch bekannter zu machen. Und doch erschien vergangenen Oktober im Amtsblatt des Bistums eine Warnung, die sich explizit auf Schmidt und Reicherts bezog.

    "Besonders die Feier der Eucharistie ist das Sakrament der Einheit. Sollte sie zelebriert werden, ohne Gemeinschaft mit dem Papst und dem Ortsbischof, wird damit die Einheit der Kirche massiv angegriffen."

    Christoph Heckeley sieht in dem Warnhinweis nichts Ungewöhnliches. Dass die beiden suspendierten Priester ausgerechnet im Umfeld des Deutschen Katholikentages zum Abendmahl einladen, ärgert ihn.

    "Was allerdings auch auffällt, ist, dass die beiden offenbar immer solche katholischen Großereignisse suchen und dann im Windschatten solcher Veranstaltungen dann auch die Aufmerksamkeit auf ihre Veranstaltungen lenken wollen."

    Das sei eine unerlaubte Eucharistiefeier, die mit der katholischen Kirche nichts zu tun habe, so Heckeley.

    In Köln-Ostheim werden unterdessen die Einladungskarten für die umstrittene Abendmahlsfeier gedruckt. Ja, sagt Christoph Schmidt, der Termin während des Katholikentags sei bewusst gewählt. Eine Provokation soll es sein – eine Sünde aber sehen die beiden ehemaligen Priester darin nicht.