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Eugen d'Albert
Ein europäischer Musiker

Der Komponist Eugen d'Albert wurde vor 1864 in Glasgow geboren. Seine familiären Wurzeln führen nach Italien, Frankreich, England und Deutschland. Passend verbindet er in seinen Werken verschiedene europäische Musikströmungen. Auf der CD vom MDR-Sinfonieorchester ist das exemplarisch nachvollziehbar.

Von Jochen Hubmacher | 25.05.2014
    Der Komponist und Pianist Eugen d'Albert in einer zeitgenössischen Aufnahme.
    Und in der Tat "wagnert" es in den frühen Werken von Eugen d'Albert ganz gewaltig. (picture-alliance / dpa )
    Viele Millionen Menschen wählen heute das Europäische Parlament. Was würde wohl der Pianist und Komponist Eugen d'Albert von diesem Europa halten. Denn der wurde vor 150 Jahren quasi als "Muster-Europäer" geboren - 1864 in Glasgow. Seine familiären Wurzeln führen nach Italien, Frankreich, England und Deutschland.
    Einige Musiker befinden sich unter seinen Vorfahren. Etwa Domenico Alberti, dessen Alberti-Bässe den meisten Klavierschülern schon einmal in der linken Hand begegnet sein dürften.
    Eugen d'Albert verbindet in seinen Kompositionen verschiedene europäische Musikströmungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Exemplarisch nachvollziehbar wird das auf einer kürzlich beim Label Naxos erschienenen CD mit dem MDR Sinfonieorchester aus Leipzig unter der Leitung von Jun Märkl.
    Musik
    aus: Ouvertüre zur Oper "Der Rubin"
    K: Eugen d'Albert
    Track 4
    Ein Ausschnitt aus der Ouvertüre zu "Der Rubin", der ersten Oper von Eugen d'Albert, 1893 in Karlsruhe uraufgeführt. Diese Musik funkelt und glänzt, dem Sujet durchaus angemessen. Eine märchenhafte Geschichte um einen armen Fischersohn, der zunächst eine Prinzessin von einem Fluch befreit und schließlich zum Kalifen von Bagdad aufsteigt.
    20 weitere Opern sollten folgen. Darunter auch der Verismo-Welterfolg "Tiefland". Eugen d'Alberts Karriere als Komponist war bereits eine überaus beeindruckende Laufbahn als Pianist vorausgegangen. Franz Liszt, der den jungen d'Albert einst unter seine Fittiche genommen hatte, sprach ehrfurchtsvoll von seinem Schüler als "Albertus Magnus". Und Ferruccio Busoni, selbst ein begnadeter Klavier-Virtuose, zählte Eugen d'Albert zu den bedeutendsten Pianisten seiner Zeit.
    Karrierewechsel vom Pianisten hin zum Komponisten
    Den Karrierewechsel des geschätzten Klavierkollegen hin zum Komponisten betrachtete Busoni allerdings skeptisch, für ihn mutierte d'Albert zu sehr zum "d'Alberich". Und in der Tat "wagnert" es in den frühen Werken von Eugen d'Albert ganz gewaltig. Anklänge an Richard Wagners "Tannhäuser" oder "Lohengrin", sind unüberhörbar. Und da sind wir gleich bei dem Punkt, der dem Komponisten Eugen d'Albert immer wieder vorgeworfen wurde. Er habe keine eigene musikalische Handschrift, sondern bringe lediglich verschiedenste Einflüsse zusammen - ein bisschen Wagner hier, ein wenig Debussy da, dazu noch eine Prise Strawinsky.
    Komplett aus der Luft gegriffen ist die Kritik nicht. Doch wie d'Albert die verschiedenen Spielarten europäischer Kunstmusik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts miteinander verknüpft, das ist meisterlich. Etwa in seiner "Aschenputtel"-Orchestersuite aus dem Jahr 1924. Klingt der Moment, wenn die Tauben herbeikommen, um die Erbsen und Linsen aus der Asche herauszupicken nicht, als würden Strawinskys Feuervogel und Debussys Faun gleich noch mitanpacken?
    Musik
    aus: Aschenputtel Suite, op. 38
    K: Eugen d'Albert
    "Täubchen in der Asche"
    Track 7
    Aufnahme des MDR-Sinfonieorchesters
    Die jetzt bei Naxos erschienene Aufnahme des MDR-Sinfonieorchesters entstand 2011 noch unter der Ägide des damaligen Chefdirigenten Jun Märkl. Als einstiger Generalmusikdirektor in Saarbrücken und Mannheim brachte Märkl reichlich Opernerfahrung mit und das konnte der Beschäftigung mit Eugen d'Alberts Werken nur guttun.
    Denn das theatralische Element spielt darin, insbesondere bei den Ouvertüren, eine wichtige Rolle. Die Musik ist stets farbenreich und süffig, mitunter fein und zerbrechlich, aber auch ohne Angst vor der großen Geste. Ein vielschichtiger Klangkosmos, in dem sich Jun Märkl und die Rundfunkmusiker aus Leipzig technisch sauber und mit hörbarer Lust an der Detailarbeit bewegen. Bestechend die Piano-Kultur des MDR-Sinfonieorchesters.
    Musik
    aus: Vorspiel zur Oper "Die toten Augen"
    K: Eugen d'Albert
    Track 2
    Ein Eifersuchtsdrama steht im Mittelpunkt der 1916 in Dresden uraufgeführten Oper "Die toten Augen". Den Anfang des Vorspiels haben wir gerade gehört. Mit dem Sujet dürfte der Komponist Eugen d'Albert aus eigener Erfahrung vermutlich bestens vertraut gewesen sein. Insgesamt sechs Mal war er verheiratet. Ende des 19. Jahrhunderts stürmische drei Jahre lang mit der damals weltberühmten venezolanischen Pianistin Teresa Carreño.
    Mit deren Nachfolgerin, der Sängerin Hermine Finck, hielt es Eugen d'Albert am längsten aus oder sie mit ihm, je nach Perspektive. Und für die Sopranistin schrieb er 1897 während eines Sommerurlaubs am Starnberger See auch die Konzertszene "Das Seejungfräulein" nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Als Eugen d'Albert 1932 im lettischen Riga verstarb, war er übrigens gerade dabei, sich von Ehefrau Nummer sechs scheiden zu lassen.
    Musik
    aus: "Das Meerjungfräulein" für Sopran und Orchester
    K: Eugen d'Albert
    Track 11
    Die litauische Sopranistin Viktorija Kaminskaite singt Eugen d'Alberts "Meerjungfräulein" stimmlich weitgehend solide, in den Höhen muss sie jedoch häufig forcieren, was sich negativ auf die Intonation auswirkt. Und ohne den im CD-Booklet abgedruckten Text, stünde der, der die Geschichte um die unglücklich verliebte Wassernixe nicht kennt, etwas im Wald.
    Dennoch: Die jetzt beim Label Naxos erschienene CD mit dem MDR-Sinfonieorchester unter Jun Märkl unterstreicht eindrucksvoll, dass es außer "Tiefland", beim Komponisten Eugen d'Albert im Jahr 150 nach seiner Geburt noch einiges an wiederentdeckenswertem Neuland gibt.
    Vorgestellte Platte:
    Eugen d'Albert
    Aschenputtel Suite / Das Seejungfräulein / Ouvertüren
    Viktorija Kaminskaite, Sopran
    MDR Sinfonieorchester
    Leitung Jun Märkl
    Label: Naxos
    Bestell-Nr.: 8.573110
    LC: 05537