Freitag, 19. April 2024

Archiv

EuGH-Urteil zu 0180er-Service-Nummern
"Am Ende könnte das sogar Kostensteigerungen für alle Kunden bedeuten"

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Kosten bei Anrufen auf einer 0180er-Service-Nummer sei durchaus zwiespältig, sagte Thorsten Neuhetzki vom Vergleichsportal Teltarif im DLF. Denn die Kosten müssten nicht für alle Verbraucher unbedingt sinken. Unter Umständen könnten solche Anrufe sogar teurer werden.

Thorsten Neuhetzki im Gespräch mit Georg Ehring | 02.03.2017
    Ein Telefon steht auf einem Schreibtisch in einem Sekretariat.
    Ein Anruf bei einer Kundendienst-Telefonnummer darf nicht mehr kosten als ein gewöhnliches Telefonat. Das hat der Europäische Gerichtshof am 02.03.2017 entschieden. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Georg Ehring: Ein Anruf bei einer Kundendienst-Telefonnummer darf nicht mehr kosten als ein gewöhnliches Telefonat. Das hat der Europäische Gerichtshof heute entschieden und er beendet damit wohl einen Zustand, der Telefonexperten schon seit einiger Zeit umtreibt. Es geht um Rufnummern, die mit der Vorwahl 0180 beginnen. Firmen nutzen sie, um ohne Ortsvorwahl bundesweit erreichbar zu sein. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie sah in den höheren Telefongebühren einen Versuch der Firmen, auf wettbewerbswidrige Weise etwas dazuzuverdienen. Im konkreten Fall war die Firma Comtech der Beklagte. - Thorsten Neuhetzki arbeitet beim Vergleichsportal Teltarif. Guten Tag, Herr Neuhetzki.
    Thorsten Neuhetzki: Schönen guten Morgen, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Neuhetzki, wie sieht denn bisher die Praxis aus?
    Neuhetzki: Die Praxis ist, dass viele Unternehmen nach wie vor 0180-Nummern einsetzen. Es hat sich hier aber vieles die vergangenen Jahre geändert. Es gibt zum Beispiel mittlerweile die Pflicht zu kostenlosen Warteschleifen. Die Anrufe werden in der Regel nur noch pro Anruf, nicht mehr pro Minute abgerechnet. Und die Bedeutung dieser Nummern hat generell deutlich abgenommen. Es werden nach Branchenschätzung nur noch 800.000 Minuten pro Tag zu diesen Nummern überhaupt telefoniert.
    Ehring: Aber da müssen sich die Tarife jetzt ändern. Kann man denn schon sagen, in welche Richtung und wie genau?
    0900-Nummern sind nicht verboten
    Neuhetzki: Es heißt vom EuGH derzeit nur, dass es auf das normale Gesprächsniveau eines Festnetz- oder Mobilfunkanrufes gehen muss. Das heißt nach meiner Auffassung derzeit, dass wer eine Flatrate gebucht hat, zu Flatrate-Konditionen diese Nummern erreichen muss oder kann. Wer keine Flatrate gebucht hat, der muss aber die normalen Kosten zahlen, die ihm auch für ein Festnetzgespräch entstehen würden.
    Ehring: Das Gericht stellt ab auf den Zweck des Anrufs. Ein gewöhnliches Kundendienst-Telefonat darf nicht teurer sein als ein normaler Anruf. Es gibt auch Telefonate, die teurer sein dürfen?
    Neuhetzki: Ich sage mal so: Das Gericht hat nicht explizit verboten, dass Kundendienste über 0900-Nummern beispielsweise realisiert werden dürfen. Das könnte einige Unternehmen dazu bewegen, vielleicht doch auf diese Nummern umzustellen. Das hätte zur Folge, dass die Minutenpreise hier sogar noch steigen könnten. Wo ein Wille, da ein Weg.
    Ehring: 0900er-Nummern, was ist da normalerweise der Zweck?
    Neuhetzki: 0900-Nummern dienen ganz klar dazu, dass der Angerufene Geld mit diesen Nummern und mit den Anrufen verdient. Die Gebühren hier sind in der Regel deutlich höher. Das kann bis zu zwei, drei Euro pro Minute sein und ein Großteil dieses Geldes bekommt das Callcenter oder die Firma, die diese Nummer betreibt.
    Ehring: Ist das denn insgesamt ein verbraucherfreundliches Urteil aus Ihrer Sicht?
    Unternehmen müssen die neuen Kosten nennen
    Neuhetzki: Es ist zwiegespalten. Für die Kunden, die eine Flatrate gebucht haben, und wenn man bedenkt, dass diese Gespräche zu 0180-Nummern künftig wirklich wie Flatrate-Gespräche abgerechnet werden, da ist es mit Sicherheit ein verbraucherfreundliches Urteil. Wenn Sie davon ausgehen, dass Sie keine Flatrate gebucht haben und dass Sie vielleicht auch noch lange in einer Warteschleife sind, dann werden dem Kunden unter Umständen sogar mehr Kosten entstehen. Und was auch noch dazu kommt: Es ist derzeit noch nicht klar, wie dieses EuGH-Urteil mit den kostenlosen Warteschleifen zusammenspielt.
    Ehring: Für die Unternehmen entstehen unter bestimmten Umständen Kosten?
    Neuhetzki: Richtig. Die Unternehmen müssen auf jeden Fall, wenn es jetzt neue Kosten für diese Hotlines gibt – die müssen ja genannt werden in der Bewerbung, in Katalogen, in Flyern et cetera -, diese ganzen Kataloge, diese ganzen Flyer müssen jetzt unter Umständen neu gedruckt werden. Da entstehen immense Kosten. Die Anbieter müssen vielleicht sogar ihre Rufnummer ändern, wenn sie das wollen. Da werden Kosten entstehen und diese Kosten werden natürlich am Ende auf den Verbraucher umgelegt werden. Davon ist auszugehen. Am Ende könnte das sogar Kostensteigerungen für alle Kunden bedeuten, nicht nur für die, die diese Hotlines angerufen haben.
    Ehring: Es gibt für manche Kunden in Zukunft möglicherweise nicht mehr die Möglichkeit, kostengünstig ins Ausland zu telefonieren?
    Telefonate ins Ausland könnten teurer werden
    Neuhetzki: Richtig. Es gibt nämlich einen Weg für Kunden, die bei alternativen Telefongesellschaften sind, die kein Call-by-Call nutzen können, auch nicht günstig ins Ausland telefonieren können. Die können derzeit – das ist ein Trick, den leider nur wenige kennen – über bestimmte 0180-Nummern für 9 oder 14 Cent pro Minute ins Ausland telefonieren, in der Regel deutlich günstiger als die Gebühren, die der Anbieter normalerweise berechnet. Wenn jetzt diese vergleichsweise hohen Kosten für 0180-Nummern wegfallen, kann sich auch dieser Dienst, dieser Sprachcomputer dahinter nicht mehr finanzieren, weil auch der hat einen Teil dieser Gebühren abbekommen, hat davon das Gespräch ins Ausland finanziert. Das wird voraussichtlich wegfallen.
    Ehring: Thorsten Neuhetzki war das vom Vergleichsportal Teltarif zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das für Verbraucher etwas zwiespältig ausgefallen ist. Herzlichen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.