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Eure Flüchtlinge, nicht unsere

Die Flüchtlingswellen aus Nordafrika lösen nicht nur in den Mittelmeerländern Besorgnis aus. Aus Dänemark werden Stimmen laut, die ein gemeinsames Vorgehen der EU in Südeuropa fordern. Ganz uneigennützig sind diese Vorschläge aber nicht.

Von Marc-Christoph Wagner | 24.02.2011
    Die dänische Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbech gilt als Grande Dame der dänischen Politik. Lange Jahre versuchte sie ihr Parteifreund, der ehemalige Regierungschef und heutige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zu überreden, einen Posten in seinem Kabinett zu übernehmen – doch die Juristin blieb lieber freidenkende Liberale, die immer wieder auch die eigene Regierung kritisierte. Vor vier Jahren ließ sich Hornbech dann doch dazu bewegen, einen Ministerposten anzunehmen, aber auch heute noch sagt die 67-Jährige, was sie denkt – egal, ob sich dies auf Gegebenheiten in ihrer dänischen Heimat oder andernorts in Europa bezieht.

    "Es ist offensichtlich, dass die Situation in Griechenland – ein Land, in dem das Asylsystem nahezu nicht funktioniert – sehr akut ist. Deswegen möchten wir von dänischer Seite das Thema forcieren. Es reicht nicht, jetzt über langfristige Pläne zu diskutieren. Wir stehen inmitten einer sehr ernsthaften humanitären Situation, die einem Ausnahmezustand gleicht und deswegen schnelle Hilfe verlangt."

    Beim Europäischen Rat möchte Hornbech deshalb ein gemeinsam Vorgehen der EU erreichen, das von der zuständigen Kommissarin Cecilia Malmström koordiniert werden soll. Ganz Südeuropa solle jeglichen Beistand erhalten, um den aktuellen Flüchtlingsdruck zu bewältigen, auch das Rote Kreuz wie andere NGOs sollten in diesen Prozess eingebunden werden. Damit habe man gerade in Dänemark gute Erfahrungen gemacht, so Hornbech. Kritisch sieht die dänische Integrationsministerin vor allem das bisherige Agieren der Regierung in Athen:

    "Das Problem ist, dass Griechenland sehr lange gezögert hat, die Hilfe anderer EU-Staaten anzufordern. Schauen Sie, wie mein italienischer Kollege angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme reagiert. Er hat den Ernst der Lage sofort erkannt und entsprechend gehandelt. In Griechenland schätzt man die Situation meines Erachtens immer noch nicht richtig ein. Und es nützt nichts, die Flüchtlinge in andere EU-Staaten zu entsenden. Das Problem muss vor Ort gelöst werden."

    Gerade der letzte Teil dieser Aussage lässt aufhorchen. Denn ganz uneigennützig dürfte die Initiative der dänischen Regierung nicht sein. Das Land verfügt inzwischen über die schärfste Ausländer- und Zuwanderungspolitik Europas. Die bürgerliche Regierung ist auf die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei angewiesen. Und so möchte man unbedingt vermeiden, selbst weitere Flüchtlinge aufnehmen zu müssen:

    "Die meisten Flüchtlinge werden zurückgeschickt – einige Experten meinen, bis zu 80 Prozent. Und wie gesagt: Diese Verfahren müssen vor Ort behandelt werden – mit Unterstützung jeglicher Art aus den anderen EU-Staaten sowie finanziellen Mitteln aus den Töpfen der EU. Und man darf ja auch nicht vergessen, alle EU-Staaten haben akzeptiert, Flüchtlinge derzeit nicht nach Griechenland zurückzusenden. Insofern tragen wir ja schon einen Teil der Bürde, obwohl wir das nicht müssten. In Dänemark haben wir derzeit rund 400 Menschen, die eigentlich nach Griechenland zurückgeschickt werden müssen, doch ich habe verfügt, dass wir diese Asylverfahren hierzulande bearbeiten."

    Hornbech zeigt sich optimistisch, ihre EU-Kollegen würden die Vorschläge Dänemarks in weiten Teilen unterstützen – entsprechende Signale habe sie in den vergangenen Wochen erhalten. Auch mit dem Geist europäischer Solidarität, so Hornbech, sei ihre Initiative vollends vereinbar:

    "Ja, ich meine, das ist der Fall. Wir haben ein europäisches Asylsystem, das auf dem Erststaatenprinzip aufbaut – also dass der erste EU-Staat, in den ein Flüchtling kommt, auch für diesen verantwortlich ist. Es nützt nichts, dass Flüchtlinge durch Europa reisen und sich aussuchen, wo es ihnen am Besten gefällt. Unsere gemeinsamen Regeln sind, wie sie sind, weil wir dieses Asylshopping verhindern wollten."