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Euro-Austritt Griechenlands
Kein Problem oder schwer beherrschbar?

Die Bundesregierung hält einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nach "Spiegel"-Informationen für verkraftbar. Dagegen sind sich Wissenschaftler uneinig über mögliche Konsequenzen. Manche sehen Vorteile sowohl für Europa als auch für Griechenland, andere befürchten schwer beherrschbare Folgen.

Von Christiane Habermalz | 04.01.2015
    Eine Ein-Euro-Münze und einige Stapel von verschiedenen anderen Münzen
    Wieder einmal steht zur Debatte, ob Griechenland Teil der Eurozone bleiben soll. (picture-alliance / dpa / Tobias Hase)
    Dem "Spiegel"-Bericht zufolge seien Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble anders als noch vor ein paar Jahren zuversichtlich, dass der Euro das Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion verkraften würde. Die Furcht vor einem Dominoeffekt, der auch andere Länder ergreifen könnte, sei mittlerweile weniger groß, da Portugal und Irland als saniert gelten und Zypern auf gutem Wege sei, seine Bankenkrise zu bewältigen.
    Sollte Griechenland sich nach den Wahlen vom Sparkurs verabschieden, sei ein Austritt in den Augen der Bundesregierung sogar "nahezu unausweichlich", so der Bericht. Dies wäre ein radikaler Kurswechsel: Bislang hatte Angela Merkel den Verbleib Griechenlands in der Eurozone immer als "alternativlos" dargestellt.
    Damit wächst drei Wochen vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Athen der Druck auf die griechische Linkspartei Syriza. Deren Parteichef Alexis Tsipras führt derzeit bei den Umfragen, er hat angekündigt, den radikalen Sparkurs zu beenden und die Sozialleistungen zu verbessern, von Brüssel verlangt er einen weiteren Schuldenerlass:
    "Frau Merkel und Herr Schäuble tun so, als könnten sie nicht hören! Aber die Wahrheit wird sie einholen. Die Euro-Zone kann nicht ewig auf des Messers Schneide balancieren. Entweder sie streicht einen Großteil der Schulden, oder sie werden alle in den Abgrund stürzen."
    Unterstützung für seine Forderung erhielt Tsipras vom Wirtschaftswissenschaftler und Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Einen weiteren großen Schuldenschnitt bezeichnete er im Tagesspiegel als "folgerichtig". Das Land habe heute doppelt so viele Arbeitslose wie 2010, es sei unwahrscheinlich, dass es seine Schulden je zurückzahlen könne. Eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme sei "bedenkenswert", über eine Währungsabwertung könnte das Land wieder wettbewerbsfähig werden. Den Euro sieht Sinn nicht in Gefahr.
    Bofinger: "Hohe Risiken für die Stabilität des Euro-Raums"
    Dem widersprach der Ökonom Peter Bofinger heute in der "Welt am Sonntag": "Ein solcher Schritt wäre mit sehr hohen Risiken für die Stabilität des Euro-Raumes verbunden", sagte der Wirtschaftsweise. Damit würde möglicherweise ein "Geist aus der Flasche gelassen, der nur schwer beherrschbar wäre".
    In der Politik hatte sich bereits in den vergangenen Tagen der Ton gegenüber Griechenland verschärft. "Die Zeiten, in denen wir Griechenland retten mussten, sind vorbei. Es gibt kein Erpressungspotenzial mehr", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs mit Blick auf verbesserte Sicherungsmechanismen der Währungsgemeinschaft. Griechenland sei "nicht systemrelevant für den Euro".
    Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warnte heute die Griechen in der "Welt am Sonntag" für den Fall, dass die Linkspartei Syriza gewählt werde: Es gebe keine Leistung ohne Gegenleistung, eine Abkehr vom Konsolidierungskurs wäre eine neue Geschäftsgrundlage.
    Griechenland wird seit 2010 mit Rettungsprogrammen in Höhe von 240 Milliarden Euro von EU, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds IWF über Wasser gehalten. Tsipras' Partei führt zwar in den Wähler-Umfragen, gleichzeitig sprachen sich jedoch drei Viertel der Befragten für einen Verbleib in der Euro-Zone aus.