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Euro-Masten in Lübeck
Simple Idee gegen Flaggen-Diebstahl

Wer an diebstahlsichere Produkte denkt, dem fallen meist Schlösser, Autoreifen oder gesicherte Fenster ein. Nicht so vielen dürfte bekannt sein, dass es auch diebstahlsichere Fahnenmasten gibt. Solche verspricht zumindest das Unternehmen Euro-Masten aus Lübeck.

Von Leila Knüppel | 01.04.2016
    Das Bild zeigt zwei EU-Flaggen, die vor dem Parlament in Straßburg wehen.
    Die Firma Euro-Masten aus Lübeck leitete aus dem Fahnenklau eine Geschäftsidee ab. (picture-alliance / dpa / Daniel Kalker)
    Hätten damals Diebe an der Promenade von Travemünde nicht 20 Fahnen gestohlen! Ja, dann stünde er nicht hier, in der großen, geräumigen Werkhalle seiner Firma Euro-Masten und würde seinen Mitarbeitern nicht beim Fräsen, Schleifen, Sägen zusehen. Wolfgang Reichel, 83 Jahre, Unternehmer und Erfinder des diebstahlsicheren Fahnenmastes, wie er sich selbst vorstellt:
    "Hier sind dann fertige Masten. Hier werden die Masten gebaut."
    Doch so gerade, wie seine Fahnenmasten sind, so gerade geht es im normalen Leben selten zu. Da können die kleinsten Ereignisse dazu führen, dass das Leben plötzlich eine unerwartete Abzweigung nimmt. Wie damals, 1974, als Reichel vom Beruf noch Takler und Schiffsausstatter war.
    Da hieß es in einem Zeitungsartikel, erinnert er sich, "dass in einer Nacht in Travemünde an der Kurpromenade von den 20 dort befindlichen Fahnenmasten alle Leinen und Fahnen gestohlen wurden. Und dann kam der Gedanke, Fahnenmasten herzustellen, bei denen man die Leinen und die Fahnen nicht mehr stehlen kann, indem man dann die Aufzugsseile nach innen legt, wie zum Beispiel die Kabel bei einem Lichtmast. Und das hat dann jetzt mein späteres Leben bestimmt."
    Aus dem Takler wurde ein Fahnen-Mast-Optimierer und Unternehmer.
    Einfache Idee mit großer Wirkung
    "Diese Fahnenmasten in der Form. Sie waren überall in der Welt"
    In seinem Büro, das mit alten Seekarten und Modelschiffen eher wie eine Kapitänskajüte aussieht, führt Reichel seine Erfindung an einem kleinen Masten-Model vor.
    "Es ist, muss man also so sehen, dass man die Fahne dazwischen hat."
    Die Leinen werden statt außen am Fahnenmast entlang durch das Mastinnere geführt. Die Hochziehvorrichtung ist hinter einem verschließbaren Türchen im Mast versteckt. Ganz einfach. Wo keine Seile offen liegen, können Diebeshände auch keine Seile abschneiden, keine Fahnen einholen und mitnehmen.
    "Es ist eigentlich auch ganz simpel, aber so wie viele Patente, die eigentlich auch auf einem simplen Prinzip beruhen. Wenn ich jetzt nur mal an eine Büroklammer denke, die ja auch nur ein Stück gebogener Draht ist und die sich zu Tausenden in jedem Büro finden. So sind also ganz einfach Dinge, die auch einfach herzustellen sind, aber einen großen Nutzen haben, nicht entdeckt worden. So ähnlich war es hier bei diesen Fahnenmasten auch."

    An einer großen, mit Stecknadeln gespickten Weltkarte zeigt Reichel, wo seine Fahnenmasten schon überall aufgestellt wurden.
    Export in alle Welt
    "In den letzten zwei Monaten haben wir geliefert nach Marokko, Malaysia, Israel, Dubai, Portugal und Frankreich. Export ist 20 Prozent."
    Auch in der Antarktis, an der Forschungsstation Neumayer III stehe mittlerweile einer seiner Masten, sagt Reichel, allerdings ohne Fahne:
    "Da sind also viele Geräte an diesen Masten befestigt für die Windmessanlagen und Ozonmeldungen und so weiter."
    Die meisten seiner Masten bleiben aber in Deutschland, dienen nicht der Forschung, sondern recken ihre schlanken Körper in den Himmel, um Werbung für Supermärkte, Auto- und Möbelhäuser zu machen.
    "Es müssten ungefähr 80.000 Masten sein, die ich im Laufe der Jahre hergestellt habe. Habe ich schon Zucker genommen?"
    Reichel setzt sich an den kleinen Konferenztisch in seinem Büro, lässt sich Kaffee bringen und erklärt:
    "Der Fahnenmast wird auch technisch bezeichnet als einseitig eingespanntes Bauwerk."
    Dann erzählt er, was alles beim Bau eines Fahnenmastes berücksichtigt werden muss.
    Der einseitig eingespannte Fahnenmast
    "Einseitig eingespannt heißt, dass der Fahnenmast in die Erde kommt. Und da kommen alle Windkräfte, die so entstehen durch die Fahne, die werden auf das Fundament geleitet und dann muss das Fundament sehr stabil sein. Das muss beachtet werden. Und das sind alles Dinge, die ich aus der Praxis so sagen kann. Die sind passiert. Plötzlich standen die Fahnenmasten schief."
    Was ansonsten noch plötzlich schief stehen kann im Leben, davon kann der gelernte Takler auch so einiges erzählen. Euro-Masten ist nicht Reichels erste Firma. Mindestens einmal musste er mit seiner Mast-Produktion einen neuen Anlauf nehmen. Unter den Mastenherstellern ist sein jetziges Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitern eher ein Leichtgewicht. Auch vom Umsatz, räumt Reichel ein:
    "Wir haben in den letzten Jahren ziemlich konstant immer ein, zwei Millionen."
    Das Leben ist kein Fahnenmast, der gerade aufwärts zeigt. Und es lässt sich daran so einiges optimieren, meint Reichel. Und daran tüftelt er auch jetzt mit seinen 83 Jahren noch.
    Noch lange nicht am Ende
    "Wenn ich Fehler sehe, die markant sind, dann stört mich dieser erkennbare Fehler in allen, vielen Bereichen. Dann mache ich mir Notizen und im Laufe der Zeit habe ich einen Ordner angelegt mit ungefähr 20 oder 30 Ideen."

    Für manche neue Optimierungs-Idee hat er deswegen schon ein Patent angemeldet, wie beispielsweise für den beleuchteten Fahnenmast. Ans Aufhören und Rente denkt er noch nicht:
    "Wenn ich auf dem Sterbebett liege, dann werde ich sagen, es war eine wunderschöne Zeit auf dieser Erde, so lange gelebt zu haben oder leben zu dürfen und so viele schöne Erlebnisse zu haben und zu genießen, zu speichern. Und somit ist es also ein wirklich total erfülltes Leben."