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Euro-Rettungsschirm
CDU-Politiker: Position als Hauptgarantiegeber selbstbewusst wahrnehmen

Der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch zeigte sich im DLF vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM nicht überrascht. Das Verfassungsgericht sei "unter gewissen medialen Druck" geraten. Schutz der Interessen deutscher Steuerzahler hätte er "sich auch vorstellen können".

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 18.03.2014
    Dirk-Oliver Heckmann: Verstoßen der permanente Euro-Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt gegen das Grundgesetz? Die Linksfraktion, die Organisation "Mehr Demokratie", auch der CSU-Spitzenpolitiker Peter Gauweiler hatten Klage eingereicht vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Über 37.000 Privatpersonen hatten sich der Klage angeschlossen. Eine einstweilige Verfügung, die war von den Richtern abgelehnt worden. Heute also das Urteil in der Hauptsache, und das fiel eindeutig aus.
    Am Telefon ist jetzt Klaus-Peter Willsch von der CDU. Er ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie. Er hatte damals gegen ESM und Fiskalpakt gestimmt. Schönen guten Tag, Herr Willsch.
    Klaus-Peter Willsch: Guten Tag, Herr Heckmann.
    Heckmann: Karlsruhe weist also alle Klagen der Kritiker an ESM und Fiskalpakt ab. Ist das jetzt der Untergang des Abendlandes?
    Willsch: Nein, das ist ja nun auf einer Linie mit der einstweiligen Anordnung, die damals erging, und ich habe da nicht sehr viel mehr erwartet. Es ist momentan, wie auch in dem Bericht schon deutlich wurde, ja eine Entspannung in der Situation eingetreten, die aber nach meiner Einschätzung stärker zusammenhängt mit der Ankündigung von Draghi, die Staaten zu finanzieren, als mit ESM und Fiskalpakt. Fiskalpakt ist ja bisher weitgehend weiße Salbe, da ist ja noch keine Wirksamkeit eingetreten.
    Heckmann: Das heißt, Sie begrüßen das Urteil aus Karlsruhe?
    Keine Überraschung im Lichte der einstweiligen Anordnung
    Willsch: Was heißt begrüßen? Urteile aus Karlsruhe nehme ich entgegen. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass man hier weiterreichend die Interessen des deutschen Steuerzahlers schützt, aber wie gesagt: Überraschend war es nicht im Lichte der einstweiligen Anordnung, die ergangen ist.
    Heckmann: Die Interessen der Steuerzahler sind geschützt, Herr Willsch, sagt Karlsruhe. Auch die Haushaltsrechte des Bundestages, die bleiben hinreichend gewahrt. War Ihre Kritik damals, als es hoch herging um ESM und Fiskalpakt, Pfeifen im Walde?
    Willsch: Nein, nein. Ich glaube eher, dass die sich momentan breitmachende Stimmung, es sei ja alles prima und auf einem guten Weg, pfeifen im Walde ist. Schauen Sie sich mal die Schuldenstände an. Wenn Sie sich die Verschuldung, die Gesamtverschuldung – ich rufe in Erinnerung: Nach Maastricht-Vertrag maximal 60 Prozent eines Brutto-Inlandsproduktes – anschauen von den Krisenländern, dann steigen die in allen Ländern gegenüber 2012 in 2014, 2015 in der Projektion. In Griechenland wollten wir mal 120, also das doppelte von 60 erreichen, und wir sind weit über 150, eher bei 170.
    Heckmann: Und Sie glauben, dass das die Karlsruher Richter möglicherweise nicht in der notwendigen Art und Weise berücksichtigt haben, dass die Krise noch nicht vorbei ist?
    Willsch: Voßkuhle hat immer sehr deutlich gemacht, bei allen Verhandlungen, dass er keine ökonomische Richtigkeit von irgendwelchen Maßnahmen zu beurteilen hat, sondern rechtliche Fragen zu bewerten hat als Verfassungsgericht, und das ist eben auch hier in dem Falle geschehen. Wir sind ja noch rechtzeitig, der Haushaltsplan 2014 wird gerade aufgestellt, der Regierungsentwurf ist da. Wie jetzt mit der Anforderung, Vorsorge zu treffen, dann umgegangen wird seitens des Bundesfinanzministeriums, bleibt abzuwarten.
    Heckmann: Bleibt abzuwarten. Wie müsste das aus Ihrer Sicht umgesetzt werden, dieser Anordnung Folge zu leisten?
    Folgen hängen vom EuGH hab
    Willsch: Das hängt noch mit davon ab, wie sich letztlich der EuGH, der Europäische Gerichtshof, dem ja Karlsruhe die Frage vorgelegt hat, ob ihm irgendwas einfällt, wie man die von Draghi angekündigte Politik, jederzeit die Staatsanleihen der Krisenländer aufzukaufen, wenn der Markt sie nicht mehr abnimmt,…
    Heckmann: Draghi, das ist der Präsident der Europäischen Zentralbank.
    Willsch: Das ist der Präsident der EZB, genau. - …, wie man denn das in Übereinstimmung bringen kann mit dem Verbot der Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank. Das ist ja nach wie vor ein offener Punkt und ich sagte ja schon eingangs, dass ich glaube, dass die Bereitschaft der EZB, die bekundete Bereitschaft, von Länder, die sich nicht mehr refinanzieren können, mit gedrucktem Geld einfach die Staatsanleihen aufzukaufen, sehr viel wirksamer war in dem Sinne, dass die Anleihezinsen sich normalisiert haben. Denn es ist völlig klar: Wenn Sie sicher sein können, dass die EZB das ganze Zeug notfalls aufkauft, dann brauchen Sie nicht mehr so hohe Risikoaufschläge.
    Heckmann: Also aus Karlsruhe selbst kam bisher keine Unterstützung für Ihre Linie, für Ihre Kritik. Sie setzen jetzt Ihre Hoffnung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der sich ja mit der Frage, darf die EZB Staatsanleihen unbegrenzt aufkaufen, zu beschäftigen hat?
    Willsch: Dass keine Unterstützung kam, kann man so nicht sagen. Wenn Sie sich damals das einstweilige Verfahren anschauen, hat Karlsruhe sich sehr stark bemüht, einen absoluten Deckel in die Frage der Haftung einzuziehen. Sie erinnern sich, dass über Hebelung von EFSF und alles mögliche, ständig darüber nachgedacht wurde, wie man Volumina, die man ins Fenster stellen kann, erhöhen kann, Bürgschaftszusagen, wie man die erhöhen kann. Da hat Karlsruhe schon mäßigend gewirkt und auch die Rechte des Parlaments, die wir eingefordert haben, sind entgegen den ursprünglichen Absichten der Bundesregierung ja erheblich vermehrt worden. Es ist ja auch jetzt noch mal ausdrücklich betont worden, dass diese Vorsorge im Haushalt notwendig ist, damit nicht eine stimmrechtslose Situation eintritt, wo wir beratungstechnisch nicht schnell genug einen Nachtragshaushalt auf die Reihe bekommen, dadurch, dass wir nicht rechtzeitig nachschießen, das Stimmrecht in den ESM-Gremien verlieren. Das leitet uns über zu einem anderen Problem, vor dem wir gerade stehen. Bei der EZB droht nun genau der Fall, dass wir nämlich dort das Stimmrecht verlieren. Sobald die beantragte Aufnahme Litauens vollzogen wird, werden wir nur noch in vier von fünf Monaten nach der Satzung der EZB Stimmrecht haben überhaupt im EZB-Rat. Und wenn dann wir eine krisenhafte Situation haben – das haben wir ja nun in den Jahren _10, _11, _12 erlebt -, dann werden ganz schnell über Nacht auch ohne die Deutschen im EZB-Rat Fakten geschaffen und wir müssen nachher zahlen dafür.
    Heckmann: Das Urteil aus Karlsruhe ist jetzt gesprochen. Gibt es denn jetzt aus Ihrer Sicht konkreten Handlungsbedarf auf politischer Ebene? Heißt: Müssen die Mitwirkungsrechte des Parlaments noch weiter gestärkt werden, denn das ist ja jetzt nicht so, dass Karlsruhe sagen würde, das würde nicht gehen?
    "Würde mehr Entscheidungen beim Parlament begrüßen"
    Willsch: Ich würde das ausdrücklich begrüßen. Ich würde es begrüßen, wenn, nachdem der Haushaltsausschuss ja von Mitgliedern, die das Thema kritisch sehen, bereinigt worden ist sozusagen, mehr Entscheidungen insgesamt beim Parlament liegen.
    Heckmann: Welche?
    Willsch: Die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden. Wenn Sie sich das europäische Konzert anschauen, dann sehen Sie: Zypern redet offen darüber, dass sie 45 bis 50 Prozent faule Kredite in ihren Geschäftsbanken haben. Sobald der Stresstest durchgeführt wird, werden sich dort Nachschusspflichten, Lücken ergeben, und da wird schon ganz offen darüber gesprochen, dass man dafür den ESM nutzen will, um zu rekapitalisieren. Unsere Haltung war bisher immer, der ESM darf nur Mittel ausreichen an Länder, Mitgliedsländer, aber nicht direkt an Banken.
    Das zweite ist Griechenland. Das dritte Paket ist doch in Vorbereitung. Die Troika kann zwar keine rechten Fortschritte feststellen und reist ein ums andere Mal ab, um den Verhandlungsdruck zu erhöhen, aber das pfeifen ja hier die Spatzen schon von den Dächern, dass es dort weitere Zinserleichterungen und Laufzeitverlängerungen gibt, weil man das Wort des Schuldenschnitts natürlich vermeiden will. Aber ob sie nun eine Kreditverpflichtung auf 50 oder vielleicht 500 Jahre strecken, oder ob Sie sie gleich erlassen, macht keinen großen Unterschied.
    Heckmann: Wenn Sie jetzt einen Strich darunter machen, Herr Willsch, unter die Entscheidungen aus Karlsruhe, die bisher zum Thema Euro-Rettung gekommen sind, wie bewerten Sie denn, dass das Verfassungsgericht trotz aller Kritik in Einzelpunkten de facto dann doch alles durchwinkt?
    Willsch: Sie haben ja gesehen, dass das Verfassungsgericht auch in der Öffentlichkeit durchaus unter gewissen medialen Druck schon geraten ist, nach dem Motto, es kann ja nicht das Verfassungsgericht eines Mitgliedslandes allein die Musik bestimmen, die dort gespielt wird. Das beeindruckt die natürlich schon auch ein wenig. Ich glaube aber, dass wir hier als Hauptgarantiegeber und derjenige, auf dessen wirtschaftlicher Solidität das Ganze hier überhaupt nur funktioniert, schon selbstbewusst unsere Position auch wahrnehmen müssen.
    Heckmann: Das heißt, Sie würden tatsächlich sagen, Herr Willsch, dass die Karlsruher Richter auf Druck aus der Öffentlichkeit reagiert haben und gar nicht richtig frei waren in ihrer Entscheidung?
    Erscheinungen, die auch Verfassungsrichter wahrnehmen
    Willsch: Nein, das will ich keinem Richter unterstellen. Ein Richter hat ja durch seine Unabhängigkeit ganz andere Möglichkeiten. Aber dass sie natürlich mitten in dieser Gesellschaft leben und auch miterleben, dass die Union jetzt einen Herrn Juncker als Spitzenkandidaten für die Europawahl aufstellt, der sich gleich in seinem ersten Interview im "Spiegel" für Eurobonds ausspricht, das sind alles Erscheinungen, die natürlich auch Verfassungsrichter wahrnehmen.
    Heckmann: Über das Urteil aus Karlsruhe zu ESM und Fiskalpakt haben wir gesprochen mit Klaus-Peter Willsch von der CDU, Bundestagsabgeordneter dort, ehemals Mitglied im Haushaltsausschuss. Herr Willsch, danke Ihnen für das Gespräch.
    Willsch: Gerne, Herr Heckmann. Tschüß!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.