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Eurobike
Vernetztes Fahrrad

Das High-Tech-Bike der Zukunft ruft bei einem Unfall selbstständig den Notarzt oder bestellt eine neue Kette, wenn die alte ausgeleiert ist. Bei so einem vernetzten Fahrrad werden Daten werden autonom und ohne weiteres Zutun des Radlers auf einen speziellen Server gesendet. Praktisch, aber auch für den ADFC bedenklich.

Von Thomas Wagner | 28.08.2014
    Ein Fahrradfahrer fährt zwischen Autos vorbei, die sich an einer Einfallstraße von Frankfurt am Main im Berufsverkehr stauen.
    Ein vernetztes Rad ist gespickt mit Sensoren - um zum Beispiel zu registrieren, wenn sich ein Unfall ereignet hat. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Gestürzt, ausgerechnet auf einem Rennrad. Zum Glück verfügt das schnelle Bike über Crash-Sensoren.
    "Crash-Sensoren, das hört sich hochtechnisch an. Und über diese Sensorik stellen wir fest, ob das Fahrrad gerade in einen Unfall verwickelt ist oder sich jemand bei einer Bergfahrt wirklich hingelegt hat und kann im Ernstfall wirklich den Notruf alarmieren."
    Und zwar völlig selbstständig, mit einer Vernetzungstechnologie, die von außen unsichtbar im Fahrradrahmen integriert ist. Die Sensoren registrieren Aufprallwinkel und Aufprallgeschwindigkeit; daraus lässt sich die Schwere eines Unfalls herleiten. Wilfried Hülsmann-Tönnhof, Fahrradexperte bei der Telekom Deutschland, stellt auf der "Eurobike" ein nach eigenen Angaben einzigartiges Projekt vor: Das intelligente, vernetzte Fahrrad, das der Koblenzer Hersteller "Canyon" gemeinsam mit der Telekom entwickelt hat.
    Herzstück ist ein Mini-Rechner mit einer fest installierten GSM-Karte, gerade mal so groß wie ein Schullineal, eingebettet im Inneren des Fahrradrahmens. Von dort werden die Daten aller Sensoren am Fahrrad auf einen speziellen Server gesendet, der errechnet: Haben die Crash-Sensoren tatsächlich einen Unfall detektiert? Das Ergebnis sieht der Radler auf seinem Smartphone, wenn er die dafür notwendige App installiert hat.
    Selbst die Fahrradkette ist gespickt mit kleinen Sensoren. Wilfried Hülsmann-Tönhof:
    "Wenn die Kette kurz vor dem Verschleiß ist, zeigt einem die App an, dass die Kette demnächst gewechselt werden muss. Man kann sie dann direkt in der App bestellen. Und man bekommt dann in der App auch ein Video angezeigt, die einem erklärt, wie man so eine Kette zu wechseln hat."
    Schließlich laufen auch Fahrraddiebe Gefahr, schnell aufzufliegen, wenn sie sich des vernetzten Fahrrads bemächtigen.
    "Über die integrierte Elektronik können wir schnell die Position des Fahrrads feststellen. Wenn ich bemerke, dass mein Fahrrad abhandengekommen ist, kann ich über die Smartphone-App schauen. Wo befindet sich gerade mein Fahrrad? Und dann kann ich direkt der Polizei mitteilen, dass mein Fahrrad gestohlen wurde, und es befindet sich wirklich gerade da."
    Vom Mobilbau abgekupfert
    Daneben misst das intelligente Fahrrad unter anderem die Trittfrequenz des Fahrers. Die Technologien haben die Konstrukteure weitgehend im Automobilbau abgeguckt und für Fahrräder modifiziert. Ganz wichtig: Die Daten werden autonom und ohne weiteres Zutun des Radlers, ja sogar höchst unbemerkt, regelmäßig auf einen speziellen Server gesendet:
    "Sie könnten sogar das Smartphone überhaupt nicht mitführen. Das Smartphone hat grundsätzlich keine direkte Kommunikation zum Fahrrad. Diese Kommunikation geschieht über die Wolke."
    Und zwar über die Datenwolke des Zentralservers. Das allerdings erfüllt Experten wie Burkhard Stärk, Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, mit Unbehagen:
    "Ja, natürlich ist es eine Gefahr: Die Gefahr für uns als Verbraucherschutzorganisation auf dem Fahrrad ist natürlich: Was passiert eigentlich mit den Daten?"
    Kritik an der Technik
    Diese Frage stellt der ADFC umso lauter, umso mehr digitale Technik an Lenkstange und Fahrradrahmen eingebaut ist:
    "Viele fahren mit Apps, die GPS-Tracks machen. Viele fahren mit GPS-Geräten, die Tracks aufnehmen. Die Frage 'Was passiert eigentlich mit meinen Daten?' ist für mich als Nutzer jetzt schon ein Thema. Und ich glaube, dass all die Apps, die jetzt schon angewendet werden, schon zu einer deutlich feineren Mitzeichnung der Daten von Fahrradfahrern führen. Für uns ist es ausgesprochen wichtig, dass die Dinge, die da passieren, in einer vernünftigen und einer sicheren Form passieren."
    Daneben hält sich die Begeisterung des ADFC-Funktionärs für das "vernetzte Fahrrad" deswegen in Grenzen:
    "Weil das Fahrrad seinen Charme darin hat, dass es ein einfaches Verkehrsmittel ist, das günstig ist, das gut funktioniert, das ich immer gut benutzen kann. Und wenn die Durchtechnisierung des Fahrrads dazu führt, dass ich all dies verliere, dann ist es der falsche Weg."
    Telekom und der Hersteller Canyon glauben dagegen, dass sie mit dem vernetzten Fahrrad auf dem richtigen Weg sind. Anfang nächsten Jahres sollen Testfahrer mehrere Monate lang das Bike mit künstlicher Intelligenz über Tausende von Kilometern hinweg testradeln. Danach ist, wenn sich keine grundlegenden Hürden auftun, an eine Serienfertigung gedacht.