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"Eurobonds setzen die eindeutig falschen Anreize"

Philipp Rösler fordert zur Bewältigung der Euro-Krise erneut eine Schuldenbremse in allen Mitgliedsstaaten der Währungsunion. Wer dagegen verstoße, müsse automatisch mit Sanktionen rechnen. Eurobonds lehnt der FDP-Politiker als leistungsfeindlich ab.

Philipp Rösler im Gespräch mit Dirk Müller | 16.08.2011
    Dirk Müller: Wir wissen zumindest schon offiziell, worüber nicht gesprochen werden soll beim Gipfeltreffen zwischen Nicolas Sarkozy und Angela Merkel heute Nachmittag in Paris: nämlich über die viel diskutierten Eurobonds, also um gemeinsame europäische Staatsanleihen, um die Finanz- und Währungskrise zu bekämpfen. Kaum zu glauben, dass darüber nicht gesprochen wird, denn ganz Europa spricht genau darüber, lediglich die Bundesregierung winkt ab. Wir haben darüber vor gut zehn Minuten mit FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gesprochen. Warum setzen Sie auf ein Redeverbot?

    Philipp Rösler: Es geht darum, dass wir endlich für eine Stabilitätsunion eintreten, und das bedeutet, wir brauchen eine Schuldenbremse in allen nationalen Verfassungen der Eurozonenstaaten, wir müssen einen Test haben für die jeweilige Wettbewerbsfähigkeit, und wenn ein Staat diesen Test nicht besteht, dann muss es automatische Sanktionsmechanismen geben. Das ist der beste Weg, um auf die Wettbewerbsfähigkeit zurückzukommen.

    Müller: Wollen Sie darauf noch ein paar Jahre warten?

    Rösler: Darauf wollen wir nicht ein paar Jahre warten, sondern da müssen wir uns jetzt daran machen, dass genau diese Ziele innerhalb der Eurozonenstaaten vereinbart werden können.

    Müller: Warum Redeverbot beim Thema Eurobonds auf dem Gipfel heute?

    Rösler: Eurobonds setzen die eindeutig falschen Anreize. Sie wären leistungsfeindlich, Deutschland würde für seine solide Haushaltsführung und für seine gute Wirtschaftspolitik bestraft werden, und es ist richtig, was viele Experten sagen: Es macht keinen Sinn, die Starken in Europa schwächer zu machen, ohne die Schwachen zu stärken, und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Schwachen gestärkt werden sollen und dieses klare Signal auch auszusenden.

    Müller: Aber wäre das nicht eine Stärkung der Schwachen, wenn schwächere Staaten unter bestimmten Bedingungen sich günstiger, preiswerter am Kapitalmarkt bedienen können?

    Rösler: Nein, die Zinsen würden sinken, aber nicht, weil die Schwachen stärker geworden wären, sondern schlichtweg, weil die stärkeren Staaten einfach nur bezahlen müssten, ohne dass sich in den Strukturen in den Staaten etwas ändert. Das würde übrigens weder die Märkte beruhigen, noch wäre es in der Sache richtig. Es geht ja auch um das Geld unserer Steuerzahler – das halte ich für verantwortungslos, einen solchen Weg zu gehen.

    Müller: Alles, was bisher die Europäische Union mit Beteiligung der Bundesregierung gemacht hat, das hat auch nicht funktioniert, das hat auch nicht die Märkte beruhigt. Warum nicht?

    Rösler: Zunächst einmal sind das kurzfristige Maßnahmen, und es ist richtig, was dort am 21.07. beschlossen wurde. Das muss jetzt umgesetzt werden, darauf warten zu Recht die Märkte, aber die Bundesregierung und alle anderen Regierungen sind fest entschlossen, genau diese Ziele, die dort vereinbart wurden, schnellstmöglich auch in den einzelnen Staaten umzusetzen. Aber neben den kurzfristigen Maßnahmen brauchen wir eben langfristige Maßnahmen, eben den Weg in eine klare Stabilitätsunion, denn nur das kann die Zukunft der Europäischen Union sein.

    Müller: Im Moment brennt es aber auf den Kapitalmärkten, im Moment geht es vor allem auch um kurzfristige Signale, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Das, was beschlossen worden ist am 21.07. beim Gipfeltreffen in Brüssel, hat bislang jedenfalls noch nicht gewirkt und nicht funktioniert. Was soll jetzt wirken, was soll jetzt funktionieren?

    Rösler: Keine Panik, sondern Ruhe ist jetzt angesagt. Ich sage es noch mal: Da wurden Dinge beschlossen, die sind allesamt richtig und auch notwendig, aber sie müssen umgesetzt werden. Insofern kann man noch gar nicht sagen, dass sie gewirkt oder nicht gewirkt haben.

    Müller: Nennen Sie uns ein Beispiel bitte!

    Rösler: Es geht zum Beispiel um die private Gläubigerbeteiligung. Ich halte es ausdrücklich für richtig, dass nicht immer nur der Steuerzahler aufkommt, die Bürger in den europäischen Staaten, sondern erstmalig auch private Banken und Versicherungen. Die haben in guten Zeiten gutes Geld mit ihren Geschäften verdient, und ich finde, die müssen jetzt auch mit in Verantwortung genommen werden. Das wurde am 21.07. – übrigens eine Forderung der Deutschen – zu Recht beschlossen und das muss jetzt umgesetzt werden. Und ich glaube, das ist der richtige Weg zu einem stabilen Europa zu kommen, diese kurzfristigen Maßnahmen, aber eben auch langfristige Maßnahmen, denn die Ursache des Problems, ich sag es noch mal, ist die Verschuldungssituation in einzelnen Staaten und die fehlende Wettbewerbsfähigkeit. Und beides zusammen, das muss korrigiert werden, dann haben wir die von mir geforderte Stabilitätsunion.

    Müller: Sie sagen, Herr Rösler, das, was beschlossen worden ist, muss umgesetzt werden. Wie viel Zeit dauert die Umsetzung?

    Rösler: Die Kollegen sind ja jetzt gerade dabei, auch die Details auszuarbeiten in der Vereinbarung der Regierungschefs. Im Übrigen dient das heutige Treffen ja auch dazu, um über weitere Details dort zu sprechen. Damit haben wir ein solides Paket für die kurzfristigen Maßnahmen, aber wie gesagt, es geht dann in den Gesprächen auch um langfristige Fragen, wie zum Beispiel Aufnahme von Schuldenbremsen in die nationalen Verfassungen. Denn auch gerade die Aussagen zum Beispiel von Herrn Berlusconi, den Haushalt schneller zu konsolidieren, als bisher geplant, hat ja sofort zu positiven Entwicklungen auf den Finanzmärkten geführt. Das heißt also, es wird klar erwartet, dass man sich an solide Haushaltsführung hält und gleichzeitig an die Wettbewerbsfähigkeit herangeht und diese stärkt in allen Staaten.

    Müller: Haben Sie nicht die Befürchtung, dass gerade beim Beispiel Italien, aber wir haben es ja vor allem auch in Griechenland gesehen, dass weitere Sparauflagen, dass weitere Reduzierungen von Haushaltsmitteln auch zu einer wirtschaftlichen Katastrophe, nämlich zum Abwürgen der Konjunktur in den Ländern führt?

    Rösler: Sie brauchen beides. Sie brauchen solide Haushaltsführung auf der einen Seite, aber eben auch Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite. Es ist auch eine Frage von Investitionen, aber die Frage von Investitionen ist wie gesagt auch eine Frage von Strukturen. Da sind wir gerade dabei übrigens, ganz konkret zu helfen: Wie kann ein Katastersystem aufgebaut werden, wie kann man Investitionssicherheit schaffen, wo sind Investitionen in Infrastruktur dringend notwendig und schnell auch möglich? All das sind Fragen, die wir gemeinsam angehen müssen. Also, solide Haushaltsführung, aber gleichzeitig auch Wachstumsimpulse für die jeweiligen Volkswirtschaften.

    Müller: Kommen wir, Herr Rösler, auf diese gemeinsamen europäischen Staatsanleihen zurück, die diskutiert werden, die Sie heute in Paris nicht diskutieren wollen, das haben wir jetzt alle verstanden, aber ganz Europa, der Rest redet über Eurobonds. Sigmar Gabriel hat vor gut einer Stunde hier im Deutschlandfunk auch gesagt, alles, was bisher gemacht wurde, hat nicht gewirkt, das ist die einzige Möglichkeit, die übrig bleibt. Jetzt berichtet die "Süddeutsche Zeitung", wonach auch innerhalb der Bundesregierung jetzt ernsthafter, konstruktiver darüber nachgedacht wird, ob man nicht doch mit diesen gemeinsamen Anleihen operieren soll.

    Rösler: Wir haben eine klare gemeinsame Überzeugung, dass Eurobonds, ich sag's noch mal, das falsche Signal wären. Es würde bedeuten, dass die Staaten, die sich jetzt anstrengen müssten, eben in der Haushaltspolitik, in der Wirtschaftspolitik, ja sagen könnten, na ja, wir müssen uns gar nicht mehr anstrengen, weil wir demnächst mal, demnächst mit deutscher Hilfe unsere Zinsen gesenkt bekommen, ohne uns anstrengen zu müssen. Und wie gesagt, das kann nicht das Ziel sein. Das wäre auch nicht die Stabilitätsunion, wie wir sie fordern, und die Bundesregierung will gemeinsam genau diese Stabilitätsunion. Deswegen keine Eurobonds, sondern Schuldenbremse, Wettbewerbstest und automatische Sanktionsmaßnahmen.

    Müller: Herr Rösler, die Öffentlichkeit hat in den vergangenen Monaten im Rahmen dieser Finanz- und Eurokrise ja schon häufig gehört, das ist unser letztes Wort, darüber wird nicht zu reden sein. Das heißt, Sie geben uns jetzt hier Ihr Wort, dass wir über Eurobonds wegen der Weigerung der Bundesregierung in den nächsten Monaten gar nicht mehr diskutieren müssen?

    Rösler: Sie werden sehen, dass wir klar hinter dieser Stabilitätsunion stehen, das ist die Position der Bundesregierung, und wir halten im Übrigen – das ist auch aus allen Aussagen der Bundesregierung und anderer Mitglieder der Bundesregierung zu entnehmen – Eurobonds für falsch.

    Müller: FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bei uns im Deutschlandfunk-Interview. Wir haben das Interview aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.