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Europa
EZB vor den Anleihekäufen

Die Europäische Zentralbank will Medienberichten zufolge bei ihrem Kaufprogramm für Staatsanleihen auf Bedenken aus Deutschland und anderen Ländern eingehen. Allerdings bleibt bislang offen, ob der EZB-Rat tatsächlich die nationalen Notenbanken verpflichten wird, nur Anleihen ihrer Heimatländer zu kaufen?

Von Brigitte Scholtes | 19.01.2015
    Im letzten Licht des Tages überragt der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) am 12.01.2015 die Bankenskyline der Mainmetropole.
    Der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main soll am 18. März 2015 offiziell eingeweiht werden. (dpa / picture-alliance / Boris Roessler)
    Das Ob ist keine Frage mehr, nur das Wie. Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass die Europäische Zentralbank an diesem Donnerstag grundsätzlich ein Kaufprogramm für Staatsanleihen beschließen wird. Allerdings bleibt die Spannung hoch: Wird der EZB-Rat tatsächlich die nationalen Notenbanken verpflichten, nur Anleihen ihrer Heimatländer zu kaufen? Die Banque de France dann also nur französische Anleihen, die Deutsche Bundesbank nur Bundesanleihen? Denn dann müsste die Bundesbank nicht mehr für Ausfälle von Staatsanleihen anderer Länder haften, so hieß es am Wochenende in Zeitungsberichten. Doch das gelte eher theoretisch, meint Michael Schubert, EZB-Experte der Commerzbank:
    "Was ist, wenn ein Staat pleitegeht im Eurosystem? Überlegen Sie sich, falls Italien pleitegeht, eins sehr sehr großes Land, rein hypothetisch gesprochen, dann hat das natürlich Auswirkungen auf den gesamten Euroraum, und dann wird es weitere Hilfsprogramme geben. Also, Deutschland wird indirekt schon reingezogen, aber nicht direkt durch die Staatsanleihenkäufe. Denn da hat erstmal die Verluste die italienische Zentralbank zu tragen."
    Rolf Schneider, Volkswirt der Allianz, glaubt nicht, dass die EZB den Notenbanken im Europäischen System der Zentralbanken freie Hand lassen könnte:
    "Ich glaube, es würde auch in dem Fall der Bundesbank nicht freigestellt, ob sie Anleihen ankauft oder nicht. Und dann muss man natürlich auch in Rechnung stellen, dass insbesondere die deutschen Anleihen im Moment extrem hoch bewertet sind. Damit ist, wenn wir einen Zinsanstieg haben, auch ein Bewertungsrisiko verbunden."
    Denn bei einem Zinsanstieg würden die Kurse der Bundesanleihen entsprechend sinken.
    Ankauf-Volumen noch unklar
    Auch die Frage, in welchem Volumen Anleihen am Sekundärmarkt gekauft werden, ist offen: EZB-Chef Mario Draghi hatte zwar von einer Bilanzausweitung von bis zu einer Billion Euro gesprochen. Aber dieses Volumen könnte auch nur nach und nach erreicht werden. Die Notenbank verspricht sich davon, die Inflationserwartungen wieder in die Höhe zu treiben, erklärt Michael Schubert von der Commerzbank, und da erreiche man die größte Wirkung über den Wechselkurs:
    "Der Euro wird abwerten. Das haben wir schon im Vorfeld gesehen, weil die Märkte inzwischen erwarten, dass dieses Programm kommt. Und sie haben das vorweggenommen, und dadurch ist der Euro abgewertet. Und das wird sich fortsetzen, und das wird den größten Effekt haben. Ein schwächerer Euro bedeutet, dass die Inflation steigen wird, weil beispielsweise Öl - in Euro gerechnet - teurer wird."
    Doch zweifeln vor allem Ökonomen in Deutschland noch daran, ob eine geldpolitische Lockerung in diesem Ausmaß erforderlich ist, so auch Rolf Schneider von der Allianz:
    "Das ist sicherlich insgesamt gesehen das Ende der Fahnenstange. Es ist ein Schritt, den die amerikanische Notenbank gegangen ist, inzwischen beendet hat. Und ich glaube nicht, dass er wirklich notwendig ist, weil wir wirklich ganz erhebliche Konjunkturimpulse haben, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa."
    Doch unter den Beobachtern scheint längst klar: Die Erwartungen der Märkte darf die EZB nicht enttäuschen, sie hat sich somit unter Zugzwang gesetzt. Verzichtet sie auf die Ankündigung eines Kaufprogramms, könnte dies einen Ausverkauf an den Finanzmärkten nach sich ziehen.