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Europa jagt himmlische Teilchen

Physik. - Wissenschaftler aus den 25 Ländern der Europäischen Union konkurrieren miteinander um Forschungsgelder, aber sie arbeiten auch oft zusammen, um gemeinsam größere Projekte zu realisieren. Das neueste Netzwerk ist "Aspera" zum Thema Astroteilchenphysik.

Von Dirk Lorenzen | 25.07.2006
    Die Astroteilchenphysik ist ein recht junges Fach. Sie ist noch keine zwanzig Jahre alt. Die Wissenschaftler untersuchen nicht das Licht von Sternen und Galaxien, sondern energiereiche Teilchen, geisterhafte Neutrinos oder Gravitationswellen, die von kosmischen Objekten zur Erde gelangen. Statt mit Teleskopen arbeiten die Forscher mit großen Messapparaturen, um die winzigen Teilchen nachzuweisen. Die Astroteilchenphysiker Europas schließen sich nun zu einem Forschungsnetzwerk zusammen, erklärt der Koordinator Stavros Katsanevas vom Nationalen Französischen Forschungszentrum CNRS in Paris:

    "Die Idee ist, dass die Forschungsagenturen in Europa ihre Arbeit abstimmen. Gemeinsame Mittelbeschaffung und klares Management eines Forschungsprojekts sind ebenso wichtig wie die koordinierte Begutachtung der Arbeit. In der Astroteilchenphysik werden wir unsere Geldmittel zusammentun, um so die großen Geräte zu bezahlen, die man in diesem Gebiet nun einmal braucht."

    Das neue Forschungsnetzwerk ist eine Art Selbsthilfegruppe der Wissenschaftler. Weil die oft recht kleinen Forschergruppen in den 13 bisher beteiligten Ländern allein kaum weiterkämen, hoffen sie nun europäisch koordiniert auf deutliche bessere Arbeitsbedingungen. In der EU haben sich bereits mehr als 70 dieser ERA-Net genannten Forschungsnetzwerke in fast allen Wissenschaftsbereichen bewährt. Das neue Netzwerk mit Namen Aspera widmet sich den ganz großen Fragen:

    "Woraus besteht das Universum? Welche Eigenschaften haben Neutrinos? Woher kommt die kosmische Strahlung? Was ist die Natur der Schwerkraft? In Europa gibt es bereits zwei Detektoren für Gravitationswellen, Geo in Deutschland und Virgo in Italien. Wir wollen, dass diese Einrichtungen gut zusammenarbeiten. Dafür müssen Daten und Arbeitsweisen kompatibel sein."

    Das Netzwerk Aspera soll bestehende Einrichtungen für Forscher anderer Länder leichter zugänglich und die Daten einfacher nutzbar machen. Das vermeidet unsinnige Doppelarbeit. Mittelfristig will das Forschungsnetzwerk auf europäischer Ebene den Aufbau großer Instrumente fördern. Stavros Katsanevas und seine Mitstreiter wollen die nationalen Budgets sinnvoll bündeln.

    "Ein Beispiel sind die Neutrino-Teleskope. Mit denen versuchen wir, Neutrinos zu sehen, die aus den energiereichsten Bereichen im Weltall zu uns kommen. Im Mittelmeer gibt es drei Experimente, die Neutrinos aus dem Galaktischen Zentrum beobachten. Das französisch-deutsche Antares, Nemo vor Sizilien und Nestor vor der griechischen Küste. Jetzt schlagen diese Gruppen gemeinsam der EU vor, im Mittelmeer einen ein Kubikkilometer großen Detektor aufzubauen, um nach Neutrinos zu suchen."

    Ein ähnliches Gerät wird gerade im ewigen Eis am Südpol gebaut, ein Instrument im Mittelmeer wäre die ideale Ergänzung. Doch ein Land allein kann das nicht bezahlen - das Forschungsnetzwerk muss helfen.

    "In zwei Jahren sollten wir einige Instrumente gemeinsam finanzieren können. Im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gibt es das Projekt "ERA-Net-plus": Übernehmen die nationalen Einrichtungen zwei Drittel der Kosten, dann legt die EU ein weiteres Drittel drauf."

    Diesen ab dem kommenden Jahr bestehenden Anreiz wollen die Astroteilchenphysiker zügig nutzen. Europaweit vernetzt und so besser ausgestattet gehen sie dann gemeinsam mit Astronomen und Elementarteilchenphysikern den großen Fragen des Kosmos nach.