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Europa-Kolumne
Maut-Opfer des bayerischen Löwen

Von Alois Berger | 17.12.2014
    Ist unser Verkehrsminister dümmer als seine Kollegen aus Slowenien, Tschechien oder Österreich? Die haben das alle irgendwie hingekriegt mit der Straßenmaut. Egal, wo deutsche Autofahrer in Europa unterwegs sind, fast überall müssen sie für die Benutzung der Autobahnen zahlen. Und die Europäische Union nickt verständnisvoll. Bau und Unterhalt von Straßen kosten schließlich Geld. Bloß bei der deutschen Autobahnmaut, da winkt die EU-Kommission in Brüssel immer wieder ab. Geht nicht, sagt sie. Diskriminiert Ausländer.
    Liegt´s also an Alexander Dobrindt, der vielleicht einfach keine guten Ideen hat? Oder liegt´s an der Ungerechtigkeit der EU-Kommission? Oder ist es vielleicht doch so, dass es eine Gebühr, die alle Europäer gleich behandelt, aber nur von Ausländern bezahlt wird, dass es so eine Gebühr gar nicht gibt? Aber dass niemand in der ganzen Regierung in Berlin weiß, wie man aus dieser blöden Geschichte wieder rauskommt.
    Verstoß gegen die europäische Etikette
    Denn dass die Europäische Union auf der Gleichbehandlung aller EU-Bürger besteht, das hat sich inzwischen auch in Regierungskreisen herumgesprochen. Die entsprechenden Vorschriften hat die deutsche Regierung in Brüssel sogar mitbeschlossen. Sie sollen verhindern, dass sich die EU-Länder gegenseitig das Leben schwer machen. Denn die Neigung, den eigenen Bürgern Geschenke zu machen und die Ausländer dafür zahlen zu lassen, diese Neigung ist unter Regierungen generell weit verbreitet. Slowenien zum Beispiel hatte ursprünglich auch eine Vignette geplant, die vor allem Urlauber belastet hätte. Auf Druck der EU-Kommission musste Slowenien umsteuern.
    Wenn wir Deutsche in anderen EU-Ländern unterwegs sind, dann profitieren wir von dieser europäischen Gleichbehandlung. Aber dafür müssen wir auch akzeptieren, dass EU-Bürger dieselben Rechte in Deutschland haben. Außerdem ist es nicht besonders schlau, vorher im Wahlkampf herumzuschreien, dass auf den Autobahnen jetzt endlich die Ausländer zur Kasse gebeten werden sollen, und zwar nur die Ausländer. Da müsste sich die Europäische Kommission schon sehr taub stellen, um den Verstoß gegen die europäische Etikette nicht zu bemerken.
    Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, ausländische Autofahrer an den Kosten des deutschen Straßennetzes zu beteiligen. So könnte Dobrindt zum Beispiel die Kfz-Steuer durch eine streckenabhängige Maut ersetzen. Die dafür notwendige sündteure Technik steht längst auf allen deutschen Autobahnen. Was bei Lastwagen funktioniert, funktioniert auch bei Personenwagen. Oder eine Maut, die nach der Größe der Wagen gestaffelt ist. Für kleine Autos muss man schließlich nicht dauernd die Parkhäuser größer und die Straßen breiter machen.
    Für Beifall vom Stammtisch
    Es gäbe also viele Lösungen, die nicht nur europatauglich, sondern auch noch sinnvoll wären. Derzeit wird die Kfz-Steuer zum Beispiel in erster Linie nach Hubraum bemessen, das ist so ziemlich die unsinnigste aller denkbaren Kategorien.
    Vielleicht weiß Verkehrsminister Dobrindt das sogar. Dumm ist nur, dass sein Parteivorsitzender Horst Seehofer davon nichts wissen will. Der CSU-Chef will keine sinnvolle Lösung, sondern den Beifall der Stammtische. Seehofer hat die Ausländermaut versprochen, und jetzt? Jetzt will er den Konflikt offensichtlich auskosten. Seehofer scheint es zu genießen, dass sich die meisten Regierungspolitiker in Berlin zwar unwohl fühlen mit der Maut, sich aber nicht trauen, die Pläne zu stoppen. Das soll die Europäische Kommission erledigen, und da wird Horst Seehofer seinen Stammtischbrüdern dann zeigen, wie ein bayerischer Löwe kämpft.
    Nur Verkehrsminister Alexander Dobrindt wird ein bisschen dumm dastehen, wenn ihm sein Mautkonzept um die Ohren fliegt. Aber darauf kann Seehofer jetzt keine Rücksicht nehmen. So ein zünftiges Europabashing, gegen Ausländer und gegen die Brüssel, für einen richtigen Populisten gibt es doch gar nichts Schöneres.