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Europäische Bankenaufsicht
"Ansiedlung bei der EZB unglücklich"

Der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold setzt viele Hoffnungen in die europäische Bankenaufsicht, die ab heute die europäischen Großbanken kontrollieren soll. "Der Kuschelkurs mit den Banken muss aufhören," sagte er im DLF. Die Ansiedlung der Behörde bei der EZB sieht er allerdings kritisch.

Sven Giegold im Gespräch mit Jule Reimer | 04.11.2014
    Grünen-Politiker Sven Giegold bei der Präsentation der Europawahlkampagne im April 2014
    Grünen-Politiker Sven Giegold (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Jule Reimer: Eine Ausnahme, ein kleiner Lichtblick in der Konjunkturprognose der EU-Kommission bildet Spanien, das erst Ende 2013 aus einer zweiten Rezession herauskam. Es erlebte im Sommer Dank einer starken Urlaubssaison eine leichte Erholung. Doch jetzt im Oktober zog die Zahl der Arbeitslosen den dritten Monat in Folge wieder an. Und auch Spaniens Banken geht es nicht so gut, obwohl sie beim Stresstest gar nicht so schlecht abschlossen.
    Die spanischen Banken wurden bisher von der spanischen Bankenaufsicht kontrolliert. Ab heute übernimmt jedoch die Europäische Zentralbank die Aufsicht über alle großen - wie heißt es so schön? - systemrelevanten Banken in der Europäischen Union. 120 sind es. Vor dieser Sendung sprach ich mit dem grünen Europaabgeordneten Sven Giegold, der im Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europaparlament sitzt, und fragte ihn, ob die gerade geschilderte Situation der spanischen Banken typisch für die der anderen Banken in der Europäischen Union wäre.
    Sven Giegold: Nein. In Spanien ist die Situation natürlich besonders angespannt, denn ein Land, das lange in der Rezession war, dort häufen sich natürlich faule Kredite auf, und wenn in einem Land die Wachstumsdynamik nicht so im Gange ist, dann werden auch keine neuen Kredite an bessere Schuldner vergeben und darunter leiden die spanischen Banken. Wir haben natürlich eine ähnliche Situation in anderen Krisenländern. In Deutschland ist die Lage sicherlich anders, denn die deutschen Banken haben sich auch einer ganzen Menge fragwürdiger Engagements entledigen können.
    "Das ist unglücklich"
    Reimer: Was muss denn Danièle Nouy, die neue Chefin der europäischen Bankenaufsicht, als erstes tun?
    Giegold: Aus meiner Sicht hat sie ja nun schon mal angefangen. Seit einem Jahr bereitet sie den Aufbau dieser Aufsicht vor, mit großem Erfolg, denn die Behörde funktioniert, und was da in einem Jahr in Frankfurt geleistet wurde, ist schon bedeutend. Aber was entscheidend ist, ist, dass sie eine neutrale und harte Aufseherin wird, dass sie sich also weiterhin jedem Verdacht entledigt, dass die EZB bei bestimmten Ländern weniger scharf hingucken würde als anderen, denn das ist das große Versprechen dieser Aufsicht, dass der Kuschelkurs mit den jeweilig heimischen Banken aufhört, den die nationalen Aufseher betrieben haben, sondern wir jetzt eine gute und harte Aufsicht für alle bekommen.
    Reimer: Da sind wir schon bei dem ersten Interessenkonflikt. Die Europäische Zentralbank versorgt als Zentralbank die Banken mit Geld. Und jetzt soll dieselbe Institution über die systemrelevanten Banken wachen?
    Giegold: Das ist unglücklich und es besteht ein Spannungspunkt dort. Umgekehrt kann man sagen, dass natürlich die EZB durch ihre geldpolitische Funktion auch besonders viel weiß über die Banken, was bei der Aufsicht helfen kann. Vor der weltweiten Finanzkrise gab es beide Modelle, die völlige Trennung von der Geldpolitik als auch viele Länder, in denen die Finanzaufsicht verwoben war mit der Zentralbank. Man kann nicht sagen, dass das eine besser war als das andere. Gescheitert sind Finanzaufsichten beiden Typus'. Besser wäre gewesen, das Ganze außerhalb der EZB anzusiedeln. Das ging aber mit den EU-Verträgen nicht, wie sie jetzt sind, und wir hatten deshalb nur die Wahl, entweder wir machen das Ganze jetzt bei der EZB, oder wir lassen es bei den nationalen Aufsichten, und das wäre die schlechtere Lösung gewesen.
    Niedrigzins: "Dass das in Deutschland beklagt wird, ist grotesk"
    Reimer: Nun versucht die Europäische Zentralbank unter ihrem Chef Draghi durch ihre Zinspolitik oder durch die geplanten Aufkäufe sogenannter ABS-Papiere, also verbrieften Kreditbündeln, die Banken dazu zu bringen, wieder mehr Kredite zu vergeben. Das gilt im Ex-D-Mark Land Deutschland als politische Absicht sowieso schon als Sündenfall in der Geldpolitik. Aber selbst wenn man das jetzt nicht so streng sehen würde, die Bankenaufsicht bei der EZB soll künftig ja auch die Geschäftsmodelle der Banken bewerten und die Banken dann gegebenenfalls auch abwickeln, wenn diese Geschäftsmodelle sich nicht lohnen, also dicht machen. Sind dann nicht doch die Interessenkonflikte bei den verschiedenen Aufgabenbereichen der EZB, oder auch eine Verwebung von Interessen vorprogrammiert?
    Giegold: Da muss man erst mal mehrere Dinge unterscheiden. Wenn die Wirtschaft der Euro-Zone in einer tiefen Krise steckt und gleichzeitig die Mitgliedsländer sich nicht einigen können, vernünftige Politik für die Euro-Zone als Ganzes zu machen - da ist sehr viel geredet worden, es wurde gemeinsam gespart, aber um die Wirtschaft in Gang zu bringen, ist sehr wenig passiert -, dass dann die Zentralbank mit niedrigen Zinsen reagiert, das ist ganz normal und da kann man auch Herrn Draghi überhaupt keinen Vorwurf machen. Dass das in Deutschland beklagt wird, ist in gewisser Weise grotesk, weil in Deutschland gleichzeitig die Instrumente, mit denen man gemeinsame Investitionen in Europa voranbringen könnte, mit denen man die Wachstumskräfte in den schwächeren Staaten stimulieren könnte, die wurden immer bekämpft. Seien es Eurobonds, seien es gemeinsame Investitionsprogramme, immer kam das Nein aus Deutschland. Sehr kritisch sehe ich allerdings auch die ABS-Aufkaufprogramme. Da geht die EZB über das hinaus, aus meiner Sicht, was sie eigentlich tun sollte, vor allem dann, wenn man gleichzeitig noch Banken und Versicherungen auch noch schmackhaft machen will, diese Papiere ebenso zu niedrig gerechneten Risiken in ihre Bücher zu nehmen. Die Kritik von Herrn Weidmann an diesem Punkt kann ich sehr wohl nachvollziehen.
    Reimer: Ab heute überwacht die EZB auch die großen europäischen Banken und das Gespräch mit dem Europaabgeordneten Sven Giegold haben wir heute Nachmittag aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.