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Europäische Sammelwut

In der Vergangenheit sorgte der Datenhunger der US-Administration immer wieder für Unmut in der alten Welt. Kaum aber einigte sich die Europäische Union mit den USA auf die Übermittlung von Fluggastdaten, wachsen in Europa selbst die Begehrlichkeiten, Fluggastdaten ebenfalls zu sammeln.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 07.07.2007
    Manfred Kloiber: Am Dienstag hat EU-Justizkommissar Franco Frattini Pläne vorgestellt, die europäischen Daten von Fluggästen zu sammeln und auszuwerten. Wie konkret sind denn die Pläne für eine EU-Fluggastdatenbank, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Justizkommissar Franco Frattini ist am Dienstag erstaunlich abstrakt geblieben und hat lediglich gefordert, man müsse die in Europa gesammelten Daten von Fluggästen auch innereuropäisch auswerten, um den Kampf gegen den Terrorismus zu verbessern. Im Wesentlichen hat Frattini damit Vorschläge von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble aufgegriffen, der zuvor ein europäisches System der Auswertung für die Fluggastdaten gefordert hat. Diese Forderung Schäubles hat Frattini noch einmal unterstrichen und an die 27 Mitgliedsstaaten der EU appelliert, sich an einem entsprechenden europaweiten Abkommen über die Auswertung von Fluggastdaten zu beteiligen. Das ist der offizielle Stand der Dinge.

    Kloiber: Welche Daten sollen denn konkret ausgewertet werden?

    Welchering: Das muss noch beraten werden, sagt Justizkommissar Frattini. Aber die berühmten der EU-Kommission nahe stehenden Kreise haben natürlich auch über den Fluggastdaten-Vorstoß Frattinis diskutiert. Man darf sogar sagen, dieser Frattini-Appell und Vorschlag hat am Mittwoch und Donnerstag Brüssel enorm bewegt. Und bei diesen Diskussionen wurde der Nebel über die EU-Fluggastdaten ein wenig gelichtet. Das entsprechende Abkommen mit den Vereinigten Staaten sieht ja vor, dass bei Buchung und Boarding von besonderen Ernährungswünschen eines Reisenden über den Zielflughafen bis zur Zahlungsart Daten erhoben und an die amerikanischen Sicherheitsbehörden übermittelt werden. Ja, und da gibt es jetzt die Überlegung, in einem ersten Schritt diese Daten, die ja ohnehin schon erhoben werden, in eine EU-Datenbank einzupflegen und auszuwerten. Ob diese Datenbank nun bei der EU-Kommission stehen wird, vielleicht beim Justizkommissar, oder ob diese Datenbank bei Eupol angesiedelt sein wird oder ob vielleicht einer der EU-Mitgliedsstaaten diese Datenbank für alle anderen EU-Länder mit aufbaut und pflegt, das ist alles noch nicht entschieden. Zugriff haben sollen auf diese Datenbank die Sicherheitsbehörden aller 27 EU-Länder, vorausgesetzt, sie beteiligen sich an einem entsprechenden Abkommen über die Auswertung und Pflege der Daten.

    Kloiber: Sollen auch Daten von Reisenden in die EU hinein erfasst werden?

    Welchering: Das ist in Brüssel tatsächlich diskutiert worden. Vor allen Dingen britische Sicherheitsexperten haben geltend gemacht, dass solch eine Fluggastdatenbank im Kampf gegen den Terrorismus eigentlich nur sinnvoll sei, wenn die Daten aller in einem europäischen Flughafen ankommenden Reisenden erfasst würden. Das aber würde bedeuten, dass zum Beispiel die Daten von Reisenden aus den USA in die EU auch erfasst werden müssten. Das sieht das Fluggastdatenabkommen mit den USA bisher nicht vor. Und es gibt Signale aus dem amerikanischen Heimatschutzministerium, dass eine solche Datenerhebung von US-amerikanischen Flughäfen aus nicht unbedingt die Unterstützung amerikanischer Regierungsbehörden finden würde. Also bleibt es zunächst einmal bei den Reisenden, die von einem europäischen Flughafen aus starten.

    Kloiber: Ist bei der Auswertung der europäischen Fluggastdaten die Kopplung mit Daten aus anderen Datenbanken vorgesehen, wie zum Beispiel der Antiterrordateien?

    Welchering: Das ist heftig umstritten und wird zurzeit auf der Arbeitsebene diskutiert. Problematisch ist dabei, dass solche Datensammlungen wie etwa die Anti-Terror-Datei in Deutschland auf rein nationalem Recht fußen. Es gibt bisher keinen Ansatzpunkt, die Daten der Anti-Terror-Datei einfach anderen Staaten zur Verfügung zu stellen. Zwar wird zwischen dem amerikanischen Heimatschutzministerium und dem Bundesinnenministerium darüber gesprochen, aber der Innenausschuss des Bundestages hat hier schon recht kräftig den Zeigefinder erhoben und darauf hingewiesen, dass das Parlament bisher eine solche Datenweitergabe nicht vorgesehen hat.