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Europäische Union
Geld für Saarlands Gärtner

Gartenpflanzen mal schnell im Baumarkt kaufen, weil sie dort einfacher günstiger sind: Gegen diese Konkurrenz müssen sich alteingesessene Gärtnereien absetzen können. Dabei können sie auf Zuschüsse des europäischen Landwirtschaftsfonds zurückgreifen, wie ein Beispiel aus dem Saarland zeigt.

Von Tonia Koch | 10.09.2015
    Gurkenernte im Gewächshaus
    Gurkenernte im Gewächshaus (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Die Pflanzen in der Gärtnerei Dörrenbächer haben eine kleine Verschnaufpause eingelegt. Die Stiefmütterchen halten ihre Blüten noch geschlossen.
    "Das braucht noch ein bisschen Zeit, Ende September läuft alles erst wieder an."
    Die Seniorchefin Christine Wolf und ihre beiden Töchter Anne und Kathrin haben Großes vor, sie bauen im saarländischen Wemmetsweiler eine neue Gärtnerei.
    "So, das hier ist der Übersichtsplan über unser Betriebsvorhaben, und zwar wird eine Floristikhalle entstehen, ein Bau aus Lärchenholz und daran schließt sich ein Gewächshaus an, in dem wir unsere Pflanzen produzieren und auch direkt verkaufen. Und ringsum befinden sich Schaugärten, in denen sich die Kunden Anregungen holen."
    Auch Schafe, die das Gras kurz halten und Laufenten, die sich über Schnecken hermachen, gehören zum Konzept. Der Kunde müsse sich wohlfühlen wie in einem Landschaftspark, nur so könne man heute gegen die Konkurrenz der Baumärkte bestehen, glaubt Anne, die Floristin im Hause Dörrenbächer.
    "Auf jeden Fall machen wir etwas ganz anderes. Wir bieten Qualität, wir bieten Dienstleistung, wir kennen uns aus, wir machen das mit großer Leidenschaft, das unterscheidet uns einfach vom Baumarkt."
    Sechs Jahre hat es gedauert von den ersten Überlegungen bis zum geplanten Spatenstich in diesem Herbst. Mit einem tragfähigen Businessplan unter dem Arm hat sich die Familie schließlich um Zuschüsse des europäischen Landwirtschaftsfonds beworben. Ohne wäre der Neubau der Gärtnerei kaum möglich gewesen, sagt Vater Ludger.
    "Ich denke, dafür ist eine solche Förderung ja auch da, dass Betriebe eine Zukunft haben, und ohne die Förderung hätten wir dieses Projekt nicht stemmen können."
    Die EU fördert sowohl den Entschluss der jungen Frauen, sich in der Landwirtschaft zu engagieren, als auch die Investition in den Betrieb. Solche Fördermaßnahmen, die der Verbesserung der bäuerlichen Infrastruktur dienen, begrüßt der saarländische Bauernverband ausdrücklich. Anders sieht es mit den sogenannten Agrar-Umweltmaßnahmen aus. Wenn Prämien dafür gezahlt werden, dass das Grünland entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt genutzt wird, dann sei das die falsche Strategie, argumentiert der Hauptgeschäftsführer des saarländischen Bauernverbandes, Hans Lauer:
    "Da lockt man die Landwirte weiterhin in die Extensivierung, wir sehen allerdings wie in einem Jahr 2015 mit erheblicher Trockenheit, dann in vielen Betrieben aufgrund der extensiven Wirtschaftsweise die Futtergrundlage fehlt."
    Auch Blühstreifen, die für mehr biologische Vielfalt sorgen sollen und deshalb finanziell gefördert werden, seien nur was fürs Auge, die Bienen und die Imker.
    "Für die Landwirtschaft ist das ein Spiel von der rechten in die linke Tasche. Der Landwirt erhält 600 Euro pro Hektar und das ist ungefähr der Aufwand, den er betreiben muss, um diese Blühfläche für dieses eine Jahr herzustellen."
    Allerdings mache die EU Vorgaben, die eingehalten werden müssten, kontert der saarländische Umwelt- und Landwirtschaftsminister Reinhold Jost.
    "Es ist so, dass wir 30 Prozent für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen müssen von den zur Verfügung gestellten Mitteln."
    Auch der Ökolandbau profitiert
    Auch die Prioritätensetzung zugunsten des ökologischen Landbaues im Saarland, sieht der Verband kritisch.
    "Wir sehen es so, dass die Produktionsrichtung, die der Landwirt einschlägt, ihm überlassen sein muss."
    Der Minister hält dagegen.
    "Was das Thema Ökolandbau im Saarland angeht, darauf sind wir stolz. Und in der jetzigen Situation, Stichwort Milchpreisentwicklung, stellt sich heraus, dass im Bereich der Bio-Landwirte relativ wenige über Probleme klagen im Vergleich zu den traditionellen Landwirten."
    Im Stall von Berthold Schneider stehen 165 Milchkühe. Er hat seinen Tieren einen neuen Stall gebaut, halb offen mit viel Licht und frischer Luft, mit großzügigen Liege- und Fressplätzen. Das zahle sich aus.
    "Wir sind seit zwölf Monaten im Stall drin und wir haben jetzt schon eine Leistungssteigerung von ungefähr 1.000 Litern, und rechnen in den nächsten beiden Jahren mit weiteren 1.000 Litern pro Kuh, so dass wir 10.000 Liter pro Kuh und Jahr erreichen können."
    Vier Jahre hat der konventionell wirtschaftende Milchbauer überlegt, ob er den Investitionsschritt wagen soll. Er hat über eine Million Euro aufgewendet, ein Drittel davon Zuschüsse aus der EU- Agrarförderung. Ziel war es, die Milchproduktion zu steigern, um damit ein zweites Einkommen zu erwirtschaften, damit der Sohn in den Betrieb einsteigen kann. Aber die aktuelle Preiskrise gefährde diese Zielsetzung.
    "Es ist nicht die erste Krise. 2009 waren wir heruntergefallen bis auf 22 Cent. Damals hatten wir noch keine Investition in diesem Ausmaß getätigt, das konnte der Betrieb ganz gut wegstecken. In diesem Jahr ist das erheblich schlimmer mit der frischen Investition. Im Moment tun wir uns schwer, den Kapitaldienst aufzubringen."
    Ohne Fördermittel hätte auch Berthold Schneider nicht gebaut. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass er mit Hilfe der Förderung auf die falsche Fährte gelockt worden ist. Schneider sieht das anders.
    "Mit der Förderung erreicht man, dass die Betriebe konkurrenzfähig bleiben. Selbst in dem einigen Europa gibt es sehr deutliche Unterschiede, Löhne sind günstiger, natürliche Voraussetzungen sind günstiger. Mittlerweile liegen wir ja im weltweiten Wettbewerb, da sind diese Unterschiede noch viel stärker. Und die EU tut gut daran, hier Förderung zu machen."
    Angesichts der europäischen Milchkrise bestehen an der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe vom Zuschnitt Berthold Schneiders erhebliche Zweifel. Der europäischen Förderpraxis fehlt es zuweilen an Weitsicht.