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Europäische Union
Glyphosat-Entscheidung vertagt

Darf der Unkraut-Vernichter Glyphosat in Europa weiter verwendet werden oder nicht? Die Entscheidung darüber ist - wieder einmal - vertagt worden. Das zuständige EU-Fachgremium wollte nicht darüber abstimmen lassen. Das liegt auch an Deutschland.

19.05.2016
    Der Traktor fährt auf einem grünen Feld; im Hintergrund sieht man Wald, Berge und einen beigen Kirchturm mit Zwiebelspitze
    Die EU-Kommission trifft keine Entscheidung über den Einsatz von Glyphosat (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Nachrichtenagenturen meldeten unter Berufung auf EU-Kreise, die Abstimung sei vertagt worden, "da zum jetzigen Zeitpunkt keine qualifizierte Mehrheit für den Kommissionsvorschlag absehbar" sei, das Mittel weiter zuzulassen. Die aktuelle Sitzung des Fachgremiums hatte gestern begonnen und war heute in den zweiten Tag gegangen. Schon im Vorfeld hatte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) vermutet, dass es wohl nicht zu einer Abstimmung kommen werde. Da es mit der SPD weiter keine Einigung gebe, hätte sich Deutschland in diesem Falle enthalten müssen, sagte Schmidt heute früh im Deutschlandfunk.
    Schmidt mit ernstem Blick vor einem grauen Hintergrund.
    Für eine weitere Zulassung von Glyphosat: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). (imago stock & people)
    Die Bundesregierung hat bislang keine einheitliche Position in der umstrittenen Frage. Schmidt ist für die routinemäßige Glyphosat-Neuzulassung, die SPD-Minister sind dagegen. Das häufig eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel steht seit Jahren in der Diskussion, weil es angeblich Krebs verursachen könnte. Experten internationaler Organisationen und die Behörden der EU und mehrerer Staaten, darunter Deutschlands, sehen keine Gefahr.
    Der Fraktionschef der Konservativen im Europäischen Parlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, bedauerte die deutsche Uneinigkeit. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa, dies sei grundsätzlich schade, weil das größte Land der EU bei solchen Fachentscheidungen in Brüssel Orientierung geben sollte, in welche Richtung der Kontinent gehe.
    Alleingang der EU-Kommission möglich
    Damit ist weiter nicht klar, ob das Unkrautvernichtungsmittel auch in Zukunft in Europa verwendet werden darf. Die EU-Kommission will über die Wiederzulassung nur abstimmen lassen, wenn sich die EU-Staaten mehrheitlich auf eine gemeinsame Haltung einigen. Das ist bisher nicht passiert. Das deutsche Votum hat in Brüssel großes Gewicht, da bei der Mehrheitsregelung auch die Bevölkerungsgröße zählt. Auch Frankreich und andere Länder haben noch keine eindeutige Position und angedeutet, sich bei einer Abstimmung zu enthalten. Am Ende könnte die EU-Kommission die Zulassung auch im Alleingang vorantreiben.
    Greenpeace will komplettes Verbot
    In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird Glyphosat vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung verwendet. In Deutschland kommt es auf rund 40 Prozent der Felder zum Einsatz. Die EU-Kommission schlägt eine Neuzulassung der Substanz in Europa für neun Jahre vor - im März hatte sie noch eine Frist von 15 Jahren angeregt. Auch das Europäische Parlament sprach sich in einer - allerdings nicht bindenden - Resolution ebenfalls für eine weitere Zulassung aus, allerdings nur für sieben Jahre. Die europäische Zulassung für Glyphosat läuft Ende Juni aus. Der Umweltschutzorganisation Greenpeace geht das nicht weit genug. "Eine Verkürzung der Glyphosat-Lizenz schützt Menschen und Umwelt nicht. Das tun nur deutliche Einschränkungen oder ein Komplettverbot", erklärte Sprecherin Franziska Achterberg.
    Eine Marmorplatte mit der Aufschrift "Monsanto" steht senkrecht in einem Kiesbett vor einem Rasen.
    Bayer-Übernahmekandidat: Der US-Konzern Monsanto (hier das Firmenlogo am Sitz in St. Louis). (AP)
    Bayer vor Monsanto-Übernahme - Aktie auf Talfahrt
    Parallel zur politischen Diskussion deutet sich auf dem Markt für Glyphosat eine wichtige Übernahme an: Der deutsche Chemieriese Bayer will den amerikanischen Saatgut- und Pestizid-Hersteller Monsanto übernehmen, um sein Agrarchemie-Geschäft zu stärken.
    Monsanto stellt neben gentechnisch veränderten Produkten auch den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter "Roundup" her, der Glyphosat enthält. Weltweit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 21.000 Menschen, fast die Hälfte davon in den USA. Der Konzern ist in 66 Ländern vertreten - auch in Deutschland.
    Bayer kündigte die Absicht zur Übernahme am Donnerstagmorgen an, danach gingen die Aktien des Leverkusener Unternehmens auf Talfahrt. Monsanto selbst zeigte sich von der Offerte aus Leverkusen wenig begeistert: Das Angebot sei "ungebeten und unverbindlich".
    (rm/mg)