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Europäische Union
Oettinger stellt EU-Haushaltsentwurf vor

Besserer Schutz für Europas Außengrenzen und mehr Verteidigungsforschung - das sind nur einige der Posten, für die EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger ab 2021 mehr Geld von den EU-Mitgliedsstaaten fordert. Bisher haben nur Deutschland und Frankreich ihre Bereitschaft dazu signalisiert.

Von Peter Kapern | 02.05.2018
    EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger
    Nach Oettingers Rechnung fehlen in den künftigen EU-Budgets unterm Strich 20 bis 24 Milliarden Euro - pro Jahr (imago stock&people)
    Viele Wochen lang hat Haushaltskommissar Günter Oettinger die Hauptstädte der EU-Mitgliedstaaten abgeklappert. Um dafür zu werben, künftig mehr Geld nach Brüssel zu überweisen. Bei den meisten seiner Gesprächspartner holte er sich einen Korb ab. Und das, obwohl die EU vor tiefgreifenden finanziellen Veränderungen steht. Zum einen reißt der Brexit ein Loch in die Kassen, schließlich zählt das Vereinigte Königreich zu den sogenannten Nettozahlern.
    "Nach Ausscheiden der Briten gehen wir von einer Lücke von zwölf bis 14 Milliarden Euro jährlich aus."
    Zum anderen haben die Mitgliedstaaten in den letzten Jahren der EU immer neue Aufgaben zugewiesen. Aufgaben, die nach ihrer Ansicht viel besser auf europäischer als auf nationaler Ebene gelöst werden können. Die aber auch finanziert werden müssen:
    "Die Migrationsaufgabe - Grenzschutz, Grenzkontrolle, Terrorismusbekämpfung, Zusammenarbeit der europäischen Polizei, Verteidigungsforschung - wir gehen bei diesen neuen Aufgaben von acht bis zehn Milliarden Euro jährlich aus."
    Kompensation durch Einsparungen
    Unter dem Strich fehlen also in den künftigen Budgets der EU nach Oettingers Rechnung 20 bis 24 Milliarden Euro - pro Jahr. Einen Teil davon, etwa sieben bis neun Milliarden Euro, will der Haushaltskommissar durch Einsparungen an anderer Stelle kompensieren. Zum Beispiel im Agrarbudget und im Kohäsionsfond, den größten Einzeletats der EU. Sie sollen um jeweils etwa sechs Prozent gekürzt werden.
    Allein das hat schon zu massiven Protesten in den Mitgliedstaaten geführt. Schließlich will kein Land auf irgendwelche Mittelzuweisungen aus Brüssel verzichten. Den Rest der Deckungslücke, also etwa 13 bis 15 Milliarden Euro, sollen die Mitgliedstaaten stopfen - durch höhere Überweisungen nach Brüssel. Auch diese Forderung haben alle bis auf zwei Mitgliedstaaten zurückgewiesen.
    Beihilfen künftig nur gegen Reform-Verpflichtung
    Nur Deutschland und Frankreich haben signalisiert, dass sie sich die Europäische Union künftig mehr Geld kosten lassen wollen. Allein dieser Streit um Einsparungen und höhere Mitgliedsbeiträge reichte an sich schon aus, um ein langes, hartes und dramatisches Ringen um die neue mittelfristige Finanzplanung zu garantieren. Oettingers Ambitionen aber gehen noch weiter. Eine Reihe von Mitgliedstaaten haben nämlich gefordert, gemeinsam mit dem Haushalt neue Bedingungen für den Bezug von Fördergeldern aus Brüssel im EU-Regelwerk zu verankern.
    Konditionalität - so lautet der Fachbegriff, der Sprengstoff birgt. Zum einen will Oettinger erreichen, dass Mitgliedstaaten Geld aus Brüssel ökonomisch sinnvoller einsetzen. Die Beihilfen aus Brüssel gehen zu häufig für sinnlose Renommierprojekte drauf, während die nationalen Politiker gleichzeitig die wirtschaftspolitischen Empfehlungen für Reformen, die die EU-Kommission im Zuge des sogenannten europäischen Semesters ausspricht, in den Wind schlagen. Beides soll künftig verknüpft werden - der Bezug von Beihilfen und die Verpflichtung zur Reform:
    "Wir wollen, dass das europäische Semester und die darauf aufgebauten länderspezifischen Empfehlungen - das die noch stärker als bisher eine Richtschnur sind, eine verbindliche Richtschnur sind, wofür man Mittel aus Europa abrufen sollte."
    Wo keine unabhängigen Richter, da kein Geld
    Außerdem glaubt der Haushaltskommissar, durch eine neue Regel eine Demontage des Rechtsstaats wie in Polen stoppen zu können. Geld gibt´s nur noch, wenn die Justiz funktioniert:
    "Wir müssen, indem wir Geld vergeben, garantieren können, dass im Streitfalle unabhängige Richter die Mittelbewilligung oder auch die Rückzahlung entscheiden."
    Und wo es keine unabhängigen Richter mehr gibt, da soll auch kein EU-Geld mehr fließen. Es zeichnet sich also schon jetzt ab, dass die Verhandlungen über den neuen Mittelfristigen Finanzrahmen beinhart werden. Und dass sie sich weit länger hinziehen werden, als Finanzkommissar Oettinger sich das wünscht.
    Bis zum Beginn des Europawahlkampfs im Frühjahr 2019 sollte seiner Meinung nach das Finanzpaket mit einem Gesamtumfang von rund 1,1 Billionen Euro geschnürt sein. Realistischer Weise dürfte das Feilschen aber mindestens ein Jahr länger dauern.