Donnerstag, 28. März 2024

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Europäische Wochen in Passau
Abgespeckte Festspiele ohne Intendant

Die Europäischen Wochen in Passau und ihr Intendant haben sich getrennt, einvernehmlich heißt es. Im Vorfeld gab es Haushaltsüberschreitungen. In der Folge finden die 66. Festspiele nicht nur ohne künstlerischen Leiter, sondern auch in abgespeckter Form statt - einige Veranstaltungen wurden gestrichen.

Von Thomas Senne | 04.06.2018
    Musiker der Brandenburger Symphoniker spielen am 30.07.2013 in Rheinsberg (Brandenburg) im Heckentheater des Schlossparks bei der Aufführung der Phantastischen Oper "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach.
    Musiker der Brandenburger Symphoniker spielen am 30.07.2013 in Rheinsberg (Brandenburg) im Heckentheater des Schlossparks bei der Aufführung der Phantastischen Oper "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach. (picture alliance / Jens Kalaene)
    Eigentlich hätte alles so schön werden können in diesem Jahr bei der 66. Ausgabe der Europäischen Wochen in Passau. Doch es kam anders. Denn der seit letztem Jahr amtierende Thomas E. Bauer – immerhin der zehnte Intendant seit Bestehen der Festspiele – schmiss hin. Im gegenseitigen Einvernehmen, sagt Rosemarie Weber, Vorstandsvorsitzende des Trägervereins.
    "Wir hatten ein Problem mit der Haushaltsüberschreitung. Wir haben einen fixen Haushalt mit 1,5 Millionen, der uns zur Verfügung steht. Wir haben bedauerlicherweise keine Rücklagen. Das heißt: Der Haushalt muss auch direkt eingehalten werden. Und wenn man feststellt, dass man Überschreitungen hat, muss man irgendwo die Notbremse ziehen. Was geschehen ist. Wir haben einen Aufhebungsvertrag geschlossen aus den Gründen, dass wir eben nicht einig waren, wie jetzt mit der Haushaltsüberschreitung umzugehen ist. Und wir haben dann eben gesagt, wenn man da nicht mehr an einem Strang zieht, dann funktioniert das nicht mehr. Und das war eben dann für uns alle im Einvernehmen, dass wir gesagt haben: Wir machen hier einen Cut und trennen uns."
    Thomas E. Bauer zu keiner Stellungnahme erreichbar
    Der Intendant Thomas E. Bauer, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, ist also weg. Langweilig wird es dem international tätigen Bariton sicher nicht werden. Hat er doch noch das Konzerthaus im oberpfälzischen Blaibach, in dem er sich seit 2014 künstlerisch verwirklicht. Egal ob in Blaibach oder bei den Europäischen Wochen - künstlerische Visionen sind die eine Sache, ihre Umsetzung oft ein ganz andere. Und genau an diesem Punkt scheinen die Vorstellungen in Passau weit auseinander gegangen zu sein. Zu weit, wie Rosemarie Weber erläutert.
    "Ein Intendant braucht einen gewissen Spielraum, der natürlich vom Schatzmeister überprüft wird. Was auch geschehen ist. Und da gab es dann schon Differenzen. Hier haben wir natürlich arbeitgebermäßig versucht, diese Fragen zu klären. Was nicht ganz einfach war und auch zu weiteren Differenzen geführt hat. Ich muss immer sagen: Ich kann kein Schloss bauen, wenn ich nur für ein Haus das Geld habe. Hier war halt die Diskrepanz."
    Die Folge: Die Festspiele müssen in diesem Jahr nicht nur ohne Intendant, sondern auch in abgespeckter Version stattfinden. Während die Veranstaltungen in Österreich und Tschechien trotz der Finanzprobleme durchgeführt werden können, mussten beispielsweise der "Jedermann" in Burghausen und Mozarts "Zauberflöte" auf der Seebühne von Aldersbach ersatzlos gestrichen werden. Dennoch sind Finanzierungslücken übrig, die allerdings mit Hilfe von Sponsoren geschlossen werden sollen.
    "Wir haben von den Konzerten her soweit wie möglich die Konzerte beibehalten, die bereits schriftlich fixiert waren. Die Konzerte, die noch nicht schriftlich fixiert waren, haben wir versucht, ins nächste Jahr 2019 zu schieben. Und die Konzerte, die man nicht verschieben konnte, haben wir natürlich versucht, mit den Künstlern zu verhandeln."
    Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen
    Natürlich wolle man aus den Vorkommnissen lernen, erzählt Rosemarie Weber und will das Programm und die Organisationsstruktur des Festivals in den nächsten Monaten fit für neue Herausforderungen machen. Immerhin habe man schon in der Vergangenheit ganz andere Probleme gemeistert. Beispielsweise das Jahrhunderthochwasser 2013, als der hochkarätige Veranstaltungsreigen wegen Überschwemmungen buchstäblich abzusaufen drohte und nur durch beherztes Eingreifen der Verantwortlichen und Bürger gerettet werden konnte.
    "Die Struktur ist natürlich schon eine etwas schwierige, weil ein Intendant mit relativ viel Freiraum ausgestattet ist und von rein ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern kontrolliert werden muss. Was nicht ganz einfach ist. Zum einen vom zeitlichen Aufwand her, zum anderen auch von den künstlerischen Ideen her können da auch Diskrepanzen auftreten. Und man wird sich jetzt schon noch mal zusammensetzen und sagen: Wie können wir daraus lernen? Und: Was können wir besser machen in der Zukunft, dass es nicht wieder passiert."
    Apropos Zukunft: Wie sieht die eigentlich aus? Wird es überhaupt die nächsten Jahre noch die Europäischen Wochen in Passau geben? Daran lässt die Vorsitzende des Festspielvereins keinerlei Zweifel, meint aber, dass die Mammutveranstaltung künftig wohl etwas verjüngt und verschlankt über die Bühne gehen wird – mit einem neuen Intendanten, der das torkelnde kulturelle Flaggschiff in dem Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien wieder flott machen muss. Bewerbungen gibt es schon jetzt zuhauf, aber noch keinen designierten Nachfolger.
    "Beim jetzigen Stand ist es so, dass die Festspiele auch für die Zukunft gesichert sind. Und da bin ich sehr froh drüber. Und vor allem auch der europäische Gedanke: Das war ja auch der Ursprungsgedanke, dass man gesagt hat: Wir wollen ein vereinigtes Europa und zu einer Zeit, zu der kein Mensch an ein vereintes Europa gedacht hat, wo kein Mensch daran gedacht hat über Kultur solche Dinge zu regeln. Und ich denke, gerade in der heutigen Zeit ist Europa so wichtig, wichtiger als in vielen Jahren zuvor. Und das ist für uns natürlich auch Auftrag."