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Europäischer Filmpreis
Das ausgezeichnete Schwarz-Weiß-Drama "Ida"

Das Drama "Ida" des polnischen Regisseurs Pawel Pawlikowski hat den Preis als bester Europäischer Film gewonnen und wurde zudem in den Kategorien "bester Regisseur" und "bester Drehbuchautor" ausgezeichnet. Die Geschichte eines Mädchens, das in den 60ern ins Kloster eintreten möchte und kurz vorher erfährt, dass sie Jüdin ist, gewann auch den Publikumspreis.

Von Josef Schnelle | 14.12.2014
    "So here´s the moment of truth. Everyone gets an envelope. But only in one envelope ist he winning movie. I know it´s cruel but it´s good. So please open the envelope now. And the winner is "Ida".
    Die Dramaturgen der Preisverleihung - diesmal im barocken Nationaloper in Riga - hatten sich für die Verkündung des Hauptpreises ein kleines Ritual einfallen lassen. Und so dauerte es ein paar Schrecksekunden bis man im Saal bemerkt hatte, dass der polnische Film "Ida" von Pawel Pawlikowski gewonnen hatte und damit der große Sieger des Abends war. Denn die Vertreter der fünf nominierten Filme hatten alle einen jener Umschläge in denen sich normalerweise die frohe Botschaft versteckt. Doch vier der Umschläge enthielten nur ein weißes Blatt.
    Als "grausam aber gut" bezeichnete der Moderator, der deutsche Comedian Thomas Herrmanns, sarkastisch diese neue Methode zur Spannungssteigerung. "Ida" war überhaupt besonders erfolgreich. Regisseur Pawel Pawlikowski wurde auch als bester Regisseur und als bester Drehbuchautor ausgezeichnet und gewann mit seinem Schwarz-Weiß-Drama noch überraschend den durch eine Internetabstimmung ermittelten Publikumspreis. Der Film erzählt von einem jungen Mädchen in den 60er-Jahren, das kurz vor seinem Eintritt in ein Kloster erfährt, dass es eigentlich Jüdin ist.
    Lediglich 17.000 Zuschauer interessierten sich Anfang letzten Jahres in Deutschland für diese formstrenge Filmstudie. Die polnisch-dänische Koproduktion entspricht aber offenbar genau dem, was die Mitglieder der Europäischen Filmakademie – größtenteils sind sie aus Deutschland - für einen mustergültigen Film halten. Da hatte Lars von Trier, der natürlich nicht anwesend war, mit seinem gewagten Film zum Thema Sexualität "Nymphomaniac" von vornherein keine Chance. EFA-Präsident Wim Wenders lächelte wohlgefällig in der ersten Reihe. Die von ihm mitgegründete Filmemachervereinigung ist sichtlich zu seinem liebsten Hobby geworden. Neben ihm die 86 Jahre alte Mutter der "Nouvelle Vague" Agnès Varda, der der Preis für ihre Lebensleistung offenbar ein bisschen mulmig vorkam. Lifetime Achievement, sagte sie, klinge ein bisschen so, als sei nun alles vorbei. Sie würde die Auszeichnung lieber als eine für 60 Jahre loyalen Dienst am Kino sehen.
    "I´m a little bit sorry about the lifetime achievement because I feel it´s saying my achieve is finished. I feel that I worked what we say in french good and loyal services to cinema over 60 years."
    Mit viel Schnickschnack überladene Veranstaltung
    Agnès Vardas Auftritt war einer der Höhepunkte der ansonsten mit viel Schnickschnack überladenen Veranstaltung, die zu allem Überfluss von Thomas Herrmanns im Stile einer Butterfahrt, mit faden Witzchen garniert, moderiert wurde. Sicher - eine Preisverleihung ist eine langweilige Angelegenheit; aber wieso müssen immer sachfremde Komiker moderieren, wo doch im Saal die besten Regisseure Europas sitzen sollten? Die ließen sich nichts anmerken und applaudierten artig. Schließlich bildet man sich einiges ein auf diese Ständevertretung der Europäischen Filmkunst. Die Veranstaltung wird von Berlin aus organisiert, findet abwechselnd dort und alle zwei Jahre in einer anderen europäischen Hauptstadt statt und hängt doch weitgehend am Tropf deutscher Fördergelder und Sponsoren. Doch nur der Preis für den besten Dokumentarfilm ging an eine deutsche Produktion: sehr zurecht an Marc Bauders beeindruckendes Porträt des Innenlebens eines Bankers "Master of the Universe". Der größte Wermutstropfen: Einige der wichtigsten europäischen Filme des vergangenen Jahres fehlten in den wichtigen Kategorien schon auf der Nominierungsliste: Zum Beispiel "Die andere Heimat" von Edgar Reitz, der deutscher Oscarkandidat ist, oder der neue Film der Brüder Dardenne "Zwei Tage eine Nacht" und Mike Leighs "Turner – Meister des Lichts". Man kann also von einer eher schlampigen Vorauswahl ausgehen. Für das Dardenne-Drama wurde immerhin Marion Cotillard als beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Sie ließ sich vertreten. Hingegen holte sich Timothy Spall seinen Preis als bester männlicher Hauptdarsteller in "Turner" doch selbst ab und brachte ganz kurz trockenen britischen Humor ein. Er bezeichnete sich als faulenden Londoner Apfel, bevor er sich dann doch gerührt bedankte.
    "Speaking as a rotten London Apple. I´d like to thank you from the bottom of my heart. Thank you very very much."
    Die Frage bleibt: Kann es großartige Schauspieler geben in ansonsten nicht preiswürdigen Filmen?