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Europäischer Gerichtshof
Grenzen für Wohnsitzauflage von subsidiären Schutzberechtigten

Subsidiäre Schutzberechtigte sind Menschen, die keine Flüchtlinge oder Asylberechtigte sind, aber in ihrem Land bedroht sind. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass diese Schutzsuchenden nicht anders behandelt werden dürfen als Asylberechtigte oder andere Nicht-EU-Bürger - und somit ihnen ihr Wohnsitz nicht vorgeschrieben werden kann.

Von Thomas Otto | 01.03.2016
    Zahlreiche Flüchtlinge warten in Wegscheid (Bayern) vor einer Notunterkunft.
    Zahlreiche Flüchtlinge warten in Wegscheid (Bayern) vor einer Notunterkunft. (dpa-Bildfunk / Armin Weigel)
    Menschen, denen der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt wurde, dürfen sich ihren Wohnsitz in Deutschland frei wählen. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sie nicht anders behandelt werden dürfen, als Asylberechtigte oder andere Nicht-EU-Bürger. Als subsidiär schutzberechtigt werden Menschen bezeichnet, die zwar weder als Flüchtling, noch als Asylberechtigter anerkannt wurden, die in ihrem Herkunftsland aber um ihre Unversehrtheit oder ihr Leben fürchten müssen. Diese Menschen, zum Beispiel vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen, erhalten in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis, die vorerst für ein Jahr gilt.
    Die grüne Europaabgeordnete Ska Keller begrüßt das Urteil. Eine Wohnsitzauflage sei ein krasser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte:
    "Es ist ja sicherlich auch so, dass Flüchtlinge versuchen, dahin zu gehen, wo sie gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sodass dann besser dastehende Kommunen mehr Flüchtlinge hätten, als andere - was ja sinnvoll ist und auch Flüchtlinge dorthin gehen würden, wo zum Beispiel der Wohnungsmarkt nicht derart überlastet ist, dass man keine Wohnung mehr findet. Auch das macht ja Sinn."
    Mit ihrem Urteil erklären die Luxemburger Richter eine Verwaltungsvorschrift des Bundesinnenministeriums für ungültig. Laut dieser Vorschrift darf subsidiär Schutzberechtigten vorgeschrieben werden, wo sie ihren Wohnsitz zu wählen haben. Ziel ist es, für eine gleichmäßige Verteilung der Kosten für die Sozialsysteme zu sorgen und gleichzeitig zu vermeiden, dass soziale Brennpunkte entstehen. Europaparlamentarier Axel Voss von der CDU kann dieses Anliegen verstehen:
    "Wenn wir davon ausgehen, dass wir generell in der Integration – wenn man das von Frankreich so sieht, dass es da zu Ballungszentren kommen kann, die ein permanenter Unruheherd werden kann aufgrund irgendwelcher Perspektivlosigkeiten, dass man hier eben doch durchaus steuernd unterwegs ist und sagt: Das müssen wir vermeiden."
    Ungleichverteilung der Kosten für Sozialleistungen könnte entstehen
    Die Richter erkennen zwar an, dass durch die freie Wahl des Wohnsitzes eine Ungleichverteilung der Kosten für Sozialleistungen entstehen könnte. Sie argumentieren aber, dass diese Ungleichverteilung nicht davon abhängt, ob Menschen subsidiär schutzberechtigt oder zum Beispiel asylberechtigt sind.
    Unter bestimmten Umständen sei eine Wohnsitzauflage aber möglich, so der EuGH. Dafür müsse das Bundesverwaltungsgericht aber feststellen, dass Menschen mit subsidiärem Schutz größere Integrationsschwierigkeiten hätten, als andere Nicht-EU-Bürger.
    Unabhängig vom heutigen Urteil gilt, dass sich subsidiär Schutzberechtigte wie bisher frei in der Bundesrepublik bewegen dürfen. Ihre Zahl bewegte sich in den vergangenen vier Jahren im einstelligen Tausenderbereich.