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Europäischer Rechnungshof
Kritik an EU-Hilfe für Türkei

Rund neun Milliarden Euro hat die EU seit 2007 im Rahmen des Beitrittsprozesses an die Türkei gezahlt. In vielen Bereichen wurden die daran geknüpften Erwartungen laut dem Europäischen Rechnungshof allerdings nicht erfüllt. Einzelne Projekte, die nicht funktionieren, könnten sanktioniert werden.

Von Pia Rauschenberger | 14.03.2018
    Zwischen der türkischen und der europäischen Flagge lächelt der Außenminister der Türkei Mevluet Cavusoglu, aufgenommen bei einem Besuch in der Villa Borsig in Berlin am 06.03.2018.
    Der Außenminister der Türkei Mevluet Cavusoglu bei einem Besuch in der Villa Borsig im März 2018 in Berlin (imago / Florian Gärtner)
    Es ist eine Menge Geld, das die EU seit 2007 im Rahmen des Beitrittsprozesses an die Türkei gezahlt hat: rund neun Milliarden Euro. Aber wie sinnvoll wird das Geld dort eingesetzt? Dennis Wernerus vom Europäischen Rechnungshof hat Zweifel.
    "Auf Basis von diesen zehn Jahren, können wir feststellen, dass vor allem die türkischen Behörden, ihre Verwaltung keine Fortschritte gemacht haben. Dass Verzögerungen passiert sind. Das ist vor allem der Fall im Bereich des Rechtsstaates. Wo systematisch Projekte, die zu tun haben mit Justiz, mit Menschenrechten, mit Pressefreiheit, entweder verhindert werden oder nicht richtig durchgeführt."
    Wenig positive Ergebnisse in Sachen Pressefreiheit
    Der Europäische Rechnungshof hat nun einen Bericht über die Gelder vorgelegt, die der Türkei helfen sollen, sich an EU-Standards anzugleichen. Vor allem bei den Projekten zur Pressefreiheit, sieht der Rechnungshof die Ergebnisse langfristig gefährdet.
    Die Türkei hat sogar einen Index zur Pressefreiheit zurückgewiesen, den die Kommission einführen wollte. Der sei nicht vernünftig. Gleichzeitig berichten Beobachter von systematischen Attacken gegen Medienvertreter, vor allem seit dem Putschversuch im Sommer 2016.
    Ska Keller: "Wir machen uns erpressbar gegenüber Erdogan"
    Im Parlament zeigt man sich heute wenig überrascht über den Bericht. Die Grünen Abgeordnete Ska Keller sieht die Kommission in der Pflicht und meint:
    "Dass zu laute Kritik, sicherlich nicht getan wird auch wegen dem EU-Türkei-Deal. Und der Angst, dass Erdogan den irgendwann aufkündigt, aber somit machen wir uns aber erpressbar gegenüber Erdogan selbst."
    Die Türkei spielt für die EU eine zentrale Rolle, um Migration in die EU einzudämmen.
    "Wir brauchen dringend eine klare Linie der Kommission aber auch der Mitgliedsstaaten gegenüber der Türkei, denn die Menschenrechtssituation in der Türkei ist katastrophal, deswegen sollten wir die Hebel nutzen, die wir noch haben."
    EU-Komission erwägt Sanktionen
    Die Gelder komplett auszusetzen, das geht nicht so lange die Türkei ein Beitrittskandidat der EU ist. Aber einzelne Projekte, die nicht funktionieren, können sanktioniert werden. Zum Beispiel könnte die Kommission Projekte nicht mehr von türkischen Behörden durchführen lassen.
    Der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament, Kurt Fleckenstein findet, man solle das Geld lieber für Begegnungsprojekte einsetzen.
    "Ein Land, das so offensichtlich kein Interesse mehr an einem Beitritt zur EU hat, muss auch keine Beitrittsgelder mehr erhalten."
    In Deutschland wird immer wieder über die sogenannte Heranführungshilfe debattiert. Die Kommission hat jetzt alle Empfehlungen des Rechnungshofs akzeptiert. Sie will offenbar gezielt daran arbeiten, dass die Gelder an den richtigen Stellen ankommen - und dafür zur Not auch Sanktionen nutzen.