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Europäisches Hirtentreffen
Schäfer fordern mehr Unterstützung

Schäfer und ihre Schafe spielen beim Natur- und Denkmalschutz eine wichtige Rolle. Als Ökodienstleister werden sie von der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten bezahlt. Allerdings nicht angemessen, finden die Schäfer und fordern auf ihrem ersten internationalen Kongress mehr Unterstützung.

Von Anke Petermann | 29.06.2015
    Der Schäfer Holger Banzhaf aus Heldenfingen hütet am Freitag (22.08.2008) beim Leistungshüten des Landesschafzuchtverbandes in Markgröningen eine fremde Herde mit ca. 200 Schafen
    Schäfer beim Leistungshüten (dpa / Norbert Försterling)
    "Ich will ein Schäfer sein", singen zwei Dutzende Männer und eine Frau in schwarzen Westen, manche mit Hirtenstab. Doch viele wollen das zumindest im Haupterwerb nicht mehr, selbst wenn sie ihren Beruf lieben. Es rechnet sich nicht. Günter Czerkus, Eifel-Schäfer und Chef des deutschen Berufsverbands:
    "In Baden-Württemberg sind die Einkommen ermittelt worden über einige Betriebe, da kommen wir auf einen Stundenlohn von 4,87 Euro im Durchschnitt."
    Henrike Meyer-Kahlen will Schäferin zumindest im Nebenerwerb bleiben. Dafür zieht sie jetzt um, von Nordrhein-Westfalen nach Brandenburg. "Am Niederrhein ist es zu voll geworden", sagt sie. Die Bioenergie-Produzenten belegten die Flächen mit Mais. An der Elbe hat die Schäferin Aussicht, mit ihrer kleinen Herde für eine Naturschutzorganisation Landschaftspflege betreiben zu können.
    "Zum Beispiel die Schafe haben auch eine ganz wichtige Funktion auf den Deichen. Also, hier in Nordrhein-Westfalen ist es so, dass schon ganz vollständig auf Schafe umgestellt worden ist - die Deichbeweidung, weil man eben weiß, dass die Schafe da den Boden festtreten und verhindern, dass die Deiche entsprechend nachgeben bei Hochwasser."
    "Langstreckentransporter" für die biologische Vielfalt
    Bedrohte Ökosysteme wie Magerrasen und Kulturlandschaften wie das Welterbe Oberes Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz bewahren Schäfer mit ihren Tieren vor dem Verbuschen. 16 Welterbestätten wären ohne sie und ihre Tradition nicht denkbar. Als Ökodienstleister werden sie über den Vertragsnaturschutz der Länder und Agrarumweltprogramme der Europäischen Union bezahlt. Allerdings nicht angemessen, konstatiert Irene Hoffmann. Die Herden vernetzten außerdem Biotope, hebt die Vertreterin der Welternährungsorganisation FAO hervor:
    "Indem die Tiere in den Hufen, den Haaren, im Darm Pflanzensamen über große Distanzen transportieren, im Sommer auf die Alpen, auf die Hochweiden, gehen, und dann im Winter die Talweiden runterkommen."
    "Langstreckentransporter" für die biologische Vielfalt - auch in den Karpaten. Dieser Gebirgsbogen ohne Schafe - undenkbar für den rumänischen Schäfer George Cazean. Seine polnische Kollegin im Trachtenkleid nickt. Beide gehören zu den Schäfern aus acht Ländern, die das Hochgebirge mit ihren Herden beweiden:
    "Die Berge kann man ohne Schafe nicht erhalten, weder das Ökosystem, noch das kulturelle Erbe."
    Cazean vermarktet Käse und Wurst direkt und setzt auch auf Tourismus.
    "Tourism without good food is nothing."
    Deutsche Schäfer wollen Warenangebot bündeln
    "Es beginnt zu funktionieren, dafür haben wir lange gekämpft", sagt Cazean verhalten optimistisch. Andere Hirten nutzten den Kongress, um einen verzweifelten Hilferuf abzusetzen, wie die Rentierhalter aus dem hohen Norden. Günther Czerkus über die Probleme in ihrem Weidegebiet:
    "Da gibt es Erdöl, da gibt es seltene Erden, die gebraucht werden, um zum Beispiel Computer herzustellen. Und das internationale Kapital ist hinter diesen Bodenschätzen her wie der Teufel hinter der armen Seele. Gerade die Samen, die Rentierhirten, haben uns furchtbare Bilder gezeigt, auch aus Nordsibirien, wo teilweise bis 700 Meter tiefe Abbaugruben sind, um eben an die Bodenschätze zu gelangen."
    "Behütet die europäischen Hirten", appelliert der erste Vernetzungskongress an Wirtschaft und Politik. Die Schäfer in Deutschland haben verabredet, ein Online-Portal zu gründen, um ihre Warenangebote zu bündeln. Damit Verbraucher deutsche Schafwolle, Lammsalami und Käse künftig leichter finden. Bei einer Importquote von fast 60 Prozent ist noch Luft nach oben.