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Europäisches Leistungsschutzrecht
Uneinigkeit über Finanzansprüche gegen Google

Besonders intensiv wird zur Zeit über ein europäisches Leistungsschutzrecht diskutiert, das besonders gegenüber Google finanzielle Ansprüche geltend machen könnte, da die Suchmaschine schließlich mit Verlagsinhalten Milliarden Werbeerlöse erziele. Dieses Thema ist EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger so wichtig, dass er Fachjournalisten nach Brüssel einlud.

Von Jörg Wagner | 22.10.2016
    Günther Oettinger: "Die verdienen Milliarden. Der Kapitalismus von heute heißt Werbestrategie von Onlineplattformen."
    Die Werbestrategie ist so einfach wie ertragreich. Man kopiere Onlineinhalte von Verlagen und platziere Werbung daneben. So zumindest die Darstellung des neuen BDZV-Zeitungsverlegerpräsidenten und Springer-Vorstandschefs Mathias Döpfner kürzlich beim Zeitungskongress in Berlin.
    Mathias Döpfner: "Hier die Dummen, die anspruchsvolle Inhalte für teuer Geld erstellen. Da die Schlauen, die die Inhalte von anderen kopieren und kostenlos anbieten, um sie durch Werbung zu vermarkten. Der Staat steht in der Pflicht, der alltäglichen Enteignung von Verlagen ein Ende zu setzen."
    Also heißt das pflichtschuldige Ziel, auch schlau zu sein und sich an die Milliarden ranzuhängen. Der EU-Kommissar diese Woche in Brüssel;
    Günther Oettinger: "Ich würde gerne davon einen Teil dorthin übertragen, wo der Inhalt verantwortet wird: Journalisten und Verlagen. So einfach ist das."
    So einfach ist es allerdings nicht. Wie der Chefredakteur von "Zeit Online", Jochen Wegner, erfahren musste:
    "Es liegt einfach an der Architektur des Netzes, dass das Leistungsschutzrecht in Deutschland ziemlich schief gegangen ist. Google zahlt natürlich bis heute keinen Euro. Alle Verlage, auch die, die das massiv betrieben haben, haben Google eine Lizenz gegeben, eine kostenlose, sie weiter zu listen."
    Auslistung würde Einnahmeverluste bedeuten
    Denn eine Auslistung, also wenn Suchmaschinen Zeitungen im Netz nicht mehr erfassen, führt zu Einnahmeverlusten. Wer bei Google ein Thema sucht, klickt nämlich sehr oft auch auf ein Suchergebnis, landet also da, wo Verlage Werbung verkaufen: auf den Homepages. Zusätzlich bietet Google das Werbeprogramm AdSense an. Das ermöglicht das Schalten von Werbung direkt auf Google-Seiten. Google-Sprecher Ralf Bremer in einem Audiostatement:
    "Weltweit sind es sind es über zehn Milliarden Klicks pro Monat, die Google zu Verlagsseiten weiterleitet, daneben haben wir 2015 über zehn Milliarden US-Dollar allein aus unserem Werbeprogramm AdSense an unsere entsprechenden Partner ausgeschüttet. In Deutschland waren es 2014 rund 500 Millionen Klicks, die wir an deutsche Verlage weitergeleitet haben."
    Zu Zeit.de kommen zwar 60 Prozent der Leser direkt ohne Umweg, aber Zeit-Online-Chef Jochen Wegner möchte Google-Laufkundschaft nicht missen.
    "Das ist die zweitgrößte Quelle, also ungefähr 20 Prozent der Besucher auf "Zeit Online" kommen über Google."
    Für andere Zeitungsseiten im Internet sind es teilweise noch mehr: rund 36 Prozent für die "Rheinzeitung". Die "Nordwest-Zeitung" gibt 41,4 Prozent Kundschaft an, die Google ermöglichte. EU-Kommissar Oettinger überzeugt das nicht:
    "Die Zahlen von Zeitungen, die kennen Verleger. Und Chefredakteure eingeschränkt. Also ich wüsste jetzt nicht einen Chefredakteur, der Einnahmen/Ausgaben jeden Tag misst. Das ist nicht sein Job. Sein Job ist der Content."
    Hier irrt der EU-Kommissar. Zum Chefredakteursjob gehören auch permanente Google-Optimierungen und Reichweitenmessungen. Aber es passt nicht in das Bild einer EU-Umfrage, die ermittelte, dass fast die Hälfte der Google-Nutzer mit der Überschrift und den kostenlosen Textabschnitten der Zeitungsartikel zufrieden seien und nicht auf das Suchergebnis klicken würden. Die Folge: Kritik an den Online-Experten der Verlage, wie hier beim Zeitungskongress:
    "In vielen Ihrer Häuser haben Sie Offline- und Online-Redaktionen. Und bei den Onlinern war die Reaktion relativ negativ. Nicht Zensur ist gefragt, aber Überzeugung."
    Der Onliner Jochen Wegner möchte lieber den Fokus auf neue Erlösmodelle lenken, anstatt auf untaugliche Zollschranken. Denn auch ein Leistungsschutzrecht wird Probleme wie bei der "Berliner Zeitung" nicht lösen:
    "Also man kann jetzt nicht sagen, weil Google existiert, geht es der "Berliner Zeitung" schlecht, also muss Google der "Berliner Zeitung" Geld zahlen. Das ist eine sehr triviale Logik, die würde ich für mich ablehnen."