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Europäisches Parlament
Mehr Geld für Erasmus und Horizon 2020

Die EU-Komission will die Fördermittel für Forschung verdoppeln, so EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bei der Vorstellung vor dem EU-Parlament am Mittwoch in Brüssel. Bei den Programmen für junge Menschen plant die Kommission sogar noch mehr.

Von Thomas Otto | 09.05.2018
    Zwei junge Leute auf Interrail-Tour, hier im Hauptbahnhof München
    Die EU plant 700 Millionen Euro für kostenlose Interrail-Tickets für junge Menschen (imago stock&people,)
    Noch klingt es nach ferner Zukunft, die Arbeit für den EU-Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 hat aber schon längst begonnen. Trotz Sparzwangs wegen des Brexit will die EU-Kommission die Mittel für Forschung um 50 Prozent aufstocken, so EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bei der Vorstellung vor dem EU-Parlament. Für die Programme für junge Menschen plant die Kommission sogar noch mehr:
    "Wir wollen Erasmus+ verdoppeln und wollen - Stichwort Interrail - dies daraus finanzieren. Ich finde, dass wir die doppelte Zahl von jungen Menschen jetzt einladen, Europa, die Kulturen, die Sprachen, die Menschen während ihrer Studien- und Ausbildungszeit kennenzulernen, ist ein hervorragendes Angebot."
    Basis für Oettingers Aussage ist die aktuelle Finanzierungsperiode von 2014 bis 2020. In der stehen für Erasmus+ knapp 15 Milliarden Euro zur Verfügung. Daraus sollen 30 Milliarden Euro werden.
    45.000 Studenten aus Deutschland absolvieren Auslandssemester
    Nina Salden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst freut das. Der DAAD ist für die Vergabe der Erasmus-Plätze an Studentinnen und Studenten in Deutschland verantwortlich. Nach neuesten Zahlen konnten im Jahr 2015 45.000 Studenten aus Deutschland ein Auslandssemesterabsolvieren. Ganz kann Nina Salden Günther Oettingers Optimismus aber nicht teilen:
    "Das wird höchstwahrscheinlich nicht dazu führen, dass ab 2021 doppelt so viele Studierende mit Erasmus ins Ausland gehen können."
    Der Grund: Während Oettinger den Gesamtzeitraum 2014-2020 mit dem des folgenden Haushaltsrahmens vergleicht, geht Salden vom Jahr 2020 aus. Seit 2014 sind die Mittel für Erasmus+ kontinuierlich angestiegen – unter anderem, weil Programme erst anlaufen mussten. Für 2021 bis 2027 plane die Kommission eine ähnliche Staffelung, so Salden. Heißt: Von 2020 auf 2021 könnten die Mittel erstmal drastisch sinken.
    "Wenn wir jetzt von 2020 auf 2021 auf einmal nicht weniger Fördermittel den deutschen Hochschulen zum Beispiel zur Verfügung stellen wollen, dann brauchen wir über die gesamten nächsten sieben Jahre vierzig Prozent zusätzlich. Also das wäre das absolute Minimum und dabei hätte man keine einzige Erhöhung erreicht."
    Erasmus-Programm immer noch unterfinanziert
    Nina Salden spricht von falschen Erwartungen, die mit der einfachen Formel von der Verdoppelung der Mittel einhergehen könnten. Ähnlich sieht das Sabine Verheyen. Die Europaabgeordnete sitzt für die CDU im für Erasmus zuständigen Kultur- und Bildungsausschuss.
    "Wir können nicht aus den sowieso schon unterfinanzierten Programmen Erasmus+ auch noch alle möglichen neuen Ideen finanzieren. Das gilt auch zum Beispiel für das Interrail-Ticket, was ich für sinnvoll erachte."

    Allein dafür sollen 700 Millionen Euro fließen. Auch wenn Sabine Verheyen – so wie Nina Salden – den Vorschlag begrüßt, mehr Geld in junge Menschen zu investieren: Die Abgeordnete warnt davor, die Kommissionsvorschläge zu positiv zu sehen: Im Vergleich zu vor der Finanz- und Wirtschaftskrise habe man noch nicht einmal den damaligen Stand erreicht.
    "Alles das, was man zusätzlich machen will, müsste dann eigentlich mit noch einer weiteren Erhöhung sein. Das ist der Grund, weshalb wir auch im Kulturausschuss eigentlich über eine Verdreifachung des Budgets gesprochen haben in allen Berichten und in den Forderungen, die wir aufgestellt haben."
    In den anstehenden Verhandlungen mit dem Parlament wolle sie versuchen, darauf hinzuwirken, so Verheyen.
    Mehr Geld für Forschung im Zivil- wie im Rüstungssektor
    Auch in Forschung im Zivil- wie im Rüstungssektor will die Kommission mehr Geld stecken. Karin Lukas-Eder ist froh, dass bei der Forschung nicht gekürzt wurde – sondern 50 Prozent mehr Geld zur Verfügung stehen soll. Lukas-Eder vertritt die Bayerische Forschungsallianz in Brüssel und hilft Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Bayern, sich auf EU-Fördermittel zu bewerben. Von der Aufstockung könnten die Hochschulen profitieren, indem sie mehr und einfacher Fördergeld erhielten, hofft Lukas-Eder:
    "Es kann aber auch sein, dass weil jetzt mehr Budget da ist, dass sich noch mehr Leute beteiligen und dann ist eigentlich die Förderquote wieder da, wo wir jetzt sind. Also das lässt sich jetzt momentan schwer abschätzen."
    In das Flaggschiff der EU-Forschungsförderung, Horizon Europe, sollen knapp 100 Milliarden Euro fließen. Am 7. Juni will die Kommission dazu mehr Details vorstellen. Dann geht es auch darum, für welche Themenfelder es wie viel Geld geben soll.
    "Vor den Wahlen sollte der Großteil unter Dach und Fach sein"
    Ob und wie die Vorschläge der Kommission auch umgesetzt werden, entscheiden EU-Parlament und vor allem die Mitgliedsstaaten. Ziel der Kommission ist es, hier schnellstmöglich eine Einigung zu erzielen.
    "Nächstes Jahr sind Europawahlen und dann bekommen wir auch eine neue Kommission. Also eigentlich: Vor den Wahlen sollte der Großteil schon unter Dach und Fach sein."
    Das hofft Karin Lukas-Eder. Nicht wie beim letzten mehrjährigen Finanzrahmen, wo man sich erst am 23. Dezember 2013 – neun Tage vor dessen Inkrafttreten – einig wurde. Was zur Folge hatte, dass 2014 kaum EU-Fördermittel ausgezahlt werden konnten.