Donnerstag, 28. März 2024

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Europäische Redakteursvertretungen
Journalisten schmieden Allianz gegen Populisten

Die Redakteursvertreter der deutschen und österreichischen Öffentlich-Rechtlichen wollen in Zukunft enger zusammenarbeiten. Zwar sei eine Änderung des ORF-Gesetzes wohl vorerst vom Tisch, sagte Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrat, im DLF: "Aber die Angriffe gehen weiter."

Dieter Bornemann im Gespräch mit Antje Allroggen / Text: Annika Schneider | 22.05.2019
Das Funkhaus in Köln
Im Funkhaus Köln trafen sich die Redakteursvertreter vom österreichischen Rundfunk, ARD, ZDF und Deutschlandradio heute zu einer ersten gemeinsamen Tagung (Deutschlandradio © Bettina Fürst-Fastré)
Die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wollen in Zukunft enger mit ihren österreichischen Kollegen zusammenarbeiten. Die Redakteursvertreter von ARD, ZDF und Deutschlandradio (AGRA) kündigten am Mittwoch eine Kooperation mit dem Redakteursrat des Österreichischen Rundfunks (ORF) an und veröffentlichen dazu eine "Kölner Erklärung" mit dem Titel "Gemeinsam gegen populistische Angriffe".
Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, sprach im Dlf von einem "hohen Maß an Solidarität" unter Journalisten. Hintergrund ist auch das letzte Woche veröffentlichte Video, das den bisherigen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Rücktritt bewegt hat. Sowohl der ORF als auch die "Kronen Zeitung" seien in dem Video von der FPÖ massiv angegriffen worden, kritisierte Bornemann.
Europaweite Zusammenarbeit geplant
Er sprach sich im Deutschlandfunk dafür aus, die Zusammenarbeit der Redakteursvertretungen europaweit auszuweiten, auch mit Hilfe der European Broadcasting Union (EBU). Die Redakteursvertreter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser in Europa könnten beispielsweise Mindeststandards für Pflichten und Rechte von Journalisten ausarbeiten. Das gebe es in dieser Form überhaupt noch nicht.
Als "zum einen überraschend und zum anderen sehr erfreulich" bezeichnete Bornemann die Tatsache, dass die "Kronen Zeitung" eine Gebührenfinanzierung für den ORF nun doch befürwortet. Zuletzt hatten Überlegungen der Regierung in Wien, das Beitragsmodell für die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen, für Diskussionen gesorgt. Die Regierungsparteien hatten diskutiert, den Rundfunk zukünftig aus dem Haushaltsbudget zu finanzieren
Einfluss der deutschen Medienberichterstattung
Bornemann warnte davor, den österreichischen Rundfunk nach dem Vorbild Dänemarks umzubauen, zu dem Strache sich positiv geäußert habe. Dort seien Hunderte Mitarbeiterinnen Mitarbeiter entlassen und Sender gestrichen worden seien: "Der große Verlierer war das dänische Publikum, das weniger journalistisches Angebot bekommen hat." Das Modell auf Österreich umzulegen, halte er für fatal.
Die Berichterstattung darüber in Deutschland spiele in Österreich eine sehr wichtige Rolle, sagte Bornemann, "weil man auch in Österreich sieht, dass wir hier beobachtet werden, dass genau hingeschaut wird, wenn der freie Journalismus bedroht wird". Für die Politik sei es wesentlich zu sehen, dass das auch außerhalb der Landesgrenzen in großem Stil wahrgenommen werde.
Bornemann: Gebührenfinanzierung bleibt wohl bestehen
Streit um die Zukunft des ORF gibt es schon seit Längerem. Im April hatte die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), eine der beiden regierenden Parteien, die Entlassung des bekannten Fernsehjournalisten Armin Wolf gefordert, nachdem dieser FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky kritisch interviewt hatte. Im Sommer 2019 sollte eigentlich ein neues ORF-Gesetz verabschiedet werden.
"Die Bedrohung über eine Gesetzesänderung, die wir in den letzten eineinhalb Jahren hatten, dürfte jetzt vorerst einmal vom Tisch sein", zeigte sich Bornemann erleichtert. Er glaube auch, dass sich an der Gebührenfinanzierung erst einmal nichts ändere. "Aber die Angriffe gehen weiter", stellte der Redakteursvertreter klar. Der Slogan der FPÖ sei in den letzten Tagen eindeutig gewesen: "Jetzt erst recht."
Massiver Zuwachs bei ORF-Quoten
Wie sich die Neuwahlen auf die Debatte auswirken, ist offen. Je nach dem wie die neue Regierung aussehe, könne sich der Stiftungsratsvorsitz des ORF ändern, sagte der Vorsitzende des Redakteursrats. Bislang hat dieses Amt Ex-Parteichef Norbert Steger inne. "Ich habe nicht das Gefühl, dass sein Wirken bis jetzt sehr hilfreich für den ORF war", so Bornemann.
Gleichzeitig habe der ORF viel Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen: "Unsere Sendungen gehen derzeit durch die Decke, was die Zuschauerquoten betrifft." Ähnlich äußerte sich ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz gegenüber dem Deutschlandfunk. Die Millionenquoten bei den Sondersendungen zum Ibiza-Skandal hätten gezeigt, dass die Menschen in Österreich vom ORF Informationen erwarteten und dem Sender ihr Vertrauen schenkten, sagte er.
Die Entscheidung für die künftige Zusammenarbeit der Redakteursausschüsse fiel bei einer ersten gemeinsamen Tagung des AGRA und des ORF-Redakteursausschusses im Funkhaus Köln des Deutschlandradio. Das nächste Treffen der beiden Gremien soll in Österreich stattfinden.