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Monogame Fische
Die Harmonie kommt später

Viele monogame Liebespartner, sowohl bei Tieren wie bei Menschen, sind sich häufig sehr ähnlich. Evolutionsbiologen bevorzugen bisher die Erklärung, die sexuelle Selektion, also die Partnerwahl, sei dafür prägend. Doch französische Forscher haben jetzt bei einer monogamen Fischart erstmals beobachtet, dass sich auch stark unterschiedliche Individuen nach der Paarung einander angleichen können.

Von Lucian Haas | 07.03.2016
    Ein junges Paar sitzt auf einer Terrasse im Sonnenuntergang.
    Ob die Ähnlichkeit von monogamen Paaren auf einer Anpassung im Zuge des langen gemeinsamen Lebens beruht oder von Anfang an schon bei der Partnerwahl so angelegt war, darüber lässt sich trefflich streiten. (Imago / Westend61)
    Sträflings-Cichliden sind eine Art von Buntbarschen in Mittelamerika, mit einer ganz besonderen Eigenschaft. Die schwarz-weiß gestreiften, daumenlangen Fische leben als monogame Paare zusammen – stets gemeinsam bemüht, ihre Brut vor Räubern zu schützen.
    "Diese Fische sind stark von Fressfreinden bedroht. Die Brut wird gefressen, die Elterntiere werden gefressen. Sie müssen sich zusammentun, um sich besser zur Wehr setzen zu können."
    Françoise Dechaume-Moncharmont ist Biologe an der Universität von Burgund. Er untersucht das Paarungsverhalten von Sträflings-Cichliden. In der Regel zeigen jene Fische, die ein Paar bilden, ein sehr ähnliches Revierverhalten. Zum Beispiel gehen manche Partner gemeinsam mutig und aggressiv gegen Fremde vor, bei anderen Paaren sind Männchen und Weibchen in derselben Weise eher zurückhaltend. Gleich zu gleich gesellt sich halt gern. Um herauszufinden, wie stark die Harmonie der Cichliden-Paare sich auch im Reproduktionserfolg zeigt, machte Françoise Dechaume-Moncharmont gemeinsam mit Kollegen ein Experiment. Die Forscher unterteilten die Fische auf Basis der gut beobachtbaren Unterschiede ihrer Aggressivität in verschiedene Gruppen. Anschließend stellten sie daraus Fischpaare zusammen, deren Individuen zuvor entweder jeweils sehr ähnliche, oder stark unterschiedliche Verhaltensweisen gezeigt hatten. Also Paarungen wie aggressiv-aggressiv oder aggressiv-schüchtern. Dabei erlebten sie eine Überraschung.
    "Ursprünglich wollten wir nur testen, wie effizient die Paare in der Aufzucht ihres Nachwuchses sind, je nachdem ob sie gut zueinander passen oder nicht. Wir erwarteten, dass die harmonischen Paare deutlich besser abschneiden würden. Überraschenderweise erwiesen sich aber manche der eigentlich unpassenden Paare als genauso effizient. Wir haben dann herausgefunden: Diese Fische hatten ihr Verhalten aneinander angepasst. Eine solche Angleichung war bisher aber nirgendwo in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben."
    In allen Fällen entwickelten schüchterne Fische, die einen aggressiven Partner bekamen, selbst auch ein aggressives Revierverhalten. Die Anpassung erfolgte innerhalb von 24 Stunden. Interessant an dieser Beobachtung ist, dass sie eine Lehrmeinung der Evolutionsbiologie etwas infrage stellt. In der Natur kommt es bei monogamen Tierarten, darunter Vögel, Säugetiere und auch Menschen, sehr häufig vor, dass Individuen ein Gegenüber mit besonders ähnlichen Eigenschaften als Partner bevorzugen. Assortative Paarung heißt das in der Fachsprache. Erklärt wird dieses Verhalten mit der sexuellen Selektion. Die Erkenntnisse bei den Sträflings-Cichliden lassen aber noch eine andere Deutung zu, so Françoise Dechaume-Moncharmont.
    "Wir sind überzeugt, dass die starke Ähnlichkeit innerhalb von Paaren sich nicht allein mit der Partnerwahl erklären lässt. Wenn wir viele solcher Paare in der Natur beobachten, kann das auch eine Folge von Verhaltensanpassungen sein. Deshalb sind wir von den Ergebnissen begeistert. Sie könnten, zumindest teilweise, erklären, warum es bei vielen Arten einen so hohen Anteil assortativer Paarungen gibt."
    Bisher war diese Frage für Evolutionsbiologen noch ein Rätsel. Denn damit sich so viele gut passende Paare überhaupt finden können, würde man eigentlich erwarten: Das funktioniert nur mit einem enormen zeitlichen Aufwand bei der Partnersuche. Doch diese These ließ sich in der Praxis nicht bestätigen, das haben andere Studien gezeigt. Vielleicht gilt in der Natur einfach eine pragmatische Ergänzung zu dem Spruch, "jeder Topf findet seinen passenden Deckel": Wenn der Deckel nicht passt, wird er halt passend gemacht. Zumindest bei den Cichliden.