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Europarat
Doppelter Brexit?

Das Fundament des Europarats in Straßburg ist die europäische Menschenrechtskonvention. Genau diese wollen Hardliner unter den britischen Brexit-Befürwortern zukünftig durch einen eigenen "Human Rights Act" ersetzen und somit auch dem Europarat den Rücken kehren. Dabei könnte der Europarat ein gutes Instrument für die Zusammenarbeit der Briten mit der EU werden.

Von Paul Vorreiter | 06.02.2017
    Gebäude des Europarates in Straßburg
    Gebäude des Europarates in Straßburg (dpa / Vladimir Fedorenko)
    "We are leaving the European Union, but we are not leaving Europe."
    Mit diesen Worten hob die britische Premierministerin May Mitte Januar hervor, dass Großbritannien auch nach dem Brexit mit den Ländern auf dem Kontinent zusammenarbeiten wird. Ein Forum dafür kann der in Straßburg ansässige Europarat sein, zu dem die Briten eine ganz besondere Bindung haben.
    Die Institution wurde schließlich von ihnen 1949 in London mitbegründet. Das Fundament des Europarates stellt die europäische Menschenrechtskonvention dar. Sie ist die berühmteste unter den inzwischen weit mehr als 200 Protokollen und Abkommen des Europarates. Wer die Menschenrechtskonvention ablehnt, kehrt im Prinzip der ganzen Organisation den Rücken.
    Britische Gerichte Vorrang vor Straßburg
    Die britischen Konservativen allerdings forderten im Wahlkampf 2015 den "Human Rights Act" zu ersetzen, dieses Regelwerk legt fest, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in Großbritannien gilt. Die Konservativen wollten durchsetzen, dass die britischen Gerichte Vorrang vor Straßburg bekommen. Noch vor wenigen Wochen hieß es, Premierministerin May wolle die Abkehr von der europäischen Menschenrechtskonvention 2020 zum Wahlkampfthema machen. Und heute?
    "Der Staatssekretär für Auswärtiges, Sir Alan Duncan, hat uns kurz vor unserer Abreise nach Straßburg im Januar ganz klar gesagt, dass das Außenministerium die Arbeit des Europarates und der britischen Delegation schätzt und dass Premier May und Außenminister Johnson nicht vor haben, den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und die Konvention für rechtsunwirksam zu erklären", sagt der konservative Abgeordnete im britischen Unterhaus, Sir Roger Gale.
    Er ist gleichzeitig Vorsitzender der britischen Abgeordnetendelegation in der Parlamentarischen Versammlung in Straßburg, dem Parlament des Europarates. Er verweist darauf, dass die Verhandlungen mit der EU die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zögen. Ob damit die Debatte um den Europarat für immer beendet ist?
    Bisher war Großbritanien Vorreiter bei der Umsetzung
    "Ich meine, nichts ist unmöglich in der Politik. Aber es würde mich sehr überraschen, wenn gerade jetzt, wo wir so viel zu tun haben mit dem Brexit, irgendwie versucht würde, den Europarat zu verlassen, in einer Zeit, in der es viel wichtiger geworden ist, Kontakt zum Kontinent zu halten und das in einem Forum, das viel mehr umfasst als nur die Europäische Union."
    Den Europarat dürfte das erleichtern. Großbritannien ist gemeinsam mit Deutschland Vorreiter, wenn es darum geht, den Menschenrechtsvorgaben aus Straßburg zu folgen. Und doch gibt es eine Baustelle: Die Insel weigert sich seit 2005 ein Urteil umzusetzen, das Häftlingen ein Wahlrecht zusichert. In diese Sache ist offenbar Bewegung gekommen, erklärt der Sprecher des Generalsekretärs des Europarates, Daniel Höltgen:
    "Der entsprechende Justizminister hat hier im Dezember gegenüber dem Ministerkomitee nochmal versichert, das Vereinigte Königreich arbeite weiterhin an der Umsetzung zum Wahlrecht der Gefangenen und das Ministerkomitee hat zur Kenntnis genommen, dass die britischen Behörden aktiv an Maßnahmen arbeiten, um die entsprechenden Urteile umzusetzen."
    Europarat - nur ein Instrument unter vielen
    Mit dem Brexit muss Großbritannien seinen Einfluss in Europa neu geltend machen. Der Europarat stellt dabei nur ein Instrument unter vielen dar und gar nicht einmal das Wichtigste, findet Janis Emmanouilidis vom European Policy Centre, einem Think Tank in Brüssel.
    "Die zentrale Rolle, die sie international und damit auch im europäischen Kontext wahrnehmen, ist ihre Rolle im UN-Sicherheitsrat. Das ist auf internationaler Ebene das zentrale Feld, in dem sie agieren. Im Europäischen Kontext ist es die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Ökonomischen G7, G8, G20, Mitgliedschaft im OECD. Sie werden sehr wohl darauf achten, dass sie diese Mitgliedschaften auch pflegen werden als dann irgendwann Nicht-Mitglied in der Europäischen Union."
    Im Europarat erwartet die Briten – wie auch die anderen Mitglieder - jedenfalls viel Arbeit. Der gescheiterte Putsch in der Türkei hat viele Klagen beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingehen lassen. Auch das Verhältnis zu Russland bleibt schwierig. Seit der Annexion der Krim verfügt Russland über kein Stimmrecht mehr in der Parlamentarischen Versammlung.
    Und die leidet immer noch unter der sogenannten Kaviar-Affäre um aus Aserbaidschan gekaufte Stimmen. Hinzu kommen die Dauerthemen Ukraine, Syrien, Migration, Kampf gegen den Terror. Und so haben Briten und der Europarat in diesem Jahr auch eines gemeinsam – sie müssen vieles aushandeln.