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Europas Rechtspopulisten
Klimapolitisch keine klare Linie

Rechtspopulisten beeinflussen laut einer Studie die Klimapolitik in Europa. Allerdings sind die 21 untersuchten Parteien weit von einer gemeinsamen Haltung entfernt. Der Hälfte bescheinigen die Autoren "eine sehr inkonsistente Haltung".

Von Dieter Nürnberger | 26.02.2019
Dirk Notz, Leiter der Max-Planck Forschungsgruppe "Meereis im Erdsystem", erläutert den Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxidausstoss und Temperaturerwärmung im Erdklima.
Die Positionen europäischer Rechtspopulisten zum Klimawandel sind ziemlich disparat (dpa / Markus Scholz )
Die Autoren sprechen von einer faktenbasierten Studie, die soeben in Berlin vorgestellt wurde. Was haben die Wissenschaftler genau gemacht? Sie haben sich die Parteiprogramme der rechtspopulistischen Parteien in Europa angeschaut, sie haben Äußerungen von Vertretern dieser Parteien zur Klimapolitik verwendet und nicht zuletzt auch das bisherige Abstimmungsverhalten im EU-Parlament zu entsprechenden Gesetzen oder Richtlinien analysiert. Und hier lassen sich Tendenzen erkennen, auch wenn die 21 untersuchten Parteien hier keine einheitliche Position vertreten, sagt Autorin Stella Schaller:
"Wir haben in Europa sieben rechtspopulistische Parteien - von insgesamt 21 - die den wissenschaftlichen Konsens zum menschenverursachten Klimawandel explizit leugnen. Die Hälfte der Parteien - also 11 - hat eine sehr inkonsistente Haltung dazu. Sie gehen deutlich subtiler vor. Sie leugnen den Klimawandel nicht explizit, aber sie tragen durch ihr Schweigen ebenfalls zur Schwächung des wissenschaftlichen Konsenses bei. Und drei Parteien unterstützen den wissenschaftlichen Konsens zum menschenverursachten Klimawandel. Dazu gehört beispielsweise die ungarische "Fidesz".
Tendenz zum Zweifel an der Wissenschaft
Somit wird hier trotz einiger Unterschiede eine deutliche Tendenz erkennbar - nämlich dass das, was doch die große Mehrheit der Wissenschaftler propagiert, dass der Klimawandel menschengemacht ist, durch den Rechtspopulismus mehrheitlich angezweifelt oder verneint wird. Und wenn es im Europäischen Parlament zur Ablehnung von entsprechen Gesetzesinitiativen kam, dann waren die Rechtspopulisten in der Hälfte der Fälle auch mit dabei - per Abstimmungsverhalten.
Das habe System, sagt Autor Alexander Carius, er ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Think Tank "Adelphi". Durch das Hervorheben von nationalen Prämissen, würden oft länderübergreifende oder globale Vereinbarungen abgelehnt:
"Sie sind gegen Multilateralismus. Sie stimmen auch gegen verschiedene andere Entscheidungen im Europäischen Parlament. Etwa, was die Zusammenarbeit mit Afrika oder der Nato angeht. Sie versuchen Wissenschaft zu diskreditieren, sie versuchen, die Zivilgesellschaft einzuschränken. Auch die freie Presse, wie wir es bei Orban in Ungarn sehen. Das ist insgesamt der Angriff auf die liberale Demokratie, und das beginnt eben in der Klimapolitik mit einer Diskreditierung der Klimawissenschaft und von Klimawissenschaftlern."
Mit dem Zuwachs an Rechtspopulisten würde somit auch das Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen mehr und mehr sichtbar, so die Autoren.
Klimaschutz gegen Sozialpolitik ausgespielt
Ein weiteres Merkmal: Die Rechtspopulisten würden versuchen, ihren Widerstand gegen Klimagesetze und -vereinbarungen sozialpolitisch auszuschlachten: Entsprechende Maßnahmen würden allein zu höheren Energiepreisen führen, das sei sozial ungerecht. Womit die Rechtspopulisten ihren Kurs auch als Kritik an einer Elitenpolitik verstünden.
Die Frage sei, wie damit umgegangen werden soll. Besonders vor dem Hintergrund, dass nach der Europawahl im Mai ja damit gerechnet werden muss, dass der Anteil rechtspopulistischer Parteien im Parlament eventuell auf ein Fünftel oder gar ein Viertel der Abgeordneten steigen könnte. Das Thema Klima und Klimaschutz habe das Zeug dazu, künftig vielleicht das bisher dominierende Thema Migration zu ersetzen, sagt Alexander Carius:
"Mal schauen, ob sich dies wirklich so weiter abbildet. Scheinbar hat die Klimapolitik das Zeug dazu, vom rechten Rand instrumentalisiert zu werden. Darauf muss man sich einstellen, darauf müssen sich natürlich auch die demokratischen Parteien einstellen."
"Wir brauchen ein positives Gesellschaftsnarrativ"
Die Autoren wollen Denkanstöße liefern. Autorin Stella Schaller geht es um positive Geschichten. Beispiel Kohle: Ein Ausstieg habe natürlich auch Arbeitsplatzauswirkungen, doch gleichzeitig werde auch etwas Neues, etwas Zukunftsfähiges, kreiert. Und das müsste den Bürgern besser kommuniziert werden:
"Die Bürger müssen ehrlich angesprochen werden. Wir brauchen ein positives Gesellschaftsnarrativ. Mit positiven Geschichten von einem modernen und sauberen Verkehr, von gesunder Ernährung, einer gesunden Umwelt für künftige Generationen. Die die Bürger ermächtigen und motivieren, selbst teilzuhaben an einer Modernisierungspolitik, die gerecht und inklusiv ist."
Morgen werden die Autoren der Untersuchung ihre Erkenntnisse einigen Mitgliedern des Europaparlaments präsentieren.