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Evangelische Christen im Norden
Norwegische Kirche traut Homosexuelle

Es ist nach wie vor ein heißes Eisen: die Segnung oder Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in Kirchen. Der Großteil der Kirchen lehnt solche Zeremonien ab. Die Ausnahme bilden viele evangelische Kirchen. Und es werden immer mehr. In Norwegen etwa wurden jetzt erstmals zwei Männer kirchlich getraut.

Von Carsten Schmiester | 08.02.2017
    Homosexualität.
    Auf homosexuelle evangelische Christen kommen in Norwegen bessere Zeiten zu. (picture alliance / Jose Jacome)
    Es war einfach an der Zeit: Die Umsetzung der sprichwörtlichen skandinavischen Toleranz in praktisches Handeln der Kirche. Zuletzt hatte Norwegens König Harald sein Volk an diese Toleranz erinnert, im vergangenen Sommer bei einer kurzen Ansprache zum königlichen Gartenfest. Angesichts der konservativen Regierung war das auch ein politischer Appell, der weltweit Beachtung fand. "Norweger sind alle, die hier leben", sagte Harald, "Syrer oder Afghanen... oder Mädchen, die Mädchen lieben, Jungs, die Jungs lieben, und Jungs und Mädchen, die sich gegenseitig lieben."
    Im norwegischen Alltag sind Homosexuelle längst eine Normalität und weitestgehend akzeptiert. Aber die Kirche hat sich erst jetzt und unter einigen Schmerzen dazu durchgerungen, mit der Zeit zu gehen. Als erste ließen sich der 70jährige Erik Skjelnäs und sein sieben Jahre jüngerer Partner Kjell Benjaminsen nach einer gerade erst von der Synode verabschiedeten Liturgie von Pastorin Bettina Eckbo in einer Kirche bei Oslo trauen. Beide trugen dabei norwegische Tracht und das ganze Land hörte und schaute zu. Radio und Fernsehen war da, um den historischen Moment zu dokumentieren.
    Schon vor vier Jahren hatten die Bischöfe der lutherischen Volkskirche in Norwegen mehrheitlich die Empfehlung ausgesprochen, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Aber erst im April vergangenen Jahres hatte das Kirchenparlament schließlich diese Trauung ermöglicht. Allerdings mit der Einschränkung, dass Pastoren eine solche Trauung verweigern können, wenn sie aus persönlicher Überzeugung dagegen sind. Bettina Eckbo hat offenbar nichts dagegen gehabt und Kjell und Erik mit der Trauung ihren Lebenswunsch erfüllt.
    "Ich habe der norwegischen Kirche mein ganzes Leben lang angehört und fühle mich dort zuhause. Deshalb habe ich immer gehofft, dass man irgendwann einmal in der Zukunft zur Einsicht kommen würde, dass alle Menschen vor Gott gleich sind, und zwar ganz egal, ob hetero oder homosexuell."
    Sein Mann Kjell und er mussten lange darauf warten. Sie leben seit 36 Jahren zusammen...
    "Ich habe Erik den Antrag bereits vor 20 Jahren gemacht, sagt Kjell, weil es einfach an der Zeit war. Damals hatte ich noch gedacht, dass es, wenn überhaupt, wohl nur eine bürgerliche Trauung werden würde. Aber eigentlich wollten wir ja immer kirchlich heiraten und so auch öffentlich als Paar akzeptiert werden."
    Das haben die beiden nun geschafft und sind auch noch zu einer nationalen Berühmtheit geworden. Als Beweis für die Toleranz der norwegischen Gesellschaft und die Wandlungsfähigkeit der Kirche, die sich lange schwer getan hat mit dem Kurswechsel. Länger als die Kirchen in Schweden oder Dänemark. Dort sind Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare seit 2009 beziehungsweise 2012 möglich und längst Kirchenalltag.
    Mit der neuen Liturgie ist nun auch Norwegen auf diesem Weg, sagt Pastorin Bettina Eckbo, und sie freut sich, dass ihre Kirche diese Zerreißprobe überstanden hat - wenn auch nicht ganz unbeschadet. Von den knapp 1.300 Pastorinnen und Pastoren in Norwegen hatten nach der Synode immerhin mehr als 260 eine Protestnote unterschrieben und angekündigt, auch weiterhin nur heterosexuelle Paare zu trauen. Eckbo gehörte nicht dazu, und sie hofft nun, dass es viele weitere Eriks und Kjells gibt und natürlich auch viele weibliche Paare und dass der Widerstand unter ihren Kollegen mit jeder Trauung ein kleines bisschen schwächer wird...
    "Es ist ja viel darüber diskutiert worden, ob das Thema Homosexualität die Kirche spalten kann oder nicht. Auch die Bischofskonferenz hat die Diskussion gesucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so ist. In der Kirchenlehre geht es schließlich nicht um Homosexualität, sondern um den Glauben an Gott und Jesus."