Donnerstag, 28. März 2024

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Evangelischer Theologe
"Die Institution der Ehe wird durch die Ehe für alle aufgewertet"

Moralisierung in Politik und Gesellschaft gefährde die Demokratie, sagte der Wiener Theologe Ulrich Körtner im Dlf. Er forderte, "der Tyrannei des moralischen Imperativs in Politik und Kirche Einhalt zu gebieten." Auch die Debatte um die Ehe für alle werde irrational geführt, so Körtner.

Ulrich Körtner im Gespräch mit Andreas Main | 29.06.2017
    Professor Ulrich Körtner (Bild: Hans Hochstöger)
    "Wir brauchen eine engagierte Vernunft", forderte der Theologe und Professor Ulrich Körtner im Dlf. (Hans Hochstöger)
    Ulrich Körtner ist Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien. Sein Buch "Für die Vernunft. Wider Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Kirche" könnte Wellen schlagen. Denn er kritisiert darin gesinnungsethische Positionen, wie sie von den Kirchen in Deutschland vertreten werden. In den Kirchen gebe es zurzeit die Neigung, etwa in der Flüchtlingspolitik einseitig zu urteilen. Dem hält er entgegen:

    "Eine verantwortungsethische Position kann nicht darüber hinwegsehen, dass gerade der offene Verfassungsstaat ohne Grenzen und Begrenzungen nicht bestehen kann."

    In der politischen Debatte werde immer entschiedener geurteilt, was richtig und falsch ist, und dabei außer Acht gelassen, dass es dazu auch andere christlich begründete Standpunkte geben könne. Das führe zu einer Re-Politisierung der Religion und einer Re-Theologisierung der Politik.

    Das Gespräch in voller Länge:
    Andreas Main: Besonders die Flüchtlingskrise oder auch Migrationsdebatte, das ist das Paradebeispiel dafür, wie hochemotional politische Debatten heutzutage geführt werden: Alle schlagen mit moralischen Keulen um sich, und am Ende haben alle Kopfschmerzen, und manchmal schmerzt auch das Herz oder die Nerven nerven. Wie wohltuend dagegen das Buch von Ulrich Körtner in die Finger zu bekommen. Auf dem Buchdeckel ist eine Hauswand zu sehen, irgendwo in einer deutschen oder österreichischen Vorortsiedlung an die Wand gesprüht für die Vernunft. Ulrich Körtner ist Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Uni Wien. In der Systematischen Theologie - für Nicht-Theologen mal übersetzt - geht es darum, den christlichen Glauben systematisch zu reflektieren, gerade auch was seine Inhalte und die Konsequenzen für menschliches Handeln betrifft. Ich hoffe, dass ich das nicht allzu sehr verkürze. Wie auch immer, Herr Körtner, dass Sie heute morgen in das ORF Studio in Wien gekommen sind, dafür danke schon mal. Willkommen und guten Morgen.
    "Moral löst nicht Probleme, sondern verschärft sie"
    Ulrich Körtner: Guten Morgen, Herr Main.
    Main: Herr Körtner, auch wenn der Titel eines Buches oft vom Verlag entwickelt wird und nicht vom Autor, lassen Sie uns mal versuchen, anhand Ihres Untertitels den Kerngedanken Ihres Buches in den Griff zu bekommen, der lautet "Wider Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Kirche". Was beobachten Sie, was wollen Sie stoppen?
    Körtner: Der Titel ist tatsächlich auf meinem eigenen Mist gewachsen. Und die beiden Leitbegriffe 'Moralisierung' und 'Emotionalisierung' bilden tatsächlich so etwas wie den roten Faden des Buches. Zum Stichwort Moralisierung: Wir Menschen können ohne Moral nicht leben. Moral, das ist nicht nur ein individuelles, sondern ein gesellschaftlich notwendiges Phänomen. Wir müssen uns als Menschen ja fragen, wie wir unser Leben führen wollen. Und da geht es nicht nur um Nützlichkeitserwägung, sondern wenn wir uns fragen, wie wir leben wollen und wie wir leben sollen, dann sind wir bei der Moral.
    Nun, Moral teilt Achtung und Missachtung aus. Wir bringen durch Moral zum Ausdruck, welche Verhaltensweisen wir schätzen, und über Moral bringen wir dann auch zum Ausdruck, welche Menschen wir schätzen oder weniger schätzen, wen wir achten oder auch missachten. Und Moral als solche ist einerseits notwendig und andererseits hochgradig ambivalent, weil mit moralischen Urteilen eben Werturteile, nicht nur über Handlungen, sondern auch Menschen gefällt werden.
    Moralisierung, das meint jetzt den Missbrauch von Moral, die ohnehin schon zweideutig ist. Oder, man könnte auch sagen, die Perversion von Moral, die Übersteigerung von politischen Konflikten zu moralischen, und wo immer Moral ins Spiel kommt, da werden Konflikte noch praktisch zusätzlich angeheizt. Moral löst nicht unbedingt Probleme, sondern verschärft noch Probleme. Und das ist in der Politik zu beobachten, aber auch in der Kirche.
    "Wir brauchen eine engagierte Vernunft"
    Main: Ich zitiere da mal aus Ihrem Buch, Sie formulieren zum Teil darin sehr nüchtern, aber auch recht scharf. Jetzt mal eine recht scharfe Kostprobe:
    "Es lebe der moralische Imperativ. Sich aus hochmoralischen Gründen empören oder entrüsten zu können, verschafft ein gutes Gefühl, enthält doch der moralische Imperativ die frohe Botschaft: Wir sind die Guten!" (Zitat)
    Was haben Sie gegen ein gutes Gefühl?
    Körtner: Nichts gegen gutes Gefühl und Good Vibrations, aber, so wie Sie es eben zitiert haben, ist das in höchstem Maße bedenklich. Also, wie kommen wir dazu, uns einseitig einfach als die Guten zu betrachten? Theologisch gesprochen, von der Sündenfallgeschichte der Bibel her betrachtet, leben wir nicht jenseits, sondern diesseits von Gut und Böse. Und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse kann selbst ganz böse Folgen haben.
    Wenn wir eben Menschen als minderwertig, als moralisch schlecht stigmatisieren, uns über sie erheben, dann ist das eigentlich etwas Böses, und wir glauben, das im Namen des Guten zu vollziehen. Und wenn wir jetzt mal uns auch in den Diskussionen anschauen, was so für Buchtitel kommen, 'Empört euch!', 'Entrüstet euch!', 'Entängstigt euch!', also der Imperativ schlägt uns überall entgegen.
    Main: Ein Titel davon ist von Margot Käßmann.
    Körtner: Ja, ein Titel davon ist von Margot Käßmann, aber ich könnte auch meinen Kollegen Paul Michael Zulehner dazu gesellen, also 'Entängstigt euch'. Überall kommen diese moralischen Imperative und das kann, auch wenn es den Beteiligten gar nicht bewusst ist, zu diesem Gefühl der Überlegenheit und zu einer Art von letztlich Selbstgefälligkeiten führen.
    Und da sind wir auch beim zweiten Stichwort der Emotionen und der Emotionalisierung. Emotionen sind nicht nur etwas Unvermeidliches, sondern durchaus auch etwas Gutes. Es gibt so etwas wie eine zynische Vernunft, die völlig emotionslos, eiskalt über das Leben und die Schicksale von Menschen hinweggeht. Wir brauchen durchaus so etwas wie eine engagierte Vernunft, um mal mit Charles Taylor, einem berühmten Philosophen aus Kanada zu sprechen. Aber Emotionen und Gefühle in der Politik können eben auch eine ganz schlimme Wirkung entfalten, wenn sie praktisch dazu führen, dass am Ende die Vernunft ausgeschaltet wird und nicht mehr auf das das bessere Argument vertraut wird.
    "Rationaler Umgang mit der Ambivalenz von Emotionen"
    Main: Sie sprechen wörtlich von der "Tyrannei des moralischen Imperativs in Politik und Kirche". Zu einer Tyrannei gehört immer ein Tyrann. Wer ist der Tyrann?
    Körtner: Der Tyrann sind Gruppierungen, die dann für sich in Anspruch nehmen, eigentlich zu wissen, was für alle das Beste ist. In einer Demokratie oder in einer pluralistisch demokratischen Gesellschaft leben wir davon, dass wir immer wieder neu aushandeln müssen, was das Gute ist. Und wir haben unterschiedliche Vorstellungen von einem guten Leben, einer wohlgeordneten Gesellschaft. Oder, besser gesagt, oftmals geht es darum, sich zu verständigen, was wohl das am wenigsten Schlechte ist.
    In dem Moment, wo ich aber der Meinung bin, nur ein Weg ist der richtige, da maße ich mir an, eine Elite zu sein, die für das Gesamtgemeinwesen weiß, wo es lang geht. Und dann kommt es eben zu dieser Tyrannei, und wir haben das erlebt, Sie haben die Flüchtlingskrise genannt, ich könnte aber auch andere Beispiele nennen.
    Also die Tyrannei der Moral, das war für mich auch etwa zu sehen, als es um den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff gegangen ist, wie alle über den hergefallen sind - wir haben jetzt nicht die Zeit, das Ganze wieder aufzurollen - aber mit welcher Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit da dann auch Medieneliten zu Gericht gesessen sind, das ist für mich selbst - jetzt werde ich fast wieder selbst emotional - schwer erträglich. Weil ich sage, ich werde selbst emotional, ich gehe nicht so weit, dass ich sage, es sollte eine emotionslose Politik geben, das ist völlig unmöglich und das wäre auch völlig unsinnig. Aber mit der Ambivalenz von Emotionen rational umzugehen, das ist die Kunst.
    "Evangelische Kirche auf dem falschen Fuß erwischt"
    Main: Deklinieren wir das ganze mal rational, emotional an einem anderen Beispiel durch, am ethischen Topthema Nummer Eins dieser Tage, an der Ehe für alle, der sogenannten. Beobachten Sie aus der Wiener Perspektive in dieser Debatte Mechanismen von Emotionalisierung und Moralisierung?
    Körtner: Ja natürlich. Gut, jetzt kann ich sagen, Ihre Sorgen möchte ich haben. Denn bei uns in Österreich ist im Moment nicht zu erwarten, dass eine ähnliche, politische Entwicklung und Gesetzgebung in den Weg geleitet wird. Dafür fehlen uns die Mehrheiten. Also kann ich mir das erste Reihe fußfrei sozusagen anschauen.
    Aber im Ernst: Es ist ja dieses Thema nun schon seit langem auf dem Tapet, darüber kann man jetzt auch trefflich diskutieren, ob diese Entscheidung nicht irgendwann so oder so kommen müsste oder überfällig ist. Aber wie das jetzt im Moment abläuft, zeigt einmal mehr, wie hoch das ganze Thema emotional besetzt ist, wie stark es da eigentlich auch um Symbolpolitik geht. Denn wenn man sich - egal wie man da jetzt inhaltlich zu steht - anschaut, was wird sich letztlich ändern, es sind letzte Hürden im Adoptionsrecht, um die da tatsächlich im Kern gestritten wird.
    Aber wir sehen, schauen wir mal nur etwa jetzt auf die Kirchen, die evangelische Kirche ist - wenn ich es so sagen soll - ein bisschen auf dem falschen Fuß erwischt, anders als die römisch-katholische, die ja klar sagt, für sie ist weiterhin nur die heterosexuelle Verbindung von Mann und Frau als Ehe zu bezeichnen, hat sich die evangelische Kirche in den letzten Jahren mit diesem Thema unendlich schwer getan. Eine Denkschrift zwischen Autonomie und Angewiesenheit 2013 hat also gezeigt, dass man hier fast gelähmt ist in dieser Frage, eine Denkschrift zur Sexualethik wurde gleich eigestampft, gar nicht mehr fertig gemacht. In der baden-württembergischen Region, also württembergische Landeskirche, hat man jetzt gerade heftig um das Thema Segen von Homosexuellen gestritten und jetzt wird man gewissermaßen von links oder von wo auch immer überholt.
    "Die Institution der Ehe wird durch die Ehe für alle aufgewertet"
    Main: Was halten Sie denn von der Ehe für alle, mal losgelöst von Landeskirchen? Was halten Sie von der Ehe für alle? Darf ich Sie das als Ethiker fragen, der Sie gegen eine Moralisierung von Politik und Kirche antreten?
    Körtner: Ich glaube, nachdem die Entwicklung im Familienrecht schon so weit vorangeschritten ist in Deutschland, wie es ist, ist dieser Schritt zu einer Ehe für alle letztlich ein konsequenter Schritt. Was mir Probleme bereitet ist weniger die Gesetzgebung, als mehr die Frage, wie eigentlich die Kirche inhaltlich überhaupt so etwas wie ein Leitbild von Ehe und Familie positiv noch vermitteln will.
    Aber in der Rechtsfrage glaube ich, ist das jetzt eine Entwicklung, die nur konsequent ist und die man durchaus auch so verstehen kann, dass das Institut oder die Institution der Ehe dadurch aufgewertet wird. Ob das politisch klug ist, wie man das jetzt durchzieht, das steht nochmal auf einem anderen Blatt. Aber da geht es jetzt mehr um die politische Bewertung der Vorgänge der letzten Tage.
    "Asylrecht kein alleiniges Instrument der Migrationspolitik"
    Main: Sie hören den Deutschlandfunk, die Sendung Tag für Tag - Aus Religion und Gesellschaft, im Gespräch mit dem evangelischen Theologen Ulrich Körtner über die Tyrannei des politischen Imperativs in Politik und Kirche.
    Asyl und Flucht, das ist ja wohl das emotionale Thema schlechthin, bei dem auch die Kirchen ausgesprochen engagiert sind. Sie sagen, aus dem Gebot der Nächstenliebe lasse sich keine erschöpfende Handlungsanweisung für langfristige Migrationspolitik ableiten. Ich halte dagegen mit dem Matthäus-Evangelium: "Ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben".
    Körtner: Ja, das kenne ich, dass so argumentiert wird. Nein, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, dass ich das so vom Tisch wischen will. Ich möchte erstmal betonen, dass ich selbst in dieser Frage mich inhaltlich stark engagiert fühle, weil ich zum Beispiel Bundespfarrer der Johanniter Unfallhilfe in Österreich bin. Wir haben selber mehrere Flüchtlingsquartiere betrieben, das letzte davon schließt jetzt gerade. Also ich bin wirklich auch in diese Flüchtlingshilfe ein Stückweit involviert oder zumindest zeitweilig involviert gewesen und das möchte ich doch sehr stark betonen.
    Aber die Frage, wo und wie wir Menschen helfen können, die verlangt doch wirklich eine nüchterne und differenzierte Betrachtung. Es kann nicht die Lösung der Weltprobleme und großen Migrationsströme sein, dass man sagt, die Lösung ist in erster Linie, Flüchtlinge nach Europa zu lassen und sie alle bei uns aufzunehmen. Aus dieser Weisung des Matthäus-Evangeliums oder aus dem Gebot der Nächstenliebe ist noch keine schlüssige Migrationspolitik zu entwickeln.
    Und wir haben es eben nicht nur mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu tun, wir haben es auch nicht nur mit Asylsuchenden zu tun, die nach den europäischen oder deutschen Regeln vielleicht einen Asylantrag stellen können, sondern wir haben es mit Migrationsströmen zu tun, die wirtschaftliche oder sonstige Gründe haben, wo Menschen nach einem besseren Leben suchen. Und auch das halte ich - möchte ich betonen - für völlig legitim.
    Aber eine Migrationspolitik kann ich nicht dadurch gestalten, dass ich einfach etwa das Asylrecht als das alleinige Instrument für Migration benutze.
    Und ich glaube, es ist richtig, wenn also etwa jemand wie der englische Ökonom Paul Collier sagt, wir müssen viel mehr darüber nachdenken, wie wir etwa in afrikanischen Ländern für bessere politische Verhältnisse und wirtschaftliche Perspektiven sorgen können. Also, von daher nochmal: Ein christlicher Impetus, Menschen zu helfen, keinen ertrinken zu lassen, ist das eine.
    "Deutsches Heroentum"
    Das andere ist, wie man zu einer geordneten Migrations- und Flüchtlingspolitik kommt. Und diese Frage ist nach wie vor unbefriedigend beantwortet. Und die wird nicht dadurch gelöst, dass man etwa einfach nur Parolen ausgibt, wie 'Wir schaffen das' oder der Ratsvorsitzende der EKD hat dann immer wieder betont, mit Begeisterung 'Ja, wir sind über uns hinausgewachsen'. Da kommt dann auch wieder so ein deutsches Heroentum bei mir an, ja, also wir sind immer schon zu etwas besonderem berufen gewesen oder die deutsche Bundeskanzlerin hat dann auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise gesagt, wir waren Weltmeister, Fußballweltmeister, und dies packen wir auch noch.
    Main: Und das Ganze ist alternativlos…
    Körtner: Und das ist noch alternativlos, Grenzen kann man sowieso nicht kontrollieren. Also das alles ist für mich paradoxerweise eine Entpolitisierung der Politik. Was wir wirklich brauchen, das ist ein Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen, die zu diskutieren haben wir jetzt auch nicht die Zeit. Aber da halte ich es eben mit Max Weber, 'Politik ist eben das beharrliche Bohren dicker Bretter'. Und das lässt sich nicht mit solchen Sprüchen lösen.
    Asylrecht nicht wegen Fehlern der Politik ausdünnen
    Main: Sie sprechen Max Weber an. Mir scheint auch, es geht Ihnen primär darum, diesen dominierenden, gesinnungsethischen Ansatz zu konfrontieren mit Verantwortungsethik, also nicht alles, was ethisch ideal und wunderbar ist, lässt sich so umsetzen, weil es dann verantwortungslos ist. Was wäre denn Ihr verantwortungsethisches Plädoyer?
    Körtner: Meinen Sie jetzt in der Flüchtlingsfrage?
    Main: Ja. Um es konkret zu behalten.
    Körtner: Um es konkret zu machen. In der Flüchtlingsfrage glaube ich, wir brauchen einen Mix, wie ich schon sagte. Einerseits, wir brauchen einen wirksamen Schutz europäischer Außengrenzen. Solange das nicht funktioniert, stehe ich auch dazu, dass ich gesagt habe: Lösungen, wie sie etwa von Österreich forciert worden sind, Schließung der Balkangrenze, waren richtig. Aber das ist nicht die alleinige Antwort auf all diese Fragen.
    Es braucht eine verstärkte Unterstützung finanziell der Flüchtlingscamps, etwa in Jordanien, da sind schwere Fehler gemacht worden, dass man die finanziellen Zuwendungen gekürzt hat. Man braucht auch Rücknahmeabkommen mit verschiedenen Ländern, ähnlich wie man das mit der Türkei gemacht hat, auch wenn das aus meiner Sicht durchaus in diesem Fall ein nicht unproblematischer Vorgang ist, aber der ist moralisch ganz bestimmt nicht höherstehend als die Schließung der Balkangrenze.
    Wir brauchen aber gleichzeitig - das möchte ich auch nochmal betonen - ein Festhalten an den Regeln einer effektiven Asylpolitik. Also es kann nicht sein, weil man da Fehler begangen hat, am Ende das Asylrecht so auszudünnen, dass keiner mehr Asyl bekommt. Wir brauchen - ich würde sagen - in Deutschland, aber das ist jetzt, wenn Sie so wollen, Ihr Problem vor Ort, eine stärkere Harmonisierung auch zwischen den Ländern. Denn Sie haben im Moment intern in Deutschland einen Tourismus, wo Leute unter falschem Namen hin- und herziehen, um die Gesetze auszuhebeln, und eben Wirtschaftspolitik, etwa in Afrika, denn das ist der größte Brocken, der vor uns liegt.
    Main: Der evangelische Theologe Ulrich Körtner, Professor für systematische Theologie an der Uni Wien über die Tyrannei des moralischen Imperativs in Politik und Kirche. Sein Buch "Für die Vernunft" ist erschienen in der evangelischen Verlagsanstalt Leipzig, 170 Seiten kosten 15 Euro. Danke Ihnen, Ulrich Körtner, für Ihre Einschätzungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.