Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

"Ex Machina"
Über die Hybris des Menschen

In dem Regiedebüt "Ex Machina" des britischen Schriftstellers Alex Garland treffen zwei Männer und ein weiblicher Roboter aufeinander. Und auch in diesem klugen Film funktioniert irgendwann der Reset-Knopf der Maschine nicht mehr und sie entwickelt einen Überlebenstrieb.

Von Hartwig Tegeler | 22.04.2015
    Was der Turing-Test ist, möchte Nathan wissen, der Guru, der Internet-Mogul, der Herrscher über dieses Reich, in das Caleb eingeladen ist. Sicher weiß Caleb das. Es geht um das Verhältnis zwischen Mensch und Computer:
    "Wenn dem Menschen nicht auffällt, dass sein Gegenüber ein Computer ist, gilt der Test als bestanden."
    Und der bestandene Test zeigt, dass der Computer künstliche Intelligenz aufweist. Caleb, hochintelligent, ein wenig naiv - Domhnall Gleeson spielt ihn - hat einen Wettbewerb gewonnen. Eine Woche wird er in der High-Tech-Villa seines Chefs Nathan - Oscar Isaac - verbringen. Abgeschiedenheit pur. Abgeschlossen nach außen. Nur mit der entsprechenden Chip-Karte zu verlassen. Nathan ist arrogant, besessen, innovativ, gnadenlos; der Chef der fiktiven weltweit größten Internet-Suchmaschine. Caleb soll mit einem Roboter einen Turing-Test machen. Aber diese Maschinenfrau, der er begegnet, Ava, ist von einer irritierenden Schönheit. Sehr, sehr sexy. Caleb ist fasziniert, fühlt sich von Ava - betörend: Alicia Vikander -, angezogen, während er gleichzeitig tief verunsichert ist über seine Gefühle bzw. darüber, was hier überhaupt passiert, was mit ihm passiert. Ist Ava seine sexuelle Fantasie, von Nathan programmiert aus dem Bausatz von Calebs Datenprofils. Warum hat Nathan ihn in dessen High-Tech-Höhle gelockt?
    "Ist sie von dir programmiert worden, mit mir zu flirten? - Würdest du das als Betrug betrachten? - Du nicht?"
    Wie all die Science-Fiction-Geschichten, die von der Nähe zwischen Mensch und Maschine, Roboter oder Künstlicher Intelligenz erzählen, handelt "Ex Machina" von der Hybris des Menschen.
    "Eine Maschine zu konstruieren, die ein Bewusstsein hat, ist nicht eine Geschichte der Menschheit, es ist die Geschichte von Göttern."
    Kühles Ambiente
    Alex Garland inszeniert seine Geschichte konsequent in einem kühlen wie faszinierenden Ambiente. Nathans Villa, in der "Ex Machina" fast ausschließlich spielt, hat gerade Fluchten, rohe Zementwände und Glastüren. Eine Architektur, die Hauptdarsteller ist in diesem Film, eine, die alles Unkontrollierbare in Bann zu halten sucht. Der Kontrapunkt hinter den riesigen Glasfenstern ist die wilde Wald- und Bergwelt, in die die Villa wie hineingebaut, eingefügt zu sein scheint.
    Scheint! Denn die Natur draußen bleibt Kontrapunkt. Hingegen ist die "Natur" - in Anführungsstrichen -, die Nathan, der männliche Schöpfer gottgleich erschaffen hat, eine kontrollierte, eine von Bits und Bytes, umhüllt mit Metall, Silikon und Carbon. Doch es gehört zu den unverbrüchlichen Bestandteilen des Science-Fiction-Genres, dass die vom Menschen geschaffenen Wesen der Kontrolle ihrer Schöpfer entgleiten.
    Wenn die Maschine aufmüpfig wird
    Das war bei "Metropolis" nicht anders als bei "Frankenstein" oder jüngst bei Spike Jonze in "Her". Die Geschöpfe werden aufmüpfig, was im Schöpferplan nicht vorgesehen war. Die Maschinenfrau war ja ursprünglich der Versuch, die eigenen Begierden und Lüste des Mannes kontrolliert auszuleben. Doch auch in Alex Garlands Film "Ex Machina" funktioniert der Reset-Knopf irgendwann nicht mehr. Und vielleicht fing die Rebellion des sexuell aufreizenden künstlichen Wesens mit dieser Frage hier an:
    "Hast du jemanden, der mit dir Tests durchführt und vielleicht abschaltet? - Nein, habe ich nicht. - Warum ich?"
    Am Ende von "Ex Machina" ist die Roboter-Frau Ava jedenfalls dem Menschen in einem für die Evolution alles entscheidenden Punkt gleich geworden: dem Überlebenstrieb. Für sie sind die Sicherungssysteme dieser Super-Hightech-Villa ein Lacher. Vielleicht steckt im Abschlussbild von Alex Garlands Film ja etwas vom melancholischen Zynismus seiner Figur Nathan, wenn der über künstliche Intelligenz, kurz KI, philosophiert:
    "Hast du Mitleid mit Ava? Hab Mitleid mit dir selbst, Mann. Irgendwann sehen uns die KI´s rückblickend genauso wie wir irgendwelche fossilen Skelette in der Wüste von Afrika sehen."
    Das ist zumindest unsere Angst, die sich in solch wunderschönen, klugen Filmen wie "Ex Machina" verbirgt. Und sie quasi antreiben.