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Ex-SPD-Bürgermeister tritt für die NPD an

Auf Veranstaltungen der NPD ist Hans Püschel derzeit öfter zu Gast. So auch in Berlin. In einer Schulaula in Berlin-Lichtenberg feierten 180 Gäste den Zusammenschluss der beiden rechtsextremen Parteien NPD und DVU. Der ehemalige Sozialdemokrat Hans Püschel war als Gastredner geladen.

Von Susanne Arlt | 03.02.2011
    Auf der Bühne schien sich der große, bärtige Mann wohlzufühlen. Er lächelte breit ins Publikum, hielt eine kurze Rede und dann zu Ehren der neuen Partei ein Ständchen. Ein Lied von Otto Reutter vor mit dem Titel: Es geht vorwärts!

    Dass es in Deutschland mit den demokratischen Parteien vorwärts geht, bezweifelt Hans Püschel indes. Darum sei er nach fast 20 Jahren auch aus der SPD ausgetreten, sagt der gelernte Betriebstechniker und kam damit einem Parteiausschluss zuvor. Als im November die NPD ihren Bundesparteitag in Sachsen-Anhalt der Nähe von Püschels Heimatort Krauschwitz abhielt, wollte er sich selbst ein Bild über diese Partei machen. Sein Fazit: beinahe wie auf einem SPD-Parteitag. Keine Springerstiefel, keine Schlägertypen. Kaum ein Satz sei gefallen, den er nicht selbst unterschrieben hätte. Verfassungsfeindlich sei da nichts, sagt Püschel – auch öffentlich – und zog sich damit den Ärger seiner SPD-Genossen zu.

    Er gibt offen zu: Das Bamberger NPD-Parteiprogramm habe er nicht
    gelesen. Darin fordert die Partei beispielsweise die Rückführung
    aller Ausländer. Den gemeinsamen Unterricht von deutschen und ausländischen Kindern will sie abschaffen. Püschel zuckt mit den Schultern, sagt dann:

    "Nur wenn es menschenfeindlich wird, faschistisch oder rassistisch, dann muss eine Grenze gezogen werden."

    Auch im Wahlprogramm der sachsen-anhaltischen NPD findet er auf den ersten Blick kein neonazistisches Gedankengut. Darum findet es Hans Püschel auch in Ordnung, dass er für die rechtsextreme Partei kandidiert. Die wirbt schon auf ihren Flyern mit seinem Namen: 500 Euro Kindergeld für jedes deutsche Kind steht dort außerdem gedruckt. Oder kein deutsches Kind darf hungern. Das findet auch Hans Püschel.

    "Sie sehen Deutschland als starke Nation und das will ich auch sehen. Und wir müssen wieder stärker werden auch gegenüber dem Ausland, uns nicht so ausnehmen lassen, weil wir das Geld nicht mehr haben. Wir sind zum Schluss pleite, weil wir überall hin bezahlen müssen von Griechenland bis Irland. Und das geht nicht so weiter. Ich will es nicht zum Crash kommen lassen in Deutschland und darum bin ich dort und ich sehe niemanden, der das aufhält, außer denen vielleicht."

    Wer Hans Püschel in seinem Heimatort Krauschwitz besucht, der wird sehr liebenswürdig von ihm begrüßt. Der 62-jährige bittet den Besucher ins gut geheizte Wohnzimmer, bietet Kaffee und selbstgebackene Plätzchen an. In einer Ecke steht noch der üppig geschmückte Christbaum. Im Christentum endet die weihnachtliche Festzeit offiziell erst nach vierzig Tagen. Hans Püschel ist gläubiger Christ. Das war er schon zu Zeiten der DDR. In der evangelischen Kirche spielte er am Heilig Abend noch die Orgel. Seit vielen Jahren ist er Kirchenratsvorsitzender der Gemeinde. Hans Püschel sei kein Neonazi, sagen Kirchenmitglieder und ehemalige SPD-Gefährten über ihn. Nur eben ein komplizierter Mensch. Unangepasst, widerborstig, gerechtigkeitsliebend.

    "Je mehr man mich prügelt, desto mehr wehre ich mich. Das habe ich früher so gemacht, das werde ich jetzt nicht ändern und vor allem werde ich misstrauisch, wenn alle mit Vehemenz, ohne Argumente drauf rumprügeln."

    Genau wie das seiner Meinung nach politische Amtsträger tun, wenn sie die NPD-Vertreter nicht in ihren Gemeindesälen tagen lassen. Die NPD sei eine zugelassene Partei, betont Püschel immer wieder. Darum hat er als Ortsbürgermeister der rechtsextremen Partei kürzlich auch den Gemeindesaal in Krauschwitz vermietet. Parteichef Udo Voigt und Wahlkampfleiter Holger Apfel standen auf der Bühne – und eben auch Hans Püschel. Es ging um Themen, die sicherlich viele Menschen in der Gegend bewegen. Warum bekommen die Deutschen kaum noch Kinder? Wie soll man mit Hartz IV überleben? Viele empfinden es als sozial ungerecht, was in den vergangenen 20 Jahren hier passiert ist, sagt der evangelische Pfarrer Thomas Wisch.

    "Das Erleben, das Städte ausbluten. Hohenmölsen hat seinen Kreistagsstatus verloren 1994. Seitdem geht es abwärts mit der Stadt dahingehend, dass alle öffentlichen Institutionen zurückgebaut werden. Das Postamt ist nicht mehr, es gibt nur noch eine kleine Polizeistation, das Krankenhaus ist geschlossen. Die Armee ist weg, Häuser werden eingerissen, weil keine mehr da wohnen. Das Gefühl macht sich breit, wir sind die Letzten, wir machen das Licht aus. Also der soziale Frust ist schon bei vielen da."

    Hans Püschel trifft mit seiner Kritik den Nerv der Region, glaubt der Pfarrer. Ob er damit auch Wählerstimmen für die NPD holt, Thomas Wisch zuckt mit den Schultern. Damit es nicht so weit kommt, will er die Bürger in seiner Stadt über das wahre Gesicht der NPD aufklären. Ausländer raus - diese Forderungen widersprechen dem christlichen Menschenbild und der christlichen Nächstenliebe. Darum hat die Kirchenleitung jetzt auch Hans Püschel das Amt des Kirchenratsvorsitzenden entzogen. Der 62-jährige hat damit gerechnet. Die Kirche verhalte sich damit genauso undemokratisch wie die amtierenden Parteien, sagt er.