Freitag, 29. März 2024

Archiv


Exotische Schönheit

Vor 130 Jahren wurde Margaretha Gertruida Zelle im holländischen Leeuwarden geboren. Als Tänzerin Mata Hari betörte sie die Männerwelt. Als Lebedame ließ sie sich von reichen Offizieren aushalten. Und als Spionin arbeitete sie gleich für zwei Geheimdienste.

Von Regina Kusch | 07.08.2006
    "Der Tanz ist ein Gedicht, von dem jede Bewegung ein Wort ist."

    Andächtig verfolgte das Publikum jede ihrer Bewegungen. In den Salons der vornehmen und reichen Pariser Gesellschaft war sie Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrer exotischen Darbietung als indische Tempeltänzerin schnell die Attraktion der Belle Epoque geworden. Sie hatte sich selbst den Namen Mata Hari gegeben, was so viel heißt wie "die aufgehende Sonne", sie umhüllte sich mit geheimnisvollen Geschichten und mit Schleiern, die sie während der Vorstellung fallen ließ. Die Presse jubelte:

    "Eine junonische Erscheinung. Eine exotische Schönheit ersten Ranges. Und Mata Hari tanzt. Das heißt: Sie tanzt nicht. Sie verrichtet ein Gebet vor dem Götzenbild, wie ein Priester den Gottesdienst. (...) Unter dem Schleier trägt die schöne Tänzerin auf dem Oberkörper einen Brustschmuck und einen Goldgürtel. Sonst nichts. Die Kühnheit des Kostüms bildet eine kleine Sensation. Doch nicht der leiseste Schein der Indezenz. Das, was die Künstlerin im Tanze verrät, ist reinste Kunst."

    "Meine Mutter war eine berühmte und gefeierte Bayadere im Tempel Kanda Swany. Mit 14 Jahren, als sie mich gebar, starb sie. Als ihre Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrannt war, zogen mich die Priester auf. Schon als kleines Kind wurde ich in der unterirdischen Grotte der Pagode Schiwas in die heiligen Tänze Gottes eingeweiht."

    Der Öffentlichkeit präsentierte sie stets ein herzzerreißendes Märchen über eine Kindheit in Indien. In Wirklichkeit hieß Mata Hari Margaretha Geertruida Zelle und wurde am 7. August 1876 im holländischen Leeuwarden als Tochter eines Hutmachers geboren. Mit 18 meldete sie sich auf eine Annonce und heiratete John Rudolf MacLeod, einen 20 Jahre älteren Hauptmann aus Niederländisch-Indien. Sie bekamen zwei Kinder und lebten in Indonesien, wo Margaretha sich die landestypischen Tänze beibrachte. Die von Anfang an unglückliche Ehe wurde nach dem ungeklärten Tod ihres Sohnes geschieden. Margaretha ging nach Paris.

    "Ich dachte damals, dass alle Frauen, die ihren Ehemann verließen, nach Paris gingen."

    Mata Haris Karriere schien unaufhaltsam. Auftritte in Monte Carlo, Wien, Berlin und in der Mailänder Scala machten sie zum umschwärmten Superstar mit einer besonderen Vorliebe für hohe Offiziere, von denen sie sich aushalten ließ. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs blieben die großen Engagements aus. Ihre Schulden wuchsen und schließlich ließ sie sich vom Deutschen Geheimdienst als Spionin anwerben, die französischen Offizieren geheime Informationen entlocken sollte. Sie erhielt den Decknamen H 21 und 20.000 Francs Vorschuss. Kurze Zeit später arbeitete sie auch für den französischen Geheimdienst. Im Februar 1917 wurde sie von Frankreichs Spionageabwehr festgenommen. In monatelangen Verhören konnte man ihr dennoch keinen Geheimnisverrat nachweisen, wohl aber, dass sie von den Deutschen Geld genommen hatte.
    Der Richter, Hauptmann Bouchardon war von Anfang an überzeugt, eine große Spionin gefangen zu haben, die verantwortlich sei für den Tod von 50.000 französischen Soldaten.

    "Ich erblickte eine große Frau mit wulstigen Lippen und kupferfarbenem Teint mit falschen Perlen in den Ohren vom Typus einer Wilden. Katzenhaft. Geschmeidig. Durchtrieben. Ohne Skrupel und daran gewöhnt, sich der Männer zu bedienen, ist sie der Typ einer Frau, die zur Spionin prädestiniert ist."

    Keiner ihrer einflussreichen Liebhaber setzte sich für ihre Rettung ein. Mata Hari wurde zum Tode verurteilt, obwohl sie, wie man heute weiß, den Deutschen nicht eine einzige brauchbare Information geliefert hat.

    "Ich habe nie gedacht, dass die Menschheit so feige ist. Und wenn ich sterben muss, werde ich das mit einem Lachen tun, aus tiefer Verachtung."

    "Im Namen der Französischen Republik, der hohe Gerichtshof spricht die Angeklagte Mata Hari in allen Punkten der Anklage schuldig. Die Angeklagte Mata Hari wird nach Paragraf 205, 206 und 207 der Kriegsartikel zum Tode durch Erschießen verurteilt."

    Am 15. Oktober 1917 wurde das Urteil vollstreckt. Doch Hollywood machte Mata Hari unsterblich durch die Verfilmung ihres Lebens 1931 mit Greta Garbo in der Hauptrolle.