Donnerstag, 28. März 2024

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Experimentelle Winzer aus dem Trentino
Spumante aus dem Gebirgssee

Konstante Temperatur von sieben Grad, in 20 Meter Tiefe im See gelagert, danach liebevoll gerüttelt - so entsteht der vielleicht ungewöhnlichste Spumante aus dem Trentino. Ein gehobenes Schiffswrack mit Champagnerflaschen an Bord hat die Winzer zur Unterwasserlagerung inspiriert.

Von Peter Kaiser | 16.09.2018
    Blick auf den Levicosee
    Blick auf den Levicosee - hier lagert auch der "Trento Doc Spumante" (imago stock&people / FrankFleischmann )
    "Wir sind hier am Levicosee. Hier verbringen Jahr für Jahr viele Touristen wegen der schönen Umgebung ihren Urlaub. Der Levicosee ist zusammen mit dem Caldonazzosee ein See des Valsugana."
    Welch ein Panorama: Der See ist spiegelglatt, ein gesunder Biofilm liegt auf der Oberfläche, Enten tummeln sich im Wasser, darüber erhebt sich majestätisch das UNESCO-Weltnaturerbe: Die Dolomiten. Oben schneebedeckt.
    Valsugana-Tal - Balance zwischen Tourismus und Natur
    Langsam fährt Monika, die junge Italienerin mit deutschem Namen, jetzt im E-Boat raus auf den Levicosee. Das elektrisch betriebene Boot ist auch Ausdruck jener Balance, die man hier sehr bewusst zwischen der grandiosen alpinen Natur und den Tausenden Touristen pro Jahr versucht zu finden.
    "Dank der Sauberkeit der Umgebung und des Sees haben wir viele Auszeichnungen gewonnen, etwa die Blaue Fahne."
    Das Valsugana-Tal im Nordosten Italiens, nahe den Dolomiten gelegen, ist nicht nur wegen seines nachhaltigen Tourismus beliebt, der die alpine Schönheit der Gegend zu bewahren sucht. Wenigstens eine regionale Spezialität ist über das Trentino hinaus bekannt: der besondere Schaumwein, der "Trento Doc Spumante" der "Cantina Romanese", nahe des Levicosees. Inhaber Giorgio Romanese sagt:
    "Unser 'Trento Doc Spumante' wird zwar nach der Methode des Champagner produziert, also die klassische Methode, auch im Trentino. Die Flaschen werden aber mit einem Eisenverschluss verschlossen, nicht mit einem Korken, und dann in eine Eisengitterbox gelegt, 500 pro Gitterbox. Die Gitterboxen werden dann mit Hilfe von Tauchern in den See versenkt.
    Cantina Romanese produziert 15.000 Flaschen pro Jahr, davon 4.000 Flaschen Spumante. Der Spumante wird für 500 Tage in den See versenkt. Wenn der Wein geruht hat, werden die Kisten hochgezogen, und der Wein wird in eine Festung aus dem 1. Weltkrieg gebracht. Diese Festung heißt Colle delle Benne, oberhalb von Levico."
    Konstante Temperatur von sieben Grad in 20 Meter Tiefe
    Die Flaschen lagern in einer Tiefe von 20 Metern im Levicosee. Hier herrscht Sommer wie Winter eine konstante Temperatur von sieben Grad. Die Idee, die Flaschen zu versenken, hatten die zwei Brüder Andrea und Giorgio Romanese im Jahr 2014. Vier Jahre zuvor hatten Forscher in einem um 1840 gesunkenen Frachter in der Ostsee 186 Flaschen Champagner entdeckt.
    "Diese Methode, die Flaschen ins Wasser zu geben, gibt es nur an drei, vier Orten in der Welt, meistens im Seewasser, zum Beispiel in der Nähe von Genua. Aber da hier auch der See ist, mit dem guten Wasser und der guten Temperatur, haben wir gedacht, wir bringen das nach Valsugana als Methode."
    Die Champagnerflaschen im Ostseewrack lagerten unter nahezu perfekten Bedingungen. Es war kühl, dunkel und die Flaschen lagen waagerecht. Zwar verpassten Champagnerexperten dem Flascheninhalt Noten wie "käsig", "nasse Haare" und "tierisch", doch als man die Flaschen eine Weile offen ließ, damit der Inhalt Sauerstoff aufnehmen konnte, hieß es, jetzt wäre der Champagner "fruchtig", "rauchig" und "blumig", also akzeptabel.
    Rüttler dreht und neigt bis zu 50.000 Flaschen am Tag
    "Wenn der Wein geruht hat, werden die Kisten hochgezogen, und der Wein wird in eine Festung aus dem 1. Weltkrieg gebracht. Diese Festung heißt Colle delle Benne, oberhalb von Levico, und da passiert dann die nächste Phase, die Remuage."
    Am Anfang liegen die Flaschen fast waagerecht, bis sie dann - über Wochen hinweg - vom "Remueur", dem erfahrenen Rüttler, täglich um Zehntel gedreht werden. Am Ende sind die Flaschen nicht nur mehrmals um sich selbst gedreht worden, sondern sie wurden auch immer etwas mehr geneigt. Bis sie fast auf dem Kopf stehen. Ein guter Rüttler, heißt es, dreht und neigt bis zu 50.000 Flaschen, täglich.
    "Die Hefe fällt nach unten, der klare Wein bleibt oben, der Hals wird so kalt behandelt, dass er fast gefroren ist, so bleibt ein Hefestöpsel innen drin. Sobald man den Verschluss weggibt, wird der Stöpsel herausgezogen. Der klare Wein bleibt in der Flasche, und erst jetzt kommt der Korken dazu."
    Monika, die junge Italienerin, weiß, wo die Romaneseflaschen am Seegrund liegen. Sie sind so gesichert, sagt sie, dass weder einem Boot, noch den Flaschen in den Gitterboxen etwas passiert. Sodass es für alle, die sich den nicht gerade billigen Spumante leisten können, jedes Jahr aufs Neue "Salute" heißt.