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Experte zur Bankenkrise
"Deutsche Bank muss Altlasten beseitigen"

Während die Deutsche Bank mit 2015 einen Rekordverlust verbuchte, steht die früher kriselnde Commerzbank wieder gut da. Der scheidende Commerzbank-Chef Blessing habe trotz aller Widerstände an seiner Strategie festgehalten, sagte Thomas Hartmann-Wendels von der Uni Köln im DLF. In der Deutschen Bank habe es hingegen keine klare Linie gegeben.

Thomas Hartmann-Wendels im Gespräch mit Eva Bahner | 12.02.2016
    Hochhaus der Deutschen Bank in Frankfurt
    Hochhaus der Deutschen Bank in Frankfurt (dpa - Wolfram Steinberg )
    Eva Bahner: Die Commerzbank hat heute einen Milliardengewinn vorgelegt, sie erfreut die Aktionäre mit einer Dividende – das klingt ja so als hätte Martin Blessing, der scheidende Chef, die Commerzbank ganz gut aus der Krise raus manövriert – können Sie ihm ein gutes Zeugnis ausstellen, hat Blessing einen guten Job gemacht?
    Thomas Hartmann-Wendels: Ja man muss Martin Blessing vor allem zugutehalten, dass er trotz aller Widerstände an seiner Strategie festgehalten hat. Es hat ja wirklich doch einige Jahre gedauert, bis diese Strategie nun Früchte trägt, und er hat in der Zeit viel Kritik einstecken müssen. Er hat aber seine Strategie nicht geändert, …
    Bahner: Nämlich welche Strategie?
    Hartmann-Wendels: Die Strategie, sich stärker auf mittelständische Unternehmen und auf Privatkunden zu konzentrieren, Investmentbanking zurückzuführen. Diese Strategie zeigt jetzt Erfolge und das zeigt, dass man auch eine gewisse Geduld haben muss, bis Maßnahmen greifen.
    Bahner: Die Commerzbank, die ist ja damals auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vom Staat und damit vom Steuerzahler aufgefangen worden. Die Deutsche Bank hingegen war damals zu stolz, Staatshilfe anzunehmen, und jetzt sieht es so aus, dass die Deutsche Bank als Sanierungsfall dasteht. Die Commerzbank steht ganz gut da, wie wir jetzt sehen. War also das Krisenmanagement der Commerzbank unterm Strich besser als das der Deutschen Bank?
    "Dieser ständige Wechsel ist mit enormen Kosten verbunden"
    Hartmann-Wendels: Na ja, ein bisschen spielt das Bild natürlich das Auf und Ab im Bankgeschäft wieder. Vor einigen Jahren sah es genau umgekehrt aus wie heute. Die Deutsche Bank stand sehr solide da und die Commerzbank kriselte sogar so stark, dass sie Staatshilfe in Anspruch nehmen musste. Heute ist es genau anders herum. Das liegt daran, dass das Investmentbanking heutzutage nicht mehr diese Erträge abwirft wie früher. Es liegt aber auch daran, dass es die Deutsche Bank in den letzten Jahren versäumt hat, eine klare Strategie zu formulieren, wie sie sich in der Zukunft aufstellen will. Was wir jetzt auch in den letzten 10, 15 Jahren erlebt haben bei der Deutschen Bank ist ein häufiger Strategiewechsel, weg von dem Privatkunden, hin zum Investmentbanking, dann wieder doch den Kauf der Postbank als Hinwendung zum Privatkunden, dann jetzt wieder Verkauf der Postbank. Dieser ständige Wechsel ist mit enormen Kosten verbunden und bringt natürlich auch keine Erträge.
    Bahner: Die Deutsche Bank hat innerhalb von drei Wochen rund 30 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Heute hat sie jetzt angekündigt, im großen Stil Anleihen zurückzukaufen, um ein bisschen Beruhigung in den Markt wieder reinzubringen. Wie ist da Ihre Einschätzung? Wird das gelingen?
    Hartmann-Wendels: Die Deutsche Bank sendet mit dieser Ankündigung, Anleihen zurückzukaufen, ein starkes Signal an den Markt: Wir haben genug Liquidität, wir können in diesem Umfang Anleihen zurückkaufen. Das wirkt zunächst auch einmal, ist sicherlich auch das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt. Ob es langfristig wirkt, hängt natürlich davon ab, ob es der Bank gelingt, wieder Vertrauen zu gewinnen, ob die Bank Klarheit schaffen kann über ihre Rechtsrisiken, die noch auf sie zukommen werden, ob es der Bank gelingt, dem Markt auch glaubwürdig eine tragfähige Strategie zu vermitteln.
    Bahner: Was fehlt denn dafür? Wie kommt die Deutsche Bank wieder raus aus diesem Krisenmodus?
    Hartmann-Wendels: Die Deutsche Bank muss zunächst mal Altlasten beseitigen. Man erfährt ja ständig von neuen Prozessen und Dingen, die auf die Bank zukommen. Das verunsichert die Anleger. Das ist das eine.
    Das andere ist, dass nicht klar ist, wo will die Bank eigentlich künftig ihr Geld verdienen, mit welchen Geschäftsfeldern. Hier fehlt eine klare Positionierung. Das Investmentbanking ist nicht mehr der Ertragsbringer, da will man nicht mehr unbedingt rein. Aber man sieht auch kein neues Geschäftsfeld, das sich hier auftut, und solange das nicht klar erkennbar wird, wird auch diese Ankündigung des Rückkaufs nur eine vorübergehende Beruhigung bewirken.
    "Eine Bank lebt vom Vertrauen und das ist sehr schnell weg"
    Bahner: Wenn wir jetzt mal auf die Branche als Ganzes schauen. Aus der Bundesbank ist zwar zu hören, eine Bankenkrise wie 2008 sei auf keinen Fall in Sicht, und auch der deutsche Finanzminister versucht zu beruhigen. Wie beurteilen Sie denn die Lage?
    Hartmann-Wendels: Ich sehe die Lage auch nicht so dramatisch. Die Deutsche Bank ist sicherlich zurzeit in einer Schwächeposition, wobei man da auch aufpassen muss, dass man so eine Bank nicht kaputt redet. Das was dem Kirch vor einigen Jahren passiert ist, kann natürlich auch der Deutschen Bank passieren, dass allein aufgrund von Gerüchten man letztlich dann in die Pleite geht, was bei einer Bank immer sehr leicht möglich ist.
    Bahner: Sie sehen diesen Kursrutsch jetzt doch auch mit Sorge?
    Hartmann-Wendels: Ja. Die Deutsche Bank ist im Prinzip noch solide aufgestellt. Sie hat genug Kapitalpolster, um diese Verluste auffangen zu können. Aber eine Bank lebt halt vom Vertrauen und das Vertrauen ist natürlich sehr schnell weg, es ist ein sehr flüchtiges Gut. Und wenn die Kunden der Bank das Vertrauen entziehen, ist eine Bank ganz schnell am Ende, und das kann sehr schnell kippen. Da ist man nie sicher vor.
    Bahner: Wie erklären Sie sich denn diese plötzliche Nervosität, was den Bankensektor angeht?
    Hartmann-Wendels: Wenn der Branchenprimus schwächelt, dann strahlt das natürlich auf die ganze Branche aus. Das war schon immer so bei der Deutschen Bank. Wenn die Deutsche Bank vorgibt, 25 Prozent Eigenkapital-Rendite, dann gilt das plötzlich für die ganze Branche. Und auch jetzt in der Krise verallgemeinert man dann auch sehr schnell von der Deutschen Bank auf die gesamte Branche. Aber das ist eigentlich nicht zulässig, denn wir haben viele Banken, auch viele Banken, die ganz anders aufgestellt sind, die nicht diese Probleme haben, die die Deutsche Bank hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.