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Expertengremium hält Fracking für riskant, aber kontrollierbar

Wie gefährlich ist die Erdgasgewinnung mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode? Damit hat sich eine sogenannter Neutraler Expertenkreis im Auftrag des Energiekonzerns ExxonMobil befasst. Auf einer Tagung in Osnabrück hat das fast 40-köpfige Gremium seine Risikostudie vorgestellt - begleitet von Protesten besorgter Bürger.

Von Susanne Schrammar | 26.04.2012
    "Der Herr dahinten - möchten Sie nicht noch einen Cocktail probieren?"

    "Der schmeckte mir so ein bisschen chemisch, was haben Sie mir denn da rein gemixt?"

    Wie gefährlich ist der Chemiecocktail, der bei der unkonventionellen Erdgasförderung in die Erde gespült wird? Während Fracking-Gegner vor der Stadthalle in Osnabrück gestern mit einer improvisierten Cocktailbar demonstrierten, wurde im Gebäude das Ergebnis einer Fracking-Risikostudie in einer öffentlichen Konferenz vorgestellt. Im Auftrag des Erdgaskonzerns ExxonMobil hatte sich eine fast 40-köpfige Gruppe von Wissenschaftlern im Dialog mit betroffenen Bürgern, Behörden und Kommunen ein Jahr lang mit der umstrittenen Methode zur Erdgasgewinnung beschäftigt. Geologen, Chemiker, Toxikologen, Juristen und Gewässerforscher, die nach eigenen Angaben nie zuvor für diese Industrie gearbeitet hatten. Ihre Aufgabe: Die Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Fracking-Technologie zu beurteilen. Dieter Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Leiter des sogenannten Neutralen Expertenkreises:

    "Wir sehen, dass mit der Nutzung der unkonventionellen Gasressourcen neue Dimensionen von Risiken verbunden sind im Vergleich zur Nutzung der konventionellen Ressourcen. Wir sehen aber trotzdem keinen sachlichen Grund, das Fracking generell zu verbieten."

    Die Wissenschaftler halten die Technologie für kontrollierbar - wenn entsprechende Auflagen erfüllt würden. Wasserschutz, so der Expertenkreis, gehe dabei vor Energiegewinnung. In Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten - in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind das etwa zehn Prozent der Landesflächen - lehnen die Gutachter das Fracking daher klar ab.

    "Und wir gehen einen Schritt weiter und sagen, dass auch in den Gebieten, in denen man weiß, dass der Untergrund tektonische Spannungen hat, der Rissbildungen hat, der vielleicht auch durch vorangegangene Bergbauaktivitäten schon angetastet ist, Brüche aufweist, dass alle diese Gebiete ausgeschlossen werden sollten."

    Beim Stand von Wissenschaft und Technik sieht der Neutrale Expertenkreis in Sachen Fracking noch erheblichen Forschungsbedarf. So attestiert eine Ökotoxikologin zum Beispiel fundamentale Lücken bei den verfügbaren Informationen über die eingesetzten Chemikalien und zu wenig Erkenntnisse über das zurückgeförderte Abwasser, auch das Sicherheitsmanagement von ExxonMobil sei noch verbesserungsfähig. Vor einem flächendeckenden Fracking schlagen die Experten zunächst umfangreiche Erkundungs- und Demonstrationsvorhaben vor: In zwei Pilotprojekten, in denen das Erdgas unter Beteiligung der Öffentlichkeit und kontrolliert von Experten zunächst nur probeweise gefördert werde. Noch seien viele Fragen offen, so Studienleiter Borchardt.

    "Manchmal sind es neun, zehn Bohrungen an einem Bohrplatz, die dann unterirdisch verzweigt werden und dort wird Technik eingesetzt, für die es hier bei uns bisher keine Beispiele gibt. Wir wissen zum Teil noch zu wenig über Abbauverhalten von bestimmten Stoffen im Untergrund, wenn sie unter hohem Druck stehen, bei hohen Temperaturen, wo verbleiben die genau - und da ist eben die Forschung gefragt."

    Unter den Empfehlungen der Experten seien einige Kröten, die das Unternehmen zu schlucken habe, reagierte der Deutschlandchef von ExxonMobil Gernot Kalkoffen, versprach jedoch, sich daran zu halten und die Pilotprojekte umzusetzen. Der Erdgaskonzern hatte vor anderthalb Jahren die umstrittene Fracking-Methode ausgesetzt, um die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Studie abzuwarten.

    "Das heißt, wir werden jetzt unsere Bohrprojekte, die wir geplant haben, analysieren, ob sie diesen Kriterien standhalten oder nicht und wenn sie den Kriterien nicht standhalten, werden wir sie erstmal aussortieren."

    Die Fracking-Gegner sind mit den Ergebnissen der Studie nicht zufrieden und kritisieren, dass der wirtschaftliche Nutzen des Fracking in den Vordergrund und die Risiken für Mensch und Natur hinten an gestellt worden seien. Ralph Griesinger, von der Bürgerinitiative Frac-freies Bissendorf im Landkreis Osnabrück:

    "Und wenn das so ist, dass das Risiko tatsächlich da ist, dann sollte man es doch besser bleiben lassen. Die Befürchtung ist eben, dass auf Dauer und langfristig trotzdem diese Gefährdungen nicht ausgeschlossen werden können. Wir sind auch weiter strikt dagegen, dass diese Vorhaben weiter forciert werden."