Montag, 25. März 2024

Archiv


Exportbiber von der Elbe

Beinahe hätte es in Europa keine Biber mehr gegeben. Nachdem das Nagetier in Italien und England ausgerottet war, wurde es in den zwanziger Jahren in Deutschland zur streng geschützten Art erklärt. Auf dem Gelände des heutigen Biospährenreservates "Mittlere Elbe" waren noch 198 Nager übrig geblieben. Heute gibt es in Europa wieder 6.000 Biber - ihre Vorfahren kommen von der Elbe.

Von Annette Schneider-Solis | 19.09.2006
    Bei sonnigem Wetter hat man nicht einmal in Deutschlands einziger Biberfreianlage eine Chance, den großen Nager in seinem Bau zu sehen. Die Biberburg im Biosphärenreservat Mittlere Elbe, in die der Besucher von einem verdunkelten Raum aus hineinblicken kann, ist verwaist. Peter Ibe weiß, wo seine beiden Schützlinge an solchen Tagen gern schlafen. Der Naturschützer schleicht durchs Unterholz, hält plötzlich inne und zeigt auf etwas Braunes im hohen Gras:

    "Der Biber ist ja das größte Nagetier Europas. Die größten Biber, die wir bei uns hier hatten, die wogen 36 Kilo und waren 1,40 Meter lang. Also, der beste Vergleich für jemanden, der noch nie einen Biber gesehen hat: das ist doppelt so schwer wie ein Reh."

    Dass der Elbebiber heute in Europa wieder zahlreich vertreten ist, daran hat die Referenzstelle für Biberschutz Sachsen-Anhalts in Dessau einen großen Anteil. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Nager zur streng geschützten Art erklärt, erinnert Peter Ibe:

    "Das ist also der Region geschuldet, und zwar durch den Amtmann Behr oder den Professor Hinze. Sie haben sich schon sehr zeitig mit dem Biber beschäftigt. Der Amtmann Behr hat in Steckby gearbeitet. Das ist so ein bisschen die Urzelle des Biberschutzes. So zwischen Dessau, Schönebeck, Wittenberg, in der Region also des heutigen Biosphärenreservates waren die letzten Biber übergeblieben - er hat also damals sich schon um den Biber bemüht und hat die Biberbestände gezählt und festgestellt: Es gibt noch 198 Stück. Es wurde dann ein so genanntes Biberschutzgebiet Amtmann Behr errichtet, was dann später zum Steckby-Lödderitzer Forst wurde, zum Naturschutzgebiet, und das wiederum wurde dann 1979 von der UNESCO als erstes Biospärenreservat in Deutschland anerkannt."

    Da hatte die DDR bereits weitere Maßnahmen zum Schutz der Elbebiber ergriffen. Und seit 33 Jahren bemüht sich auch der gelernte Geflügelzüchter Peter Ibe um den "Castor fiber albicus ". Unterstützt wird er von über 100 ehrenamtlichen Naturschützern des NABU, die Tierbestände kartieren und sich im Biberschutz engagieren:

    "Es gab Bestrebungen, Biber wieder anzusiedeln, wo sie verschwunden waren. In Dänemark und in Holland also. Dort haben wir seit vielen Jahren Biber hingeliefert. Das war natürlich alles genau geplant. Da gibt es bestimmte Gesetze, die einzuhalten sind. Es ist ein sehr hoher Aufwand, der da zu betreiben ist. Es geht soweit, dass die Tiere in eine Kunstburg eingesetzt werden, damit sie sich dort gleich wohl fühlen."

    Heute kommt der Elbebiber in Europa wieder zahlreich vor. Aus den knapp 200 Tieren sind inzwischen 6.000 geworden, und die leben nicht nur an der Elbe, sondern auch in Holland, Dänemark oder im Saarland, in Hessen und am Niederrhein. Sie alle haben Vorfahren von der Elbe, die Peter Ibe und seine Kollegen in nächtlichen Aktionen eingefangen und exportiert haben:

    "Im Prinzip ist es so, dass wir die Biber dort wegfangen, wo es aus unserer Sicht vertretbar ist. Und wenn, dann fangen wir nur komplette Familien - also, wenn der erste gefangen wird, dann muss der letzte mit. Und in diesem Jahr ist der Biberfang nach 33 Jahren abgeschlossen. Weil alle Gebiete, die wir auf wissenschaftlicher Grundlage als Biberreviere ausgeguckt hatten, die sind alle besetzt. Sachsen-Anhalt ist ja Biberland. Hier leben 2.500 Biber und davon leben 1.200 im Biospärenreservat Mittlere Elbe und zwei hier in der Biberfreianlage."

    Auch wenn künftig keine Biber mehr aus Dessau in die weite Welt geschickt werden - zu viele Biber wird es auf keinen Fall geben, da ist sich der Biberexperte sicher. Die Natur reguliert sich selbst, wenn es zu eng wird, bekommen die Weibchen keine oder weniger Junge. Ganz anders als dort, wo Platz ist. Und so haben sich die Dessauer Exportbiber prächtig vermehrt:

    "Wir haben, um nur mal eine Zahl zu nennen, also dadurch ist das eigentlich entstanden, dass man 1973/74 die Mulde auf zehn Kilometern trockengelegt hat, und die Braunkohle hat dann auf Forderung des Naturschutzes dann gesagt okay, wir bezahlen die Kosten, um die Tiere, die dort leben, wegzufangen. Damals haben wir 29 Tiere weggefangen, die sind an die Peene nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen, und daraus sind mittlerweile etwa 500 Tiere entstanden. Das Saarland hat von uns in den letzten zehn Jahren 60 Tiere gekriegt, und daraus sind jetzt etwa 300 geworden."