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Exzellenzinitiative-Gutachter Imboden
"Lasst den Universitäten Freiheit und Zeit"

Das Gutachten zur Exzellenzinitiative sei auch ein Plädoyer für mehr Wettbewerb zwischen den Spitzenuniversitäten, sagte Dieter Imboden im DLF. Der Vorsitzende der für den Bericht verantwortlichen Expertenkommission appelliert aber auch an die Politik.

Dieter Imboden im Gespräch mit Ralf Krauter | 29.01.2016
    Der Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden präsentiert am 29. Januar 2016 in Berlin die Evaluation "Wie geht es weiter mit der Exzellenz-Initiative für Wissenschaft und Forschung?".
    Der Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden präsentiert am 29. Januar 2016 in Berlin die Evaluation "Wie geht es weiter mit der Exzellenz-Initiative für Wissenschaft und Forschung?" (dpa / picture alliance / Britta Pedersen)
    Ralf Krauter: Wo’s Gewinner gibt, gibt’s eben immer auch Verlierer. So ist das auch bei der Exzellenzinitiative, deren Entstehung, Ziele und Umsetzung Stephan Beuting noch mal in Erinnerung rief. Ob und in welchem Umfang die gesteckten Ziele erreicht wurden, das haben internationale Experten um den emeritierten ETH-Professor und Wissenschaftsmanager Dieter Imboden ein Jahr lang analysiert. Im heute vorgelegten Evaluationsbericht heißt es, Zitat: "Die Exzellenzinitiative hat ihre wichtigstes Ziel, eine neue Dynamik in das deutsche Universitätssystem zu bringen, erreicht." Ich habe Dieter Imboden nach der Pressekonferenz in Berlin gefragt, an welchen Indikatoren er und sein Team das fest machen.
    Dieter Imboden: Wir stellen fest, dass Bewegung in die Universitäten gekommen ist, dass sie realisieren, dass es eine starke Governance braucht, wenn man mit den Weltbesten mithalten kann. Man sieht das auch bei den Exzellenzclustern, wo die Publikationstätigkeit in den Spitzen enorm zugenommen hat. Das sind so Indikatoren, die uns zeigen, man ist auf dem Weg, aber man ist noch nicht am Ziel.
    Krauter: Erklärtes Ziel war ja auch durchaus, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland zu verbessern. Ihren Worten entnehme ich, das ist noch nicht so ganz klar gelungen?
    Imboden: Nein. Ich habe heute gesagt, der Weg ist das Ziel. Und ich bringe auch immer meine eigene Hochschule, die ETH Zürich, die hat 50 Jahre gebraucht, um aus einer mittelmäßigen Fachhochschule eine weltweite Spitzenuniversität zu werden, und das muss man sehen, das ist ein langfristiges Unternehmen, das geht von heute auf morgen nicht. Wenn ich also sage, man hat das Ziel noch nicht erreicht, ist das nicht eine Kritik an die Universitäten, sondern es ist eine Botschaft an die Politik, lasst den Universitäten Freiheit und Zeit.
    Krauter: Die Expertenkommission, der sie vorstehen, die schlägt vor, die Exzellenzinitiative fortzusetzen mit mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr. Sie mahnen aber auch eine Reihe von Kurskorrekturen an. Was sind denn die drei wichtigsten Empfehlungen an die Politik, die Sie geben?
    Imboden: Die erste wichtige Empfehlung ist, wenn ihr weiterhin Exzellenzcluster habt, dann macht bitte keine Rahmenbedingungen, welche eventuell exzellente Teilnehmer ausschließen. Je freier die Gestaltungsmöglichkeit bei diesen Clustern ist, desto weniger produzieren sie Scheinehen, die sich einfach irgendwie an diese Bedingungen anknüpfen. Der zweite Punkt ist, wir haben in der ersten Phase mit den Zukunftskonzepten von den Universitäten Vorstellungen erwartet. Jetzt sollte man vom Wettbewerb der Vorstellungen zum Wettbewerb der Leistung übergehen und sagen, wer schon gut gewesen ist in der Vergangenheit, soll in Zukunft für die nächsten paar Jahre einen Bonus bekommen, und es wird sich dann zeigen, ob er dieses Bonus würdig gewesen ist. Und der dritte Punkt ist, lasst den Universitäten und dem politischen System mehr Zeit. Es gibt keinen Grund, wieso dass die Exzellenzinitiative II schon in einem Jahr oder in anderthalb Jahren beginnen muss. Man kann die alte Exzellenzinitiative ein bisschen weiterführen, und das würde eine viel bessere und auch eine viel großzügigere und vielleicht auch zukunftsgerichtetere Planung in der nächsten Phase erlauben.
    "Vertrauen gibt, dass Universitäten auch gut geführt werden"
    Krauter: Sprechen wir kurz über den Bonus für bereits erfolgreiche Universitäten, den Sie angesprochen haben. Das fällt unter das Stichwort Exzellenzprämie. Da geht es um 15 Millionen Euro pro Jahr, die also Spitzenuniversitäten also zusätzlich bekommen könnten. Wer soll denn dann festlegen, wer dieses Geld bekommt?
    Imboden: Der Rektor oder der Präsident, und wenn er ein guter Rektor oder ein guter Präsident oder eine gute Präsidentin ist, dann wird diese Person sehr wohl wissen, dass einsame Entscheider im stillen Kämmerchen die Universität nicht an der Spitze halten können, sondern er wird das zusammen mit seiner Mannschaft, mit seinen Professorinnen und Professoren machen. Und da denke ich einfach, wichtigste Voraussetzung, um exzellente Unis zu bilden, ist, dass es einmal ein Vertrauen gibt, dass diese guten Universitäten auch gut geführt werden, ohne dass man ihnen allzu stark politische Vorschriften macht.
    Krauter: In der Pressemitteilung heißt es unter anderem auch, der Aufstieg deutscher Unis in die Liga globaler Spitzenuniversitäten kann nur gelingen, wenn der Prozess der fachlichen Differenzierung nach Forschungsschwerpunkten weiter vorangetrieben wird. Heißt das im Klartext, viele Unis haben ihr Profil noch nicht ausreichend geschärft?
    Imboden: Ja. Man sieht keine Schärfung des Profils, und Sie sehen auch aus den Reaktionen, die wir in den letzten paar Monaten immer wieder gehört haben - um Himmels willen, wenn die Finanzierung nicht weitergeht, dann werden diese Aufbauarbeiten alle zunichte. Daraus ziehen wir auch den Schluss, dass man eigentlich die Verstetigung von vielversprechenden Forschungsgebieten nicht rechtzeitig an die Hand genommen hat. Die Exzellenzinitiative ist nicht eine Dauerfinanzierung für ein Dauerprojekt einer Uni X, sondern es ist eine Anschubfinanzierung, und wenn die Uni X sagt, das ist ein guter Pfeiler in meinem Forschungsportfolio, dann hat die Uni innerhalb von fünf bis acht Jahren auch Zeit, durch Umlagerungen innerhalb der Universität, durch Festsetzung von Prioritäten dafür zu sorgen, dass langfristig die Nachhaltigkeit dieser Spezialisierung garantiert ist.
    Krauter: Kann man Ihren Bericht kurz zusammengefasst als klares Plädoyer dafür werten, den Wettbewerb zwischen den bereits guten Unis noch zu verschärfen.
    Imboden: Das ist der eine Teil, so kann man das bewerten. Aber es ist gleichzeitig auch ein Plädoyer, dass die Universitäten Zeit brauchen und Freiheit brauchen, um sich an diese Spitze vorzuarbeiten. Das ist ein langwieriger Prozess, und je mehr Freiheit man den Universitäten gibt, desto eher werden einige unter ihnen, nicht alle, aber einige, diese Spitze auch erreichen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.