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EZB-Gewerkschaft gegen Trichet

Eine Ära endet: Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, legt sein Amt ab. Zur Verabschiedung wird das "Who’s who" der Eurozone erwartet. Von der Amtsbilanz Trichets sind jedoch nicht alle begeistert.

Von Michael Braun | 18.10.2011
    Sie blicken nicht zurück im Zorn auf acht Jahre EZB-Präsidentschaft Jean-Claude Trichets, aber die Meinung der gut 1500 Mitarbeiter der EZB über ihren Chef ist gespalten. Das beginnt schon bei der geldpolitischen Haltung. Gut 55 Prozent der EZB-Mitarbeiter sagen, unter Trichet sei die EZB in der Krise über ihr Mandat hinausgegangen. Knapp 45 Prozent glauben das nicht. Aber auch die, die meinen, Trichet habe das Mandat strapaziert, geben zu, das sei in der gegeben krisenhaften Lage richtig gewesen. Marius Mager, Vorsitzender der IPSO, einer Gewerkschaft, in der vornehmlich Mitarbeiter der EZB organisiert sind:

    "Die Frage nach dem Mandat wurde gestellt, weil sie auch im öffentlichen Raum diskutiert worden ist. Und wir interpretieren sie in der Richtung, dass der Großteil der Mitarbeiter hinter der Entscheidung des Präsidenten steht, weil es in der Tat vermutlich gar keinen anderen Weg gab zu diesem Zeitpunkt."

    Gemeint mit der Verletzung des Mandats ist vor allem der Aufkauf von Staatsanleihen aus den Krisenstaaten Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien. Damit steuert die EZB über die Zinspolitik nicht mehr nur die Inflationsrate, lautet die Kritik, vielmehr wurde sie dadurch zum Staatsfinanzierer, übernahm also finanzpolitische Aufgaben – und hohe Risiken. Das könnte zur Umverteilung von Vermögen unter den Mitgliedsländern führen – ohne dass ein Parlament dem zugestimmt hätte.

    Die IPSO hat alle EZB-Mitarbeiter befragt und von etwa einem Drittel eine Antwort bekommen. Nach nationaler Herkunft, Zuständigkeit und Hierarchie entspreche der Rücklauf der EZB-Wirklichkeit, teilte die Gewerkschaft mit. Die Umfrage war eine Methode, auf sich aufmerksam zu machen. Denn zur Kritik an Trichet gehört, dass er nach außen hin zwar die Mitarbeiter als das wertvollste Gut der Zentralbank lobe, fast 60 Prozent meinten aber, das sei nach innen nicht spürbar. Manche sprechen von einem autokratischen Führungsstil des Franzosen. IPSO-Gewerkschafter Mager formuliert zurückhaltender:

    "Von Seiten der Mitarbeiter hatten wir vermutlich etwas darunter zu leiden, dass die Rolle der externen Vertretung ihm sehr viel abverlangt hatte und es hat ihm vielleicht nicht erlaubt, dass er sich den internen Anliegen mit der ausreichenden Zeit widmen kann."

    Auch Mitbestimmung sei in der Bank ein Fremdwort, die Mitspracherechte seien gering:

    "Als Mitarbeitern wird uns nur das Recht der Anhörung zugestanden und das Grundrecht der Kollektivverhandlungen nach wie vor verwehrt."

    Ebenso kritisieren die Mitarbeiter die Sparpolitik der EZB unter Trichet. Fast 55 Prozent können nicht erkennen, dass Strukturveränderungen die Arbeitseffizienz erhöht hätten. An der EZB-Führung dürfte zumindest diese Kritik abprallen: Denn wer den Mitgliedsstaaten das Sparen verordnet, kann selbst nicht die Budgets erhöhen.