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Fabrikbrand von Karachi
Klage gegen Kleidungsdiscounter KiK

Vor dem Landgericht Dortmund klagen Betroffene des Fabrikbrands von Karachi gegen den Kleidungsdiscounter KiK. Menschenrechtsorganisationen sehen den Prozess als "Signal gegen die Politik der Straflosigkeit" internationaler Konzerne.

Von Stefan Maas | 13.03.2015
    Die Klage auf Schadensersatz vor dem Landgericht Dortmund ist ein Novum. Nicht nur, weil die Kläger, vier Betroffene des verheerenden Brandes in Karachi, in einem Zivilprozess vom Textildiscounter KiK jeweils 30.000 Euro Schadensersatz fordern. Besonders ist der Fall vor allem, sagt Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Kläger vertritt, "weil das Landgericht Dortmund auf der Basis pakistanischen Rechts entscheiden muss."
    Der Richter werde zu diesem Zweck "ein Rechtsgutachten eines pakistanischen Rechtsgelehrten einholen müssen. Und der wird dann aufgrund der pakistanischen Präzedenzfälle in derartigen Konstellationen sagen, ja, hier besteht eine Verantwortung für den Auftraggeber KiK oder sie besteht nicht. Nach dem uns vorliegenden Gutachten eines renommierten pakistanischen Rechtsanwaltes besteht die Verantwortung."
    Laut Rechtsanwalt Klinger ist der Hauptgrund der Klage gegen KiK, dass das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Bönen die Textilfabrik fast vollständig mit seinen Aufträgen ausgelastet habe: "Das ist letztendlich ein Angestellter von KiK gewesen, dieses Unternehmen in Pakistan. Und seine Angestellten hat man zu kontrollieren."
    Die Klage sei aber auch ein "Signal gegen die Politik der Straflosigkeit" international tätiger Konzerne, begründen die Menschenrechtsorganisationen Medico und das European Center for Constitutional and Human Rights ihre Unterstützung der Kläger.
    Diskussion um Entschädigung
    "KiK behauptet von sich, dass sie ihre Zulieferbetriebe regelmäßig kontrollieren auf Feuersicherheit, dass sie selbst auch vor Ort sind und sich Fabriken anschauen. Und da hätte ihnen auffallen müssen, dass es in dieser Fabrik versperrte Feuerausgänge gibt, versperrte, vergitterte Fenster, und dass im Keller der Fabrik produziert wird und es nur einen einzigen Ausgang aus diesem Keller gibt", erklärt Miriam Saage-Maaß vom ECCHR. Sie fordert, auch jene Unternehmen, die im Auftrag von internationalen Firmen Produktionsstätten kontrollieren und auf Sicherheit prüfen, müssten für die Richtigkeit ihrer Berichte haften. Denn auch im Fall von Ali Enterprises in Karachi habe es einen solchen Bericht gegeben.
    KiK widerspricht den Angaben der Klägerseite, das Unternehmen habe die Opfer bisher nicht ausreichend entschädigt. Man habe den Opfern bereits eine Million Dollar Soforthilfe ausgezahlt und sei darüber hinaus auch zur Zahlung weiterer "Langzeitentschädigungen" bereit. Darüber habe man mit den Opfern vor Ort gesprochen. Diese hätten aber einen Vorschlag abgelehnt, eine angemessene Entschädigung auf Basis einer für solche Fälle geschaffenen Konvention vorzunehmen.
    Die vier Kläger wollen den Schadensersatz stellvertretend für eine weit größere Gruppe erstreiten, weil Sammelklagen in Deutschland nicht möglich sind und wegen der hohen Zahl von Betroffenen die Prozesskosten für hunderte Einzelklagen zu hoch wären. Eine mündliche Verhandlung wird für den Herbst erwartet, wenn das Gericht die Klage annimmt.
    Erst am Dienstag hatten Arbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, und Entwicklungsminister Gerd Müller,CSU, in Berlin mit Vertretern von Regierungen und Unternehmen über gerechtere Arbeit in der Textilindustrie beraten. Deutschland, das zurzeit die G7-Präsidentschaft innehat, will das Thema im Juni beim G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf die Tagesordnung setzen. Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem neuen Bericht auf Missstände in der kambodschanischen Textilindustrie hingewiesen. Viele Arbeiter erhielten etwa nur kurze oder gar keine Verträge, um sie gefügig zu machen.