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Freundliche Zahnärzte, glückliche Patienten

Technisch werden Zahnärzte hierzulande gut ausgebildet. Oft aber zeigen sie sich mundfaul im Gespräch mit den Patienten. Die Universität Köln und andere Hochschulen wollen das nun ändern. Sie setzten stärker auf soziale und kommunikative Kompetenzen.

Von Martin Schütz | 27.12.2010
    Allein schon der Gedanke an einen Zahnarzttermin löst Stress aus. Von einer Arzthelferin auf den Behandlungsstuhl bugsiert und ordentlich ausgeleuchtet wartet der Patient auf das Unausweichliche: Der mit Mundschutz, Handschuhen und Kittel vermummte Zahnarzt stürmt in den Behandlungsraum und fragt die Arzthelferin, was anliegt. Nicht den Patienten. Diesem stereotypen Verhalten wollen Zahnmediziner an der Kölner Universität nun ein Ende machen. Die Zahnärztin Isabel Ensmann lehrt dort Kommunikation. Ihr Ziel ist es, dass die Studierenden den Patienten sehen und nicht den Termin:

    "Zahnmedizin geht weg vom: Ich bin Arzt, du bist Patient! Sondern: Ich bin Dienstleister und du bist Kunde und du kannst dafür auch was erwarten!"

    In Köln orientiert sie die Medizinische Fakultät am Lernzielkatalog der Europäischen Vereinigung für die Zahnärztliche Ausbildung. Dort sind die kommunikativen und sozialen Kompetenzen formuliert, die ein Zahnmediziner am Ende seines Studiums können soll. In Köln ist die Hoffnung groß, dass diese Lernziele in den nächsten zwei bis drei Jahren in eine neue Approbationsordnung einfließen. Was Isabel Ensmann lehrt, wird also bisher nur lokal vermittelt. Dabei gibt es auch außerhalb Kölns Patienten, wie zum Beispiel Kindern oder Angstpatienten, auf die sich ein Zahnarzt speziell vorbereiten muss:

    "Man muss halt mit diesen Patienten Zeit einrechnen. Man muss denen das genau erklären. Viele haben einfach Angst, das die den Mund aufmachen müssen und mir ausgeliefert sind mit meinem Bohrer im Zweifelsfall und da hilft den meisten eigentlich schon, wenn ich darauf eingehe und sage, ich tue nichts was ich ihnen nicht vorher erklärt habe und sie haben jederzeit, zu jedem Zeitpunkt in der Behandlung die Möglichkeit zu sagen: Stopp! Ich will nicht mehr!""

    In Kompaktseminaren lernen die Studierenden parallel zum üblichen Stoff die Basis für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis. Im Vordergrund steht dabei, dass der Patient sich wohlfühlt. Also nicht schon auf dem Zahnarztstuhl liegt, wenn der Arzt in den Behandlungsraum kommt. Der grußlos behandelt wird, ohne zu kommunizieren. Für die Studierende Melanie Brase ein grundlegender Teil der Ausbildung:

    "Es sind bisher die Basics, aber die dann wirklich intensiv mit Rollenspielen, Beispielen, dann haben welche von uns für ein Rollenspiel zur Verfügung gestellt und wir durften hinter einer verspiegelten Wand zuschauen und das beurteilen und das war schon sehr intensiv."

    Psychologen sorgen für eine professionelle Rückmeldung und geben Tipps. Oft sind es Kleinigkeiten, wie längerer Blickkontakt, oder Höflichkeiten, damit sich Patienten wohlfühlen. Melanie Brase hält die Übungen für sehr sinnvoll. Denn bei ihren Zahnarztbesuchen merkt sie, dass Kommunikation früher so nicht gelehrt wurde:

    "Also mein Vater ist auch Zahnarzt und sogar dem unterstelle ich, dass es da mal ganz gut täte, wenn er das Mal machen würde. So ein intensives Training. Klar verfällt man allein durch den Stressfaktor immer wieder in alte Gewohnheiten, das lässt sich auch nicht vermeiden. Aber doch ich würde mir wünschen, dass es öfter angewendet würde und ich sehe da Bedarf."

    Andreas Övermann lässt sich in der Kölner Uniklinik von Studierenden behandeln. Der 26-Jährige war mit seinem alten Zahnarzt nicht zufrieden. Immer wieder wurde er behandelt, ohne genau zu wissen, was gemacht wird. Das Einzige, was er bei dem Arzt mit freundlichen Grüßen erhielt, waren im Anschluss die Rechnungen. Die Behandlungen an der Uniklinik findet er deutlich angenehmer:

    "Ich fühle mich gut aufgehoben. Ich wurde immer sehr nett aufgenommen und es ist auch schon sehr spaßig, auch weil die Studenten im gleichen Alter sind, ist das sehr nett!"

    Auch heute wird er freundlich von einer angehenden Zahnärztin im Wartezimmer abgeholt und in das Behandlungszimmer begleitet:

    "Kommen Sie doch rein, nehmen Sie Platz, wir machen heute die Füllung oben rechts? Haben Sie Schmerzen? Wollen Sie eine kleine Anästhesie?"

    Nach Ansicht der Kölner Mediziner würde ein Mehr an Kommunikation in der Ausbildung das Studium nicht verlängern. Denn in einer neuen Approbationsordnung könnte dafür die handwerkliche Ausbildung reduziert werden. Schließlich übernehmen mittlerweile Zahntechniker zuverlässig die Herstellung von Brücken und Kronen. 1955 war das noch anders.