Samstag, 20. April 2024

Archiv

Facebook löscht Satire-Post
"Es kam eine lapidare Entschuldigungsmail"

Das NetzDG soll Fake News und Hasskommentare im Internet verhindern - doch gelöscht werden immer häufiger auch satirische Posts von Künstlern. "Man kann sich schlecht sich über Verbote aufregen, wenn man die Verbote nicht zeigt", klagte der von Facebook gesperrte Karikaturist Schwarwel im Dlf.

Schwarwel im Corsogespräch mit Ulrich Biermann | 23.01.2018
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen (Fake News) in sozialen Netzwerken unterbinden.
    Einfach weg? Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen in sozialen Netzwerken unterbinden (imago / Christian Ohde)
    Ulrich Biermann: Übers Ziel hinausgeschossen, kann man da nur sagen, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Seit Oktober in Kraft, seit dem 1. Januar scharf – da endete nämlich die Übergangszeit, wo Facebook, Twitter, YouTube und Co. sich einstellen konnten. Es soll die Verbreitung von Fake News und Hasskommentaren im Netz verhindern. Zwar wird von den sozialen Netzwerken jetzt auch fleißig gelöscht, aber Trolle und Nazis sind nicht die einzig Betroffenen. Erst traf es den Twitter-Account des Satiremagazins "Titanic", dann die Streetart-Künstlerin Barbara – ihre Posts bei Facebook und Instagram, die wurden gelöscht. Sie hatte Nazi-Schmierereien mit humoristischen Sprüchen kommentiert. Aktuell wurde der in Leipzig lebende Karikaturist Schwarwel von Facebook gesperrt. Hallo Schwarwel, in Leipzig.
    Schwarwel: Hallo.
    Biermann: Was war denn so schlimm? Facebook meint, Sie hätten gegen die allgemeinen Geschäftsstandards verstoßen.
    Schwarwel: Das lässt sich bisher noch nicht rausfinden, was denn daran schlimm war. Ich nehme stark an, es war der Hashtag Halbneger, der da mit drin vorkommen musste. Wenn es kritische Worte gibt, dann muss ein Satiriker gerade die kritischen Worte auch verwenden, anders geht das nicht. Das heißt, man kann sich schlecht sich über Verbote aufregen, wenn man die Verbote nicht zeigt.
    Biermann: Beschreiben Sie doch mal kurz Ihre Karikatur.
    Schwarwel: Da ging es um die H&M-Geschichte, um den, ich nenne es mal Fauxpas, weil ich glaube, es war tatsächlich ein Fauxpas, dass da irgendwie in der H&M-Marketing-Abteilung null nachgedacht wurde und einem kleinen Jungen, einem schwarzen Jungen, ein Shirt mit der Aufschrift "Coolest Monkey in the Jungle" angezogen wurde. Das habe ich als Aufhänger genommen, um da noch einen von der AfD reinzustellen, der von AfD-Mann Maier, den Begriff Halbneger mit in den Mund nahm und sagte: "Wenn sie das mit Halbneger haben, dann nehme ich gleich zwei". Und unten drunter stand: "H&M, wo die AfD sich zuhause fühlt".
    "Mich interessiert, wie die Herangehensweise ist"
    Biermann: Bei Barbara hat sich Facebook mittlerweile entschuldigt, alles steht wieder online. Wie ist es bei Ihnen?
    Schwarwel: Bei mir ist es tatsächlich auch so, dass sich das in den letzten Tagen dann auch plötzlich ganz schnell anders entwickelt hat, dass das gestern wieder freigeschaltet wurde und erst mal eine lapidare – duzend – Entschuldigungsmail kam, dass ein Mitarbeiter ein Fehler gemacht hat. Und jetzt versucht man gerade, Kontakt zu mir aufzunehmen. Ich habe gerade eine Mail erhalten, eben gerade, ob ich angerufen werden darf von irgendeiner Frau vom Policy Management von Facebook, die mal mit mir telefonieren will.
    Biermann: Wollen Sie das?
    Schwarwel: Ich will das natürlich, weil mich natürlich interessiert, wie überhaupt die Herangehensweise da ist. Weil: Ich lese natürlich sehr viel, als Karikaturist muss ich ja irgendwie recherchieren, damit ich keinen Quatsch erzähle oder mich nicht falsch aufrege und die Fakten gar nicht kenne, deswegen bin ich natürlich daran interessiert, mit allen zu reden. Und da interessiert mich eben vor allen Dingen, A - was für Kriterien da herrschen und B - was für Arbeitsbedingungen da herrschen. Die Berichte, die ich kenne aus der Presse, die lassen einem eigentlich nichts Gutes verheißen. Wenn das tatsächlich so ist, dass ein Mitarbeiter 1300 Posts pro Tag vor die Nase kriegt, dann hat er - nach meiner Rechnung - 20 Sekunden, um sich zu entscheiden, ob das gelöscht werden muss oder ob das bleiben soll.
    Der Grafiker, Illustrator, Comiczeichner Schwarwel.
    Der Grafiker, Illustrator, Comiczeichner Schwarwel. (imago / suedraumfoto)
    "Man muss da mit mehr Fingerspitzengefühl rangehen"
    Biermann: Und da sind wir natürlich bei einem Problem, weil Ironie, Satire braucht manchmal einen kleinen Moment länger.
    Schwarwel: Ja. Das ist genau das Problem, was ich da auch sehe. Logischerweise regt mich das als Karikaturist auf, andererseits sehe ich natürlich auch eine Funktion darin, dass man sagt, das kann da nicht drin bleiben, weil einfach da unsere Gemeinschaft, die wir jetzt als Firma versuchen zu bilden - das ist ja nunmal eine Firma, Facebook - dann muss aber trotzdem ja irgendeine Philosophie dahinter sein. Und wenn man sich halt soziales Netzwerk nennt, muss man da glaube ich mit ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl rangehen.
    "Privatunternehmen die Rechtssprechung zu überlassen, halte ich für extrem gefährlich"
    Biermann: Und auch versuchen, sozial zu sein. Kritik gab es schon bei der Vorstellung des NetzDG durch Heiko Maas im letzten Jahr. Da muss man natürlich fragen: Tritt jetzt dann nicht eigentlich genau das ein, was alle damals an die Wand düster malten - Zensur, Ende der Meinungsfreiheit?
    Schwarwel: Zensur, Ende der Meinungsfreiheit, deswegen sagte ich gerade: Firma. Ich halte es tatsächlich für schwierig. Das ist eine Firma, also die machen eine eigene Website, nennen sich zwar soziales Medium, und das hat sich so eingeschliffen und alle sind drauf gegangen und wir finden da alle statt. Aber letztlich ist es natürlich irgendwie Privatgebiet, deswegen ist das natürlich ein Minenfeld, was man da betritt. Und jetzt Privatunternehmen das zur Gänze zu überlassen, dass man sich um die Gesetzgebung kümmert oder um Rechtssprechung, halte ich natürlich für extrem gefährlich.
    Wir haben noch länger mit Schwarwel gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Andererseits heiße ich es erst mal glaube ich gut, dass es so ein Gesetz gibt, wenn auch nicht in der Form. Weil, das funktioniert natürlich nicht, da muss es natürlich andere Regularien geben. Aber ich glaube, es ist gut, Leuten zu sagen: Hier Leute, wenn ihr in der Öffentlichkeit arbeitet und die gesamte Menschheit in Sippenhaft nehmen wollt - wie das ja Herr Zuckerberg einfach tut mit Facebook - dann müsst ihr euch auch der Verantwortung stellen, die daraus entwächst. Und das heißt, muss - meiner Meinung nach - der Staat und solche Firmen zusammenarbeiten, um zu sagen, wie kann man verhindern, dass eben Hass und Hetze da ungehindert sich breittreten können, und das muss man natürlich irgendwie regulieren können.
    Persönliche Ethikkommission über die Grenzen der Satire
    Biermann: Mich würde ja Ihr Gespräch mit der Facebook-Mitarbeiterin gleich interessieren, weil: Was heißt das für die Zukunft? Was posten Sie? Was posten Sie nicht? Gibt es nicht irgendwie dann doch so eine kleine Schere, auch bei Schwarwel im Kopf? Hallo, könnte wieder passieren?
    Schwarwel: Nein. Bei Schwarwel im Kopf gibt es die Schere nicht, da bin ich mir sehr sicher. Die darf es nicht geben, also die muss ich mir auch selber verbieten. Ich habe natürlich eine Schere im Kopf, weil ich bin der Meinung, Satire darf tatsächlich alles, aber da muss man selber in sich selbst eine kleine Ethikkommission haben, die von vornherein sagt: Okay, wo sind meine Grenzen?
    Biermann: Karikaturist Schwarwel zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das auch dazu führt, dass Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung in den sozialen Netzwerken zeitweilig zensiert werden. Danke für das Gespräch.
    Schwarwel: Danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.