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Rückkehr nach China - durch Zensur?

Das US-Unternehmen Facebook will auch in China erreichbar sein und hat dafür einem "New York Times"-Bericht zufolge ein Programm zur Zensur von Inhalten entwickelt. Die Anwendung könnte filtern, welche Inhalte Nutzern auf der Startseite angezeigt würden. Facebooks Umgang mit Meinungsfreiheit, Hetze und Nacktheit ist seit Langem umstritten.

Von Victoria Reith | 23.11.2016
    Facebook möchte nach China zurückkehren, möglicherweise mit Hilfe einer Zensur-Software.
    Facebook möchte nach China zurückkehren, möglicherweise mit Hilfe einer Zensur-Software. (picture alliance/dpa - Imaginechina)
    Die "New York Times" stützt sich in ihrem Bericht auf drei Mitarbeiter des Konzerns - sowohl frühere als auch amtierende. Facebook will das Zensur-Programm demnach nicht selbst einsetzen, sondern möglicherweise einem Partnerunternehmen in China zur Verfügung stellen. Die Posts selbst solle das Programm laut Bericht nicht unterdrücken, wohl aber, welche Inhalte Nutzern in ihrer Timeline angezeigt würden. Der Facebook-Algorithmus, der gewichtet, welche Inhalte welchem User in seiner Timeline angezeigt werden, ist ohnehin einer der größten Trümpfe und eines der größten Geheimnisse des Unternehmens - denn nicht alle Freunde und Seiten werden gleichwertig angezeigt.
    Das Programm sei aber nur eine von vielen Ideen, die die Rückkehr nach China ermöglichen könnten. Es könnte sein, so die "New York Times", dass es nie zum Einsatz kommt.
    China zensiert, um Kontrolle über den Staat zu behalten
    In China ist das Soziale Netzwerk seit 2009 blockiert, das Internet wird streng kontrolliert, weil der Staat befürchtet, die Kontrolle über Nachrichten oder oppositionelle Bewegungen zu verlieren, die sich über das Netz organisieren.
    Eine Facebook-Sprecherin sagte mehreren Nachrichtenagenturen, man sage seit Langem, dass man an China interessiert sei und verbringe viel Zeit damit, das Land besser zu verstehen.
    Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte sich im März mit Chinas Propaganda-Chef Liu Yunshan getroffen, der laut Nachrichtenagentur Xinhua sagte, er wünsche sich einen stärkeren Austausch und ein besseres gegenseitiges Verständnis von Facebook und den chinesischen Internetfirmen.
    Facebooks erratisches Vorgehen bei Löschungen
    Das Unternehmen gerät regelmäßig in die Schlagzeilen, weil Kritiker seinen Umgang mit sensiblen Inhalten für schwer nachzuvollziehbar halten. So löscht Facebook Inhalte, in denen Nacktheit vorkommt, auch wenn es sich dabei um Dokumente der Zeitgeschichte handelt, wie ein Foto des schreienden Mädchens bei einem Napalm-Angriff im Vietnamkrieg, oder eine Kampagne für Brustkrebsvorsorge, für die eine schwedische Organisation Brüste als schematische Darstellung in verschiedenen Pinktönen dargestellt hatte.
    Bei Hasskommentaren, Morddrohungen und Posts, die Volksverhetzung beinhalten, agiert Facebook allerdings zögerlich und löscht häufig erst nach mehreren Aufforderungen oder gar nicht, weshalb unter anderem die Staatsanwaltschaft München gegen Zuckerberg und andere Manager wegen Volksverhetzung ermittelt hatte.
    Menschen Macht geben, sich auszudrücken
    Facebook erklärt die zögerliche Sperrung von Inhalten damit, dass man denjenigen eine Stimme geben will, die in ihren Ländern unter der Einschränkung der Meinungsfreiheit landen. So sagte Facebook-Chef Zuckerberg bei einer Fragestunde im vergangenen Jahr:
    "In einer idealen Welt gäbe es viel weniger Beschränkungen der Redefreiheit und jeder hätte die Mittel sich auszudrücken, zum Beispiel durch Zugang zum Internet. In der Realität gibt es aber in den meisten Ländern Gesetze, die die Redefreiheit in der einen der anderen Weise einschränken. Unsere Philosophie ist, so vielen Leuten wie möglich so viel Macht wie möglich zu geben, sich auszudrücken."
    Zensur-Software in Widerspruch zum Ermächtigungsgedanken
    Mit seiner Software würde Facebook zwar potenziell den Menschen in China den Zugang zum Netzwerk ermöglichen, ihre Beiträge würden aber im Zweifel nur wenig Verbreitung finden.
    Facebook hat auch in Ländern wie der Türkei, Pakistan oder Russland wegen lokaler Gesetze schon Inhalte eingeschränkt. Auch in Deutschland werden bestimmte Inhalte auf Facebook herausgefiltert, etwa Propagandaposts mit Hakenkreuz-Bildern oder Beiträge, in denen der Holocaust geleugnet wird.
    Frankreich Spitzenreiter bei Löschungsanfragen der Regierung - wegen eines Bildes
    Auf der Unternehmenseite von Facebook ist nachzulesen, wie viele Beiträge auf Anfrage von Regierungen gelöscht wurden. Im Zeitraum Juli 2015 bis Dezember 2015 wurden die meisten Beiträge (fast 38.000) in Frankreich gelöscht. 32.100 davon standen aber im Zusammenhang mit einem einzelnen Bild von den Terroranschlägen im November 2015 in Paris, das von einer Regierungsbehörde wegen des angeblichen Verstoßes gegen französische Gesetze in Bezug auf den Schutz der Menschenwürde gemeldet wurde.
    In Indien wurden 15.000 Beiträge auf Regierungsbestreben eingeschränkt, in der Türkei 2.000 und in Deutschland 366. In Deutschland handle es sich um "Inhalte, die angeblich eine Volksverhetzung beziehungsweise einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz darstellen, sowie auf Inhalte im Zusammenhang mit der Verleugnung des Holocaust.