Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Facebook, Twitter und die US-Wahl
Wer lügt, gewinnt?

Manche Wahlanalysten führen Donald Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen auf dessen Social-Media-Strategie zurück. Das wirft die Frage nach deren gesellschaftlichen Verantwortung auf, weil sie offensichtliche Lügen oder Falschmeldungen und Beleidigungen nicht als solche identifizieren - und entsprechend auch nicht aus den Netzwerken entfernen.

Von Tobias Zihn | 11.11.2016
    Der designierte US-Präsident Donald Trump ballt bei seinem Auftritt in New York die Faust.
    Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl 2016 in den USA gewonnen. (AFP - Timothy A. Clary)
    Während viele Analysten noch genau untersuchen, warum Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat, gibt das New York Magazine schon eine Antwort: "Donald Trump hat wegen Facebook gewonnen" lautet der Titel eines Artikels.
    Was genau ist gemeint? Für viele Menschen ist Facebook mittlerweile der Kanal, über den sie hauptsächlich Nachrichten konsumieren und sich über die Geschehnisse in der Welt informieren. Wer seine potenziellen Wählerinnen und Wähler direkt erreichen möchte, muss in den sozialen Netzwerken vertreten sein. Sowohl Donald Trump als auch seine ihm unterlegene Gegnerin Hillary Clinton haben dies erkannt: Während Clinton in ihrer Social-Media-Strategie auf die Expertise von 100 Mitarbeitern setzte, vertraute Donald Trump in erster Linie nur sich selbst als bestem Wahlkämpfer.
    Donald Trump nutze die Emotionalität sozialer Medien
    Wie kaum ein anderer Präsidentschaftskandidat vor ihm nutzte Trump Facebook und den Kurznachrichtendienst Twitter. Über diese Kanäle kommunizierte Trump direkt mit seinen Wählern - oder jetzt auch seinen Gegnern, den Menschen, die gegen seine eigene Person auf die Straße gehen:
    Bei seinen Posts setzte Trump in der Vergangenheit vor allem auf Ressentiments, Eigenlob, Beleidigendes und Lügen - wohl wissend, dass sich falsche Nachrichten in den sozialen Netzwerken besonders schnell verbreiten. Geteilt wird vor allem Marktschreierisches, wohingegen es differenzierte Darstellungen und Hintergründiges schwerer haben. Und hinzu kommt: Über jede Unanständigkeit Trumps setzte sich die klassischen Medienmaschinerie in Gang und berichtete großflächig. Trump war so die größtmögliche Aufmerksamkeit sicher.
    Facebook überprüft Wahrheitsgehalt nicht
    Trumps Strategie wirft die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung sozialer Netzwerke auf: Müssen sie Lügen und sogenannten Fake-News nicht entschiedener entgegentreten und beispielsweise offensichtliche Unwahrheiten löschen? Facebook hat dazu eine klare Meinung: Das Unternehmen prüft praktisch nicht, ob eine Meldung wahr oder falsch ist. Man sei ja kein klassisches Medium, sondern nur eine Plattform. Der Inhalt komme von den Nutzern.
    Und direkt auf den Ausgang der US-Wahl angesprochen, sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einer Technik-Konferenz in Kalifornien: "Wer glaubt, dass Fake-Nachrichten in Facebook den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl beeinflusst haben könnten, glaubt an eine ziemlich verrückte Idee." Fakes seien zum einen der geringste Teil des Facebook-Inhalts und zum anderen: "Wer meint, dass sich Wähler für Trump entschieden haben, weil sie bei Facebook seine Fake-News oder die seiner Unterstützer gelesen haben, der verkennt die Botschaft, die die US-Bürger mit ihrer Stimme für Trump senden wollten."
    Leben in der Blase
    Außerdem kritisieren Experten auch im Kontext der US-Wahl den Nachrichten-Algorithmus von Facebook: Nutzer bekämen immer nur Nachrichten angezeigt, die ihre Weltsicht bestätigen würden, lautet der Vorwurf. Sie lebten so in einer regelrechten Blase. Bei der Konferenz in Kalifornien verteidigte Zuckerberg hingegen den Netzwerk-Mechanismus: Dieser stelle den Nutzern schon jetzt Informationen aus den unterschiedlichsten Perspektiven zur Verfügung. "Das Problem ist, dass Nutzer nicht auf Posts klicken, die sich von ihrer eigenen Meinung unterscheiden."
    Und dann schob Zuckerberg noch ein ganz bemerkenswertes Argument hinterher: Generell hätten ja die Unterstützer beider Lager die Möglichkeit gehabt, Fake-News zu generieren. Soll also heißen: Wer viel und besser lügt, gewinnt?